BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 7.1.2015, 10 AZB 110/14
Siehe auch: Beschluss des 10. Senats vom 7.1.2015 – 10 AZB 109/14 –
Parallelentscheidung zum Beschluss des Gerichts vom 07.01.2015, 10 AZB 109/14.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Oktober 2014 – 10 Sa 675/13 – aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Beklagten an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
2. Der Streitwert wird auf 17.227,20 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
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Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrt er von der Beklagten noch die Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum Dezember 2007 bis Dezember 2011 iHv. 86.136,00 Euro.
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Die Beklagte, die weder Mitglied im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes noch im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist, unterhält einen Betrieb, in dem im Streitzeitraum arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Arbeiten erbracht wurden.
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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für den Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) gemäß § 5 Abs. 1 TVG hätten hinsichtlich der Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15. Mai 2008 und vom 25. Juni 2010 nicht vorgelegen. Insbesondere sei das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG erforderliche Quorum nicht erreicht, es fehle aber auch am öffentlichen Interesse für den Erlass der AVE. Sie hat mit Schriftsatz vom 5. September 2014 einen Antrag nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 Abs. 1 ArbGG beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht und gleichzeitig die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens beantragt.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Neufassung des § 98 ArbGG finde auf bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten keine Anwendung. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vor.
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Mit Beschluss vom 6. Oktober 2014 hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in den Verfahren – 2 BVAVE 5001/14 – und – 2 BVAVE 5002/14 – ausgesetzt.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses und Fortführung des Rechtsstreits.
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II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Rechtsstreit nicht gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG ausgesetzt werden. Zwar findet § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 5 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348) auch auf den vorliegenden Rechtsstreit Anwendung (zu 1.). Dem angegriffenen Beschluss lässt sich jedoch keine hinreichende Begründung für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG entnehmen (zu 2.).
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1. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Pflicht zur Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG mangels Übergangsregelung auch für bereits anhängige Verfahren besteht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn deren Streitgegenstand – wie hier – nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden. Dabei spielt es für die Aussetzung keine Rolle, in welcher Instanz das Verfahren anhängig ist (BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 18 f.; 20. August 2014 – 10 AZN 573/14 – Rn. 2). An dieser Auffassung hält der Senat auch angesichts der in der Rechtsbeschwerde geäußerten Kritik fest.
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a) Die Anwendung neuer Prozessgesetze auf anhängige Rechtsstreitigkeiten richtet sich in erster Linie nach den vom Gesetzgeber – regelmäßig in Gestalt von Überleitungsvorschriften – getroffenen positiven Regelungen. Soweit diese fehlen, erfassen Änderungen des Prozessrechts im Allgemeinen auch schwebende Verfahren. Diese sind daher mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht. Bei Beachtung dieser Maßgabe liegt auch kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor (BVerfG 11. März 1975 – 2 BvR 135/75 ua. – zu B II 3 a der Gründe, BVerfGE 39, 156). Abweichendes kann sich aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts ergeben (BGH 28. Februar 1991 – III ZR 53/90 – zu II 1 b aa der Gründe, BGHZ 114, 1; vgl. beispielhaft zu den zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Änderungen des Nichtzulassungsbeschwerderechts: BAG 9. Februar 2005 – 5 AZN 893/04 – BAGE 113, 306; 15. Februar 2005 – 9 AZN 982/04 – BAGE 113, 321; 14. April 2005 – 1 AZN 840/04 – BAGE 114, 200; vgl. auch BGH 9. Mai 2000 – KZR 1/99 – zu II 2 b bb der Gründe).
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b) Hiervon ausgehend findet § 98 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich auch auf bereits anhängige Verfahren Anwendung.
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aa) Eine ausdrückliche Übergangsregelung enthält das Tarifautonomiestärkungsgesetz insoweit zwar nicht. Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zweck des § 98 Abs. 6 ArbGG verlangt jedoch eine Anwendung dieser Vorschrift auf anhängige Verfahren. Hiernach soll sich die Neuregelung des § 98 Abs. 6 ArbGG entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu Änderungen des Prozessrechts auch auf bereits anhängige Verfahren erstrecken und lediglich § 17 Abs. 1 GVG unberührt bleiben (BT-Drs. 18/1558 S. 46). Dadurch soll sichergestellt werden, dass fortan nur noch die aufgrund ihrer Befassung mit Fragen des Arbeits- und Tarifrechts besonders sachnahen Gerichte für Arbeitssachen über die Wirksamkeit der AVE eines Tarifvertrags oder einer entsprechenden Rechtsverordnung in einem Beschlussverfahren mit Inter-omnes-Wirkung zu entscheiden haben (BT-Drs. 18/1558 S. 44). Die effektive Durchsetzung dieses gesetzgeberischen Ziels wird nur gewährleistet, wenn auch bereits anhängige Verfahren von der Neuregelung erfasst werden.
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bb) Diesem gesetzgeberischen Ziel stehen allgemeine Grundsätze des Prozessrechts nicht entgegen. Der vorliegende Rechtsstreit war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifautonomiestärkungsgesetzes noch nicht abgeschlossen und dort nach altem Recht vorgenommene Prozesshandlungen werden durch die Neuregelung nicht berührt. Ebenso wenig verbessert oder verschlechtert sich die Prozesslage des Klägers oder der Beklagten durch die Anwendung des § 98 Abs. 6 ArbGG. Die Entscheidung, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte Beiträge nach dem VTV schuldet, ist weiterhin im anhängigen Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht zu treffen. Dieses ist lediglich gemäß § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG an eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der maßgeblichen AVE gebunden. Andere schutzwürdige Belange, die einer Anwendung der Neuregelung auf das vorliegende Verfahren entgegenstehen könnten (vgl. dazu BVerfG 17. März 2005 – 1 BvR 308/05 -), hat der Kläger nicht benannt.
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cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dies nicht in Widerspruch zu der vom Bundesverwaltungsgericht in zwei Entscheidungen über die Rechtswegzuständigkeit vertretenen Auffassung (BVerwG 18. September 2014 – 8 B 35.14 -; 18. September 2014 – 8 B 31.14 -). Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in beiden Fällen mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Verwaltungsrechtsweg für Klagen von tarifungebundenen Arbeitgebern des Baugewerbes zulässig ist, mit denen diese die Feststellung begehren, dass bestimmte AVE rechtswidrig sind und die Kläger in deren Rechten verletzen. Dabei war auch die Frage zu beantworten, ob sich an der Rechtswegzuständigkeit durch Inkrafttreten des Tarifautonomiestärkungsgesetzes etwas geändert hat. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs hat das Bundesverwaltungsgericht bejaht und einen Einfluss des § 98 ArbGG auf die Rechtswegzuständigkeit verneint. Diese Entscheidungen betrafen jedoch ausschließlich die Zulässigkeit des Rechtswegs, nicht hingegen die Frage, ob die Rechtsstreite nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen waren oder sind. Dass aber nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderungen grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs führen (Grundsatz der perpetuatio fori), ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG, der nach § 173 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, und entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. zB BAG 22. Oktober 2014 – 10 AZB 46/14 – Rn. 27) sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/1558 S. 46).
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2. Dem angegriffenen Beschluss lässt sich keine hinreichende Begründung für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG entnehmen. Er ist daher aufzuheben.
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a) Nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist ein Rechtsstreit auszusetzen, wenn seine Entscheidung davon abhängt, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder eine Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG wirksam ist. Die Norm ist § 97 Abs. 5 ArbGG nachgebildet (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 45). Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer solchen AVE oder Rechtsverordnung darf ausschließlich im Rahmen eines gesonderten Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG erfolgen.
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b) Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist, dass das Gericht ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit einer AVE oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG hat.
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aa) Bereits nach bisheriger Rechtslage war die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, soweit es entscheidungserheblich auf diese ankam (zuletzt zB BAG 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – zu A II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 357). § 98 ArbGG hat an dieser grundsätzlichen Prüfpflicht nichts geändert. Mit Einführung dieser Norm ist lediglich ein Verfahren geschaffen worden, in dem in Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Beschlussverfahren mit Inter-omnes-Wirkung die Wirksamkeit einer AVE oder entsprechenden Rechtsverordnung einer abschließenden gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Führt die Prüfung im Ausgangsverfahren daher zu dem Ergebnis, dass ernsthafte Zweifel, dh. solche von erheblichem Gewicht, an der Wirksamkeit einer AVE oder einer entsprechenden Rechtsverordnung bestehen, kann das Gericht diese Frage lediglich nicht mehr selbst abschließend entscheiden, sondern hat das Verfahren nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen, wenn es auf diese Frage entscheidungserheblich ankommt.
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bb) Eine Überprüfung von Amts wegen bedeutet aber nicht, dass die Gerichte verpflichtet sind, von sich aus das Vorliegen aller Voraussetzungen der AVE zu überprüfen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die AVE eines Tarifvertrags nur unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen vornehmen. Hieran hat sich durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz nichts geändert. Der erste Anschein spricht deshalb auch weiterhin für die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. Es genügt daher nicht, wenn die Prozessparteien die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der AVE pauschal bestreiten. Erforderlich ist vielmehr entweder ein substanziierter Parteivortrag, der geeignet ist, ernsthafte Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG aufkommen zu lassen, oder das Vorliegen entsprechender gerichtsbekannter Tatsachen. Nur dann kommt die Prüfung einer Aussetzung in Betracht. Besteht hingegen zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der AVE kein Streit und sind auch von Amts wegen keine solchen Zweifel gerechtfertigt, besteht keine Veranlassung zu deren Überprüfung (vgl. insgesamt zur bisherigen Rechtslage: BAG 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – zu A II 2 b aa der Gründe, BAGE 101, 357; 22. September 1993 – 10 AZR 371/92 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 74, 226; Treber FS Bepler 2012 S. 557 ff., 563 f. jeweils mwN).
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cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts besteht kein Anlass, bei der Prüfung der Aussetzungsentscheidung vom Maßstab der „ernsthaften Zweifel“ abzuweichen. Das Tarifautonomiestärkungsgesetz bietet hierfür keinen Grund. Es ist auch weiterhin zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Rahmen eines durch § 5 TVG und die hierzu nach § 11 TVG ergangene Rechtsverordnung (DVO-TVG idF vom 16. Januar 1989, BGBl. I S. 76, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 11. März 2014, BGBl. I S. 263), vorgegebenen und ausgestalteten Verfahrens erfolgt. In diesem Verfahren besteht für die von der AVE betroffenen Kreise Gelegenheit, Stellung zu nehmen und eventuelle Bedenken gegen diese zu äußern. Dies unterscheidet die Situation vom Verfahren nach § 97 ArbGG über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft. Dort müssen vernünftige Zweifel schon deshalb für eine Aussetzung genügen, weil jede Arbeitnehmervereinigung ohne Prüfung durch Dritte für sich in Anspruch nehmen kann, eine Gewerkschaft zu sein und jeder Verband kraft eigener Satzungshoheit seine Tarifzuständigkeit festlegen kann.
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dd) Allein der Umstand, dass durch eine Partei des anhängigen Rechtsstreits oder durch Dritte hinsichtlich einer entscheidungserheblichen AVE ein Verfahren nach § 98 ArbGG eingeleitet wurde, kann deshalb noch nicht ausreichen, um solche ernsthaften Zweifel zu begründen und ein Verfahren auszusetzen. Die bloße Verfahrenseinleitung sagt nichts über die Substanz eines entsprechenden Angriffs aus und stellt somit für sich genommen die Wirksamkeit der angegriffenen AVE noch nicht in Zweifel (ebenso ErfK/Koch 15. Aufl. § 98 ArbGG Rn. 7; GK-ArbGG/Ahrendt Stand Dezember 2014 § 98 Rn. 56). Dies gilt trotz des im Verfahren nach § 98 ArbGG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes. Andernfalls würde alleine die Verfahrenseinleitung nach § 98 ArbGG zu einem Stillstand aller Rechtsstreite führen, in denen es auf die Wirksamkeit der angegriffenen AVE oder Rechtsverordnung ankommt. Ein solches Ergebnis wäre mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG) folgenden Anspruch der Parteien des Ausgangsverfahrens auf eine zeitnahe Entscheidung nicht vereinbar (vgl. zu § 97 Abs. 5: BAG 24. Juli 2012 – 1 AZB 47/11 – Rn. 8 f., BAGE 142, 366; vgl. zu § 148 ZPO: BAG 16. April 2014 – 10 AZB 6/14 – Rn. 11; BGH 8. November 2011 – VI ZB 59/10 – Rn. 11, BGHZ 191, 251).
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ee) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedeutet dies aber nicht, dass das aussetzende Gericht selbst weitere Schritte zur Überprüfung der Wirksamkeit einer AVE unternehmen und etwa Einblick in die entsprechenden Unterlagen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nehmen oder Beweis erheben müsste. Diese Überprüfung der Rechtswirksamkeit der AVE ist vielmehr nach § 98 ArbGG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung dem dortigen Rechtsstreit vorbehalten. Dieser ist im Übrigen schon wegen der Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes hierzu sehr viel besser geeignet, als ein Rechtsstreit über Beitragspflichten, in dem grundsätzlich der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz gilt (vgl. dazu BT-Drs. 18/1558 S. 44). Deshalb genügt es, wenn das Gericht des Hauptsacheverfahrens aufgrund Parteivortrags (zB der Begründung eines einschlägigen Antrags nach § 98 ArbGG) oder aufgrund offenzulegender gerichtsbekannter Tatsachen zu dem Ergebnis kommt, dass ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der AVE bestehen. Dabei hat es alle ihm bekannten Umstände, die für oder gegen die Wirksamkeit einer AVE sprechen, in seine Würdigung einzubeziehen und unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfahrens nach § 98 ArbGG einerseits und des Beschleunigungsinteresses der Parteien andererseits zu gewichten. Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „ernsthafte Zweifel“ bleibt dem Landesarbeitsgericht ein gewisser Beurteilungsspielraum. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur nachprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. zu diesem Überprüfungsmaßstab: BAG 18. März 2014 – 1 ABR 77/12 – Rn. 16; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 9).
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c) Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG darf auch bei ernsthaften Zweifeln an der Wirksamkeit einer AVE oder einer der in § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG genannten Rechtsverordnungen nur dann erfolgen, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits ausschließlich von der Frage der Wirksamkeit einer solchen Norm abhängt (BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 22). Kann der Rechtsstreit ohne Klärung der Wirksamkeit der AVE oder Rechtsverordnung entschieden werden, kommt eine Aussetzung nicht in Betracht, auch weil die hierdurch eintretende Verzögerung des Rechtsstreits nicht gerechtfertigt wäre. Es bedarf daher einer vorherigen Prüfung der Schlüssigkeit und Erheblichkeit des Parteivorbringens in Bezug auf die Klageforderung und ggf. der Durchführung einer Beweisaufnahme. Die Entscheidungserheblichkeit der AVE oder entsprechenden Rechtsverordnung ist im Aussetzungsbeschluss zu begründen (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: BAG 24. Juli 2012 – 1 AZB 47/11 – Rn. 5 f., BAGE 142, 366). Dabei ist auch zu beachten, dass diese Prüfung – soweit die Wirksamkeit mehrerer AVE oder Rechtsverordnungen in Frage steht und/oder sich die tatsächlichen Verhältnisse verändert haben – für jeden Streitzeitraum gesondert zu erfolgen hat. Ggf. hat eine auf einzelne Streitgegenstände beschränkte Aussetzung zu erfolgen.
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d) Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 98 Abs. 6 ArbGG vor, hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt – eine Aussetzung des Verfahrens zu erfolgen. Anders als nach § 148 ZPO hat das Gericht kein Ermessen, ob es den Rechtsstreit aussetzt oder nicht (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: BAG 28. Januar 2008 – 3 AZB 30/07 -).
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e) Will das Gericht einen Rechtsstreit nach § 98 ArbGG aussetzen, hat es – soweit die Aussetzung nicht aufgrund eines entsprechend begründeten Antrags einer oder beider Parteien erfolgt – seine tatsächlichen und rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der AVE oder der entsprechenden Rechtsverordnung in das Verfahren einzuführen und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Aussetzungsbeschluss sind diese Bedenken einschließlich der erwogenen Tatsachengrundlagen näher darzulegen (vgl. zu § 97 Abs. 5 ArbGG: BAG 28. Januar 2008 – 3 AZB 30/07 – Rn. 17).
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben. Zwar begründet das Landesarbeitsgericht die Entscheidungserheblichkeit der beiden angegriffenen AVE, es geht jedoch von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus, indem es statt ernsthafter nur vernünftige Zweifel an der Wirksamkeit der AVE ausreichen lässt. Zudem lässt sich den Beschlussgründen nicht entnehmen, von welchen der vorgetragenen oder gerichtsbekannten Zweifeln das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist und welche Tatsachen es dieser Annahme zugrunde gelegt hat. Die pauschale Darlegung in den Beschlussgründen, die Argumente, die gegen die Wirksamkeit der AVE vorgetragen wurden, seien geeignet, vernünftige Zweifel zu begründen, ist unzureichend. Damit ist es dem Senat nicht möglich zu überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt vollständig gewürdigt und seinen im Rahmen des § 98 Abs. 6 ArbGG bestehenden Beurteilungsspielraum gewahrt hat.
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4. Im Hinblick auf den bestehenden Beurteilungsspielraum des Landesarbeitsgerichts und fehlende konkrete Feststellungen zu Tatsachen, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der AVE begründen könnten, ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert. Die Sache ist daher gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung über den Aussetzungsantrag des Beklagten an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Linck
Brune
W. Reinfelder