Auslegung des Merkmals „Aufstieg – ohne“ für den Strukturausgleich der Länder
Die neue Entgeltstruktur des TV-L hat für aus dem BAT übergeleitete Angestellte teilweise Einbußen bei der individuellen Entgeltentwicklung im Vergleich zu der Vergütungserwartung bei Fortbestand des BAT zur Folge. Zur Abmilderung dieser sog. Exspektanzverluste haben die Tarifvertragsparteien einen Strukturausgleich vereinbart. Dabei haben sie nicht auf individuelle Einkommensverluste abgestellt, sondern die Exspektanzverluste typisierend für verschiedene Beschäftigtengruppen ermittelt. Ob und welche Angestellten Anspruch auf Strukturausgleich haben, ergibt sich aus einer Tabelle. In dieser ist in der ersten Spalte die Entgeltgruppe im TV-L, in der zweiten Spalte die „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ und in der dritten Spalte unter der Überschrift „Aufstieg“ entweder eine höhere Vergütungsgruppe mit dem Zusatz „nach … Jahren“ oder der Begriff „ohne“ angeführt. Aus den weiteren Spalten der Tabelle ergibt sich auf der Grundlage des Ortszuschlags und der Lebensaltersstufe bei Inkrafttreten des TVÜ-Länder die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer des Bezugs des Strukturausgleichs. Für den Anspruch ist es unerheblich, ob die in der zweiten Spalte genannte Vergütungsgruppe vor Inkrafttreten des TVÜ im Wege des Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs erreicht wurde oder nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ob in der dritten Spalte das Merkmal „Aufstieg – ohne“ nur erfüllt ist, wenn der Angestellte zum Stichtag der Einführung des TV-L, dem 1. November 2006, ohne vorherigen Aufstieg („originär“) in einer Vergütungsgruppe eingruppiert war, aus der kein Aufstieg möglich war, oder ob es für den Anspruch auf Strukturausgleich ausreicht, wenn im Zeitpunkt der Überleitung kein (weiterer) Aufstieg des Angestellten aus seiner Vergütungsgruppe möglich war, lässt sich anhand der Auslegungskriterien Wortlaut, Sinn und Zweck, Tarifsystematik und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit feststellen. Bei Heranziehung des Grundsatzes der objektiven Auslegung und des Gebots der Normenklarheit ist der Normbefehl des Merkmals „Aufstieg – ohne“ jedoch dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich schon dann besteht, wenn die für die Vergütung des Angestellten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ maßgebliche Vergütungsgruppe keinen (weiteren) Aufstieg zuließ.
[Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2012]
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 261/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. März 2011 – 2 Sa 93/10 –