Skip to content

Kinderreisebettfall

eingetragen von Thilo Schwirtz am September 27th, 2010

Der Kläger wurde von der Beklagten, einem Abfallentsorgungsunternehmen, seit über acht Jahren als Hofarbeiter im Rahmen der Altpapierentsorgung beschäftigt. Der Kläger fand in einem Altpapiercontainer, dessen Inhalt zur Entsorgung anstand, einen Karton, der ein Kinderreisebett enthielt und nahm dieses an sich, ohne die Beklagte zuvor um Erlaubnis zu fragen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos und warf diesem Diebstahl vor, wobei der Kläger durch vorhergehende Abmahnungen darauf hingewiesen worden sei, dass auch die Mitnahme zu entsorgender Gegenstände grundsätzlich verboten und nur im Falle ausdrücklicher Gestattung durch die Beklagte erlaubt sei. Der Kläger hält die Kündigung jedenfalls für unverhältnismäßig.

Die gegen die Kündigung vom Kläger erhobene Klage war vor dem Arbeitsgericht Mannheim erfolgreich (Urteil vom 30.07.2009, Az.15 Ca 278/08). Die Beklagte, die eine Abweisung der Kündigungsschutzklage erstrebt, wendete sich gegen dieses Urteil des Arbeitsgerichts mit ihrer zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – eingelegten Berufung.

Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und damit das Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt. Das Gericht ließ sich dabei von der Überlegung leiten, dass auch wenn ein Pflichtverstoß des Klägers und ein „Kündigungsgrund an sich“ zu Gunsten der Beklagten ebenso angenommen würde, wie eine zuvor erfolgte Abmahnung, im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung das Bestandsschutzinteresse des Klägers im Ergebnis Vorrang hat. Dies gilt vor allem angesichts des langjährigen, im Wesentlichen störungsfrei verlaufenen Arbeitsverhältnisses des Klägers und des fehlenden wirtschaftlichen Wertes der unmittelbar zur Entsorgung anstehenden und bereits im Müll befindlichen Sache. Mangels Vorliegens eines der gesetzlich abschließend aufgezählten Zulassungsgründe hat das Landesarbeitsgericht die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

[Quelle: PM des landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10.02.2010 zu Az.: 13 Sa 59/09).]

§ 626 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund)
1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.