Skip to content

Entschädigungsklage im sog. „Ossi-Fall“

eingetragen von Thilo Schwirtz am September 27th, 2010

Die Klägerin kann von dem beklagten Unternehmen eine Entschädigung wegen geltend gemachter Benachteiligung aus Gründen der ethnischen Herkunft als Ostdeutsche nicht verlangen. Dies hat das Arbeitsgericht Stuttgart entschieden. Es hat hierzu ausgeführt, die Bezeichnung als “Ossi“ könne zwar diskriminierend gemeint sein und/oder so empfunden werden, sie erfülle jedoch nicht das Merkmal der ethnischen Herkunft im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

§ 1 AGG lautet: „Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“.

Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot sieht das Gesetz in § 15 Abs. 1 und 2 Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüche vor. Selbst wenn davon ausgegangen werde, so das Gericht, dass mit dem Begriff “Ethnie“ Populationen von Menschen beschrieben werden, die durch ihre Herkunft, ihre Geschichte, ihre Kultur, durch ihre Verbindung zu einem spezifischen Territorium und durch ein geteiltes Gefühl der Solidarität verbunden sind, so werde die Bezeichnung “Ossi“ nicht dem Begriff der Ethnie als Gesamtgefüge dieser Elemente gerecht. Die Gemeinsamkeit ethnischer Herkunft könne sich in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung oder in gleichartiger Ernährung ausdrücken. Außer der Zuordnung zum ehemaligen DDR-Territorium fehle es bei den “Ossis“ an diesen Merkmalen, zumal die DDR nur wenig mehr als eine Generation, nämlich 40 Jahre lang, eine von der Bundesrepublik unterschiedliche Entwicklung genommen habe.

Die aus der ehemaligen DDR (Ostberlin) stammende und vor der Wende in die Bundesrepublik übergesiedelte Klägerin hat von der Beklagten, einem in Stuttgart ansässigen Unternehmen, die Zahlung einer Entschädigung, gestützt auf das AGG, begehrt. Die Klägerin hatte sich im Juli 2009 bei der Beklagten erfolglos auf ein Stellenangebot beworben. Auf dem zurückgesendeten Lebenslauf befand sich unter anderem der Vermerk “(-)OSSI“. Die Beklagte, welche nach eigener Darstellung mehrere Mitarbeiter aus Ostdeutschland beschäftigt, hatte vorgebracht, die Stellenabsage sei nicht wegen der Herkunft der Klägerin erfolgt.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts wurde Berufung beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einlegen.

[Quelle: PM des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.04.2010 zu Az.: 17 Ca 8907/09]

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 8 Sa 31/10 geführt. (Aufgrund der zu beachtenden Fristen kann mit einer Terminierung nicht vor Oktober 2010 gerechnet werden.)

§ 15 AGG (Entschädigung und Schadensersatz)
1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
3) …
4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
5) …
6) …

Datum:  15.10.2010
Kurzbeschreibung:

Im „Ossi-Fall“ (8 Sa 31/10) ist zwischen den Parteien außerhalb einer mündlichen Verhandlung ein Vergleich abgeschlossen worden. Der Rechtsstreit ist damit beendet.