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Altersdiskriminierung wegen Merkmal „junges Team“

eingetragen von Thilo Schwirtz am September 28th, 2010

Das Merkmal „junges Team“ in einer Stellenanzeige stellt auch dann, wenn es unter der Überschrift „Wir bieten Ihnen“ erfolgt, einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§§ 7, 11 AGG) dar und kann wegen Altersdiskriminierung einen Entschädigungsanspruch (gemäß § 15 Abs. 2 AGG) auslösen. Der 1955 geborene Kläger ist gelernter Versicherungskaufmann. Zuletzt war der Kläger in der Versicherungswirtschaft als Leiter in einer Filialdirektion tätig. Seit dem 1. Juli 2007 ist der Kläger arbeitsuchend. In dieser Zeit schrieb er etwa 850 Bewerbungen. Der Kläger begehrte in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg vom 11. Dezember 2009 zu Az.: 10 Ca 154/09 eine Entschädigung von der Beklagten wegen Altersdiskriminierung.

In einer Stellenanzeige suchte die Beklagte einen Personal-/ Vertriebsdisponenten. In der Anzeige heißt es u.a. „Die Möglichkeit eigene Ideen und Vorstellungen in ein junges, erfolgreiches Team einzubringen.“

Die Beklagte lehnte die Bewerbung des Klägers mit der Begründung ab, dass sie sich bereits für einen anderen Mitbewerber entschieden habe. Die Beklagte stellte schließlich eine jüngere Bewerberin ein. Daraufhin forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 30.000,00 auf. Dieser Betrag entspricht dem vom Kläger geschätzten Jahreseinkommen der ausgeschriebenen Stelle. Eine Zahlung erfolgte nicht, weshalb Klage erhoben wurde.

Der Kläger war der Ansicht, dass die Stellenausschreibung diskriminierend sei. Es handele sich um eine Diskriminierung im Sinne des § 1 AGG wegen Alters aufgrund der Verwendung des Wortes „jung“. Hiervon gehe eine Indizwirkung für eine Altersdiskriminierung aus. Er hat behauptet, das Wort „jung“ habe einen klaren Aussagegehalt. Eine Vielzahl von Empfängern interpretiere den Aussagegehalt genauso wie er, nämlich dahingehend, dass sich eine bestimmte Altersgruppe nicht zu bewerben brauche. Die Verwendung des Wortes „jung“ könne keine andere Bedeutung haben, als bestimmte Altersklassen auszuschließen. Er sei zudem nach seinen Erfahrungen und Kenntnissen im Vertrieb der beste Bewerber für die Beklagte. Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen; hiergegen legte der Kläger beim Landesarbeitsgericht Hamburg Berufung ein.

Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2009 – 10 Ca 154/09 – teilweise abgeändert: Die Beklagte wurde verurteilt, an den Kläger € 5.000,00 zu zahlen. Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen.

Nach der gesetzlichen Beweislastregelung gem. § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchsteller Indizien vorträgt und im Streitfalle beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An diese Vermutungsvoraussetzungen ist kein zu strenger Maßstab anzulegen. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Übertragen auf vorliegenden Rechtstreit bedeutet dies Folgendes: Der Kläger beruft sich auf das Merkmal der Altersdiskriminierung. Mit Vorlage der Stellenanzeige  der Beklagten  und seiner Bewerbung, die abschlägig beschieden wurde, hat der zum damaligen Zeitpunkt 53 jährige Kläger Indizien für eine Altersdiskriminierung vorgetragen. Somit trug die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat; dem ist sie nicht nachgekommen.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, der allerdings nach Satz 2 dieser Bestimmung begrenzt ist. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG voraus. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht ausdrücklich klar, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG. Der Kläger war nicht der bestgeeignete Bewerber und somit war die Beschränkung auf drei Gehälter gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG anzuwenden.

Landesarbeitsgericht Hamburg 5. Kammer, Urteil vom 23.06.2010, 5 Sa 14/10

Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2009 – 10 Ca 154/09

§ 1 AGG Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen

§ 7 AGG Benachteiligungsverbot
1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

§ 15 AGG Entschädigung und Schadensersatz
1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
5)…

§ 22 AGG Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat