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Termine Bundesarbeitsgericht

25. Oktober 2018, 10:00 Uhr
Achter Senat

Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Bewerberauswahl aufgrund der Religionszugehörigkeit


E. (RAe. Dr. Bertelsmann und Gäbert, Hamburg) ./.
Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. (RAe. Vangard, München)

– 8 AZR 501/14 –

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund der Religion.

 

Die Beklagte ist eine rechtlich verselbständigte Einrichtung der evangelischen Landeskirchen Deutschlands, mit denen sie durch ihre Satzungsbestimmungen ideell und organisatorisch verbunden ist. Die keiner Religionsgemeinschaft angehörige Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 29. November 2012 auf eine von der Beklagten am 25. November 2012 ausgeschriebene befristete Stelle eines Referenten/einer Referentin. Gegenstand der Tätigkeit sollte die Erstellung eines Berichts zur Umsetzung der Anti-Rassismus-Konvention durch Deutschland sein. In der Stellenausschreibung war als Voraussetzung die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e. V. angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag genannt. Die Konfession sollte im Lebenslauf angegeben werden. Die Klägerin machte in ihrer Bewerbung keine Angaben zur Konfession. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Stelle erhielt ein Bewerber, der sich in seiner Bewerbung als „in der Berliner Landeskirche sozialisierter evangelischer Christ“ bezeichnete. Nachdem die Klägerin am 23. Januar 2013 erfahren hatte, dass sie für die ausgeschriebene Stelle nicht berücksichtigt worden war, machte sie mit Schreiben vom 25. Februar 2013 Entschädigungsansprüche geltend.

 

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 9.788,65 Euro. Sie ist der Ansicht, sie habe, obwohl sie für die Stelle qualifiziert sei, diese wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Die Berücksichtigung der Religion sei rechtswidrig. Die Beklagte ist der Auffassung, eine Benachteiligung der Klägerin wegen der Religion liege nicht vor; falls man dies annehme, sei die Benachteiligung gerechtfertigt.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.957,73 Euro zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe die Klägerin nicht wegen der Religion benachteiligt. Es sei fraglich, ob im Hinblick auf das Erfordernis einer vergleichbaren Situation eine Benachteiligung vorliege. Zumindest aber sei die weniger günstige Behandlung der Klägerin gerechtfertigt. Auch unter Berücksichtigung des Europarechts und des Verfassungsrechts sei das Erfordernis der Kirchenzugehörigkeit zulässig. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung weiter.

 

Auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 17. März 2016 hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 17. April 2018 (C-414/16) entschieden, dass einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen muss, wenn eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Entscheidung, wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle, geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation. Bei der nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung handle es sich um eine solche, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht der Kirche auf Autonomie umfassen darf. Sie müsse zudem mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Ein nationales Gericht habe in einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen und sei verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus Art. 21 und 47 der Charta erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lasse.

LAG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 28. Mai 2014 – 4 Sa 157/14, 4 Sa 238/14 –

 

14. November 2018, 9:45 Uhr
Fünfter Senat

Annahmeverzug – Anrechnung der beamtenrechtlichen Besoldung einer beurlaubten Beamtin


S. (RAe. Bierbrodt, Karlsruhe) ./.
i. mbH (RAe. Görg, Köln)

– 5 AZR 573/17 –

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche iHv. insgesamt 156.329,49 Euro brutto.

Die Klägerin ist Bundesbeamtin der Deutschen Post AG. Sie war vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2012 von ihrem Dienst beurlaubt. Eine gegen die Nichtverlängerung der Beurlaubung ab dem 1. Juni 2012 gerichtete Klage der Klägerin hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Mit Wirkung ab dem 1. Juni 2002 begründeten die Klägerin und die Beklagte, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Post AG, ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war bis zum 31. Mai 2012 in der Auftragsabwicklung beschäftigt und erhielt zuletzt ein Gehalt in Höhe von 4.053,46 Euro brutto. Vom 1. Juni 2012 bis zum 31. März 2017 zahlte die Deutsche Post AG der Klägerin die Dienstbezüge ihrer Besoldungsgruppe A 11, ohne dass die Klägerin Dienste für die Deutsche Post AG leistete. Die Klägerin war während des Zeitraums 1. April 2014 bis 31. März 2017 ungeachtet einer – abgesehen von Urlaubsunterbrechungen – zumindest bis zum 11. Oktober 2016 bestehenden Dienstunfähigkeit in Bezug auf ihre arbeitsvertraglichen Pflichten arbeitsfähig.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. März 2017. Die Klägerin meint, die Beklagte befinde sich seit Juni 2012 im Annahmeverzug. Die Beamtenbesoldung, die sie erhalten habe, könne aufgrund des im Beamtenrecht geltenden Alimentationsprinzips auf die Vergütungsansprüche nicht angerechnet werden. Die Beklagte wendet ein, die Klägerin sei aus Rechtsgründen an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert gewesen, da die Beurlaubung aus dem Beamtenverhältnis am 31. Mai 2012 geendet habe. Die Klägerin habe nicht gleichzeitig ihre Pflichten aus dem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis erfüllen können. Sie sei zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, sich aus dem Beamtenverhältnis zu lösen. Unabhängig davon sei die Beamtenbesoldung anrechnungsfähiger Verdienst iSd. § 612 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr im Wesentlichen entsprochen. Die Beklagte habe sich in der Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. November 2015 und vom 7. Januar 2016 bis zum 31. März 2017 in Annahmeverzug befunden. Es schließe die Leistungsbereitschaft der Klägerin nicht aus, dass diese versucht habe, eine Verlängerung der Beurlaubung in dem Beamtenverhältnis durchzusetzen, und dass ein möglicher, jedoch nicht eingetretener Konflikt beider Rechtsverhältnisse bestanden habe. Der Annahmeverzug sei für den Erwerb der Beamtenbezüge nicht kausal gewesen. Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Die Klägerin habe sie rechtzeitig geltend gemacht.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

LAG Baden-Württemberg,
Urteil vom 27. Oktober 2017 – 12 Sa 28/17 –


15. November 2018, 10:30 Uhr
Zweiter Senat

Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung und deren Unterstützung – Sicherheitsbedenken – Tat- und Verdachtskündigung


B. (RA. Schultz, Berlin) ./.
V. AG (RAe. Laborius, Hannover)

– 2 AZR 307/18 –

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und bei der Beklagten, die Automobile herstellt, seit 2008 als Montagewerker beschäftigt. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Es bestehen eine Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ und ein sog. „Code of Conduct“ über Verhaltensgrundsätze.

Nach den Eintragungen im Reisepass des Klägers reiste dieser seit 2012 mehrfach in die Türkei und arabische Staaten ein. Seit dem Jahr 2013 organisierte der Kläger wiederholt Informationsstände zum Islam. Der Kläger war vom LKA Niedersachsen sowie vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur Kontrolle und Grenzfahndung ausgeschrieben. Die Sicherheitsbehörden gingen davon aus, dass der Kläger Teil der gewaltbereiten islamistischen Szene sei, „Jihadkämpfer“ rekrutiere bzw. unterstütze und sich selbst an Aktionen des militanten „Jihad“ beteiligen wolle.

Der Kläger wollte am 28. Dezember 2014 mit dem Flugzeug nach Istanbul reisen. Nach einer Gepäckkontrolle untersagte die Bundespolizeidirektion dem Kläger befristet bis zum 25. Januar 2015 die Ausreise. Mit Bescheid vom 19. Januar 2015 entzog die Stadt W. dem Kläger den Reisepass und untersagte ihm die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik. Im Mai 2015 stellte sie Teile des vom Kläger am 28. Dezember 2014 mitgeführten Reisegepäcks sicher und ordnete deren Vernichtung an. Im Juli 2015 übertrug der Kläger sein Grundeigentum an Familienangehörige und nahm im September 2015 ein Darlehen über 50.000,00 Euro auf. Mit Urteil vom 7. September 2016 wies das Verwaltungsgericht die ua. gegen die Entziehung des Reisepasses und die Versagung der Ausreise gerichtete Klage ab.

Am 3. März 2016 hatte der Kläger am Arbeitsplatz eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen um die Bereitstellung von Arbeitsmaterialien. Dieses Verhalten mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 11. April 2016 ab und stellte den Kläger vorübergehend von der Arbeitsleistung frei. Am 11. Oktober 2016 forderte die Beklagte den Kläger erfolglos zur Stellungnahme zu den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichts auf.

Mit Schreiben vom 7. November 2016 kündigte die Beklagte nach Beteiligung des vom Betriebsrat errichteten Personalausschusses das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und mit Schreiben vom 9. November 2016 zum nächst zulässigen Zeitpunkt.

Gegenüber diesen Kündigungen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, mit der er auch die Rücknahme und Entfernung der Abmahnung vom 11. April 2016 aus seiner Personalakte verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen auf die Berufung des Klägers entsprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.

LAG Niedersachen,
Urteil vom 12. März 2018 – 15 Sa 319/17 –


20. November 2018, 10:30 Uhr
Erster Senat

Arbeitskampf – Unterlassung – gewerkschaftliche Streikmaßnahmen auf Betriebsgelände


A. GmbH (RAe. Allen & Overy, München) ./.
ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di, Berlin)

– 1 AZR 189/17 –

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, auf einem von der Klägerin gepachteten Parkplatz Streikposten aufzustellen.

Am 21. und 22. September 2015 kam es bei der Klägerin zu einem Streik, der das Ziel des Abschlusses von Anerkennungstarifverträgen hatte. Die Beklagte hatte hierzu vor dem Haupteingang eines Gebäudes, in dem die von der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer Waren versandfertig machen, Stehtische und Sonnenschirme mit ihrem Logo sowie Tonnen aufgestellt. Am 21. und 22. September 2015 standen dort Mitarbeiter der Beklagten sowie streikende Arbeitnehmer, verteilten Flyer und forderten zur Arbeit Erscheinende zur Streikbeteiligung auf. Arbeitswillige mussten zum Teil an den in kleinen Gruppen stehenden Streikenden vorbei gehen. Der Haupteingang befindet sich auf einem von der Klägerin gepachteten Parkplatz, der Teil des Betriebsgeländes ist. Die meisten Mitarbeiter kommen mit dem Pkw zur Arbeit und stellen ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz ab. Auf diesem ist mit Schildern mitgeteilt, dass es sich um ein Privatgrundstück handle und Unbefugten das Betreten verboten sei.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin zuletzt, der Beklagten – ordnungsgeldbewährt – zu untersagen, zu Versammlungen auf dem zum Betriebsgelände der Klägerin gehörenden Parkplatz infolge von Arbeitsniederlegungen aufgrund eines Aufrufs zur Arbeitsniederlegung aufzurufen und dort solche Streikmaßnahmen durchzuführen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin könne von der Beklagten nicht generell verlangen, es zu unterlassen, durch Streikposten vor dem Haupteingang mit arbeitswilligen Beschäftigten zu kommunizieren. Die Klägerin hat in einem vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesenen Tatbestandsberichtigungsantrag geltend gemacht, nicht lediglich das Unterlassen der Aufstellung von Streikposten auf dem Parkplatz ihres Betriebsgeländes begehrt zu haben, sondern das Unterlassen jeglicher Streikmaßnahmen auf ihrem Betriebsgelände.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.

LAG Berlin-Brandenburg,
Urteil 29. März 2017 – 24 Sa 979/16 –

Der Senat verhandelt außerdem ein weiteres Verfahren – 1 AZR 12/17 – mit ähnlich gelagertem Sachverhalt.

11. Dezember 2018, 9:45 Uhr
Dritter Senat

Altersdiskriminierung – Hinterbliebenenversorgung – Altersabstandsklausel


M. (RA. Holzbock, Augsburg) ./.
Landesverband Bayerischer Bauinnungen ua. (RAe. Tempel & Kollegen, München)

– 3 AZR 400/17 –

Die Parteien streiten über die Höhe einer Witwenrente. Die Klägerin ist im Oktober 1945 geboren. Ihr im Juli 2014 verstorbener Ehemann und früherer Arbeitnehmer des Beklagten zu 1. war im November 1930 geboren. Die Klägerin bezog nach dem Tod ihres Ehemannes seit August 2014 Hinterbliebenenrente.

Nach § 10 der maßgeblichen Versorgungsordnung beträgt die Witwenrente 60 % der Altersrente des verstorbenen ehemaligen Arbeitnehmers. Nr. 3 der Regelung lautet:

„Wenn die Ehefrau mehr als zehn Jahre jünger ist als der verstorbene Ehemann, wird die Witwenrente für jedes volle, über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds um 5 % … gekürzt.“

Zunächst wurde der Klägerin die volle Hinterbliebenenrente gezahlt, diese jedoch mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 rückwirkend zum August 2014 gemäß § 10 der Versorgungsordnung gekürzt. Aufgrund von Verrechnungen zahlte die Beklagte an die Klägerin im Dezember 2014 gar keine, danach die gekürzte Betriebsrente.

Die Klägerin begehrt noch die Zahlung rückständiger Betriebsrente für den Zeitraum von August 2014 bis März 2016. Sie ist der Ansicht, nach Mitteilung der Ursprungsberechnung sei eine Kürzung ohne Angabe von Berechnungsgrundlagen nicht möglich. Zudem sei die Altersabstandsklausel altersdiskriminierend. Die Beklagten sind der Auffassung, die Hinterbliebenenrente der Klägerin sei gemäß § 10 Nr. 3 der Versorgungsordnung zu kürzen. Es liege keine Altersdiskriminierung vor, da § 10 der Versorgungsordnung durch das erforderliche Ziel einer Risikobegrenzung gerechtfertigt sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Mit der Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.

LAG München,
Urteil vom 24. Februar 2017 – 7 Sa 444/16 –


13. Dezember 2018, 10:45 Uhr
Sechster Senat

Insolvenzrechtliche Einordnung eines Abfindungsanspruchs nach § 10 KSchG (Masse- oder Insolvenzforderung)


S. (DGB Rechtsschutz GmbH, Kassel) ./.
RA. Wieschemann als Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. GmbH & Co. (RAe. wkw, Kaiserslautern)

– 6 AZR 4/18 –

Die Parteien streiten über die Einordnung eines Abfindungsanspruchs nach § 10 KSchG als Masse- oder Insolvenzforderung.

Der Kläger war seit dem 24. Februar 2014 als Buchhalter bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 zum 15. Januar 2015 ordentlich und im Verlauf des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Insolvenzschuldnerin stellte – unter Hinweis darauf, der Kläger sei leitender Angestellter – hilfsweise den Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Am 1. April 2015 eröffnete das Amtsgericht Z. als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Gegen diesen hat der Kläger das Verfahren aufgenommen. Im Schriftsatz vom 8. April 2016 führte der Insolvenzverwalter aus:

„Der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses wurde von dem vorherigen Rechtsanwalt D. bereits gestellt; an diesem hält der Beklagte fest.“

In der Kammerverhandlung vom 9. Juni 2016 beantragte der Beklagte ua., einen etwaigen Abfindungsanspruch zur Insolvenztabelle festzustellen.

Der Kläger begehrt zuletzt noch die Zahlung der Abfindung als Masseverbindlichkeit. Der Beklagte ist der Ansicht, bei dem Abfindungsanspruch handle es sich um eine Insolvenzforderung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 9. Juni 2016 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 1.558,75 Euro – unter Feststellung zur Insolvenztabelle – zum 15. Januar 2015 aufgelöst. Das Landesarbeitsgericht hat die auf die Abänderung der Feststellung der Abfindung zur Insolvenztabelle und Zahlung der Abfindung als Masseverbindlichkeit beschränkte Berufung des Klägers zurückgewiesen

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

LAG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 19. April 2017 – 4 Sa 329/16 –


13. Dezember 2018, 11:00 Uhr
Achter Senat

Ablehnung einer Maßnahme zur stufenweisen Wieder-eingliederung in das Erwerbsleben durch den Arbeitgeber – Schadensersatz – Verdienstausfall


K. (RAe. Hiller & Dörfler, Frankfurt am Main) ./.
Stadt Frankfurt am Main (RAe. Grundstein & Thieme, Frankfurt am Main)

– 8 AZR 530/17 –

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger ist bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 15. Oktober 1991 als technischer Angestellter mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 5.195,97 Euro beschäftigt. Der Kläger war von August 2014 bis zum 6. März 2016 arbeitsunfähig erkrankt. Die von ihm am 28. Oktober 2015 beantragte stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 5. November 2015 ab, stimmte jedoch dem weiteren Antrag des Klägers vom 7. Dezember 2015 zu. Nach erfolgreicher Wiedereingliederung wurde die volle Arbeitsfähigkeit des Klägers am 7. März 2016 auf seinem bisherigen Arbeitsplatz wieder hergestellt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 8.486,75 Euro brutto abzüglich gezahlter Sozialleistungen. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz in Höhe des Verdienstausfalls in der Zeit vom 18. Januar 2016 bis zum 6. März 2016 verpflichtet. Die Beklagte habe den Wiedereingliederungsplan vom 28. Oktober 2015 zu Unrecht abgelehnt. Wäre die Wiedereingliederung auf der Grundlage dieses Wiedereingliederungsplans durchgeführt worden, wäre er bereits am 18. Januar 2016 wieder voll arbeitsfähig gewesen und hätte die vertraglich vereinbarte Vergütung beanspruchen können. Die Beklagte wendet ein, ihr falle keine Pflichtverletzung zur Last. Nach der Beurteilung der Betriebsärztin vom 12. Oktober 2015 sei von einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht auszugehen gewesen. Erst mit der betriebsärztlichen Beurteilung vom 18. Dezember 2015 sei bescheinigt worden, dass die Wiedereingliederung gemäß dem Plan vom 7. Dezember 2015 aufgenommen werden könne. Zudem sei die Kausalität zwischen der Ablehnung des ersten Wiedereingliederungsplans und der Genesung des Klägers im Januar 2016 nicht dargetan.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage iHv. 8.393,49 Euro brutto abzüglich gezahlter Sozialleistungen entsprochen. Die Beklagte habe schuldhaft ihre Pflicht verletzt, dem Kläger auf der Grundlage des Wiedereingliederungsplans eine stufenweise Wiedereingliederung zu ermöglichen.

Mit der Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Hessisches LAG,
Urteil vom 7. August 2017 – 7 Sa 232/17 –


19. Dezember 2018, 9:00 Uhr
Siebter Senat

Befristung – Verlängerung über die Regelaltersgrenze hinaus


M. (RAe. Amthauer, Rohde & Paulini, Göttingen) ./.
Land Niedersachsen (RAe. Appelhagen, Braunschweig)

– 7 AZR 70/17 –

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Vereinbarung über die befristete Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus.

Der am 15. Juli 1949 geborene Kläger war seit dem 20. September 1973 als Lehrer bei dem beklagten Land beschäftigt, zuletzt bis zum 31. Januar 2015 in Teilzeit. Nach § 44 Nr. 4 TV-L hätte das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze am 31. Januar 2015 geendet. Unter dem 20. Januar 2015 vereinbarten die Parteien die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Juli 2015. Am 3. Februar 2015 ordnete die Schulleiterin gegenüber dem Kläger die Erbringung von vier zusätzlichen Unterrichtsstunden an. Mit Schreiben vom 4. März 2015 wurde die Arbeitszeit auf die einer Vollzeitkraft erhöht.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 20. Januar 2015 mit Ablauf des 31. Juli 2015 geendet hat. Mit der Vereinbarung vom 20. Januar 2015 sei nicht nur der Beendigungstermin des Arbeitsverhältnisses hinausgeschoben worden, vielmehr sei auch der Umfang der Arbeitszeit geändert worden, da ihm ab dem 1. Februar 2015 mehr Wochenstunden zugewiesen worden seien als zuvor. Zudem sei die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI unionsrechtswidrig. Selbst das einmalige Hinausschieben des Beendigungstermins sei mit Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG nicht vereinbar. Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI genüge zudem nicht den Anforderungen von § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Befristung zum 31. Juli 2015 sei nach § 41 Satz 3 SGB VI gerechtfertigt. Die am 3. Februar 2015 erfolgte Anordnung von Mehrarbeit und das Schreiben vom 4. März 2015 hätten den Arbeitsvertrag erst nach der Vereinbarung über das Hinausschieben des Vertragsendes geändert und berührten daher die Wirksamkeit der Verlängerungsabrede nicht. Jedenfalls soweit § 41 Satz 3 SGB VI die einmalige Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gestatte, begegne die Vorschrift keinen unionsrechtlichen Bedenken.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

LAG Niedersachsen,
Urteil vom 29. November 2016 – 10 Sa 218/16 –

*§ 41 Satz 3 SGB VI:

„Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.“