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Wiederaufname eines Kündigungsschutzverfahrens nach positiver EGMR-Entscheidung?

eingetragen von Thilo Schwirtz am Mai 3rd, 2011

Der Kläger war seit dem Jahre 1983 bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Kirchenmusiker tätig. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.1998 mit der Begründung, der noch verheiratete Kläger unterhalte nach Trennung von seiner Ehefrau eine außereheliche Beziehung. Die Ehe des Klägers wurde im August 1998 geschieden. Die Kündigungsschutzklage des Kirchenmusikers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf keinen Erfolg. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Bundesarbeitsgericht blieb im Jahr 2000 ebenso ohne Erfolg wie dessen Verfassungsbeschwerde im Jahr 2002. Auf die Individualbeschwerde des Klägers vom 11.01.2003 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied dieser am 23.09.2010, dass die Beschwerde zulässig und dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt ist. Art. 8 EMRK schützt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Mit der am 18.10.2010 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Restitutionsklage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Kündigungsschutzverfahrens. Er beantragt in der Hauptsache die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung zum 31.03.1998 aufgelöst wurde, hilfsweise die Wiedereinstellung ab dem 23.09.2010. Die Parteien streiten zunächst darüber, ob ein Grund (§ 580 ZPO) dafür vorliegt, das nach nationalem Recht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen. § 580 Nr. 8 ZPO sieht die Feststellung der Verletzung der EMRK als Restitutionsgrund vor. Die beklagte Kirchengemeinde ist aber u.a. der Ansicht, dass der Kläger sich aufgrund der Vorschrift des § 35 EGZPO darauf nicht berufen könne. Danach ist der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 8 ZPO nicht auf Verfahren anzuwenden, die vor dem 31.12.2006 rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Der Kläger ist der Ansicht, angesichts des durch den EGMR festgestellten Konventionsverstoßes könne die beklagte Kirchengemeinde sich nicht alleine auf nationale Formvorschriften berufen.

Das Landesarbeitsgericht wird in der mündlichen Verhandlung alleine über die Frage

der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens verhandeln.

Die Verhandlung findet am 04.05.2011 statt.

[Quelle: PM des Landesarbeitsgericht Düsseldorf  vom 02.05.2011]

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 Sa 1427/10

§ 580 ZPO (Restitutionsklage)

Die Restitutionsklage findet statt:

1. – 7.

8. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.