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Widerruf einer in AGB geregelten Zulage, ergänzende Vertragsauslegung in Altfällen.

eingetragen von Thilo Schwirtz am April 21st, 2011

Der Widerruf einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen versprochenen Leistung des Arbeitgebers darf nicht grundlos erfolgen. Seit dem 1. Januar 2002 müssen die Widerrufsgründe in der Vertragsklausel angegeben werden. Fehlt diese Angabe, ist die Klausel nach § 308 Nr. 4, § 307 BGB unwirksam. Die hierdurch entstandene Vertragslücke kann in vor dem 1. Januar 2002 vereinbarten Klauseln im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden.

Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in der gesetzlichen Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2002 eine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat. Der Kläger ist beim beklagten Verein als Tierarzt tätig. Der 1990 vom Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag sah die Gewährung einer widerruflichen Zulage vor. Mit Schreiben vom 19. September 2007 widerrief der Beklagte diese zum 31. Dezember 2007. Hiergegen wendet sich der Kläger.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachaufklärung über die behaupteten wirtschaftlichen Gründe zurückverwiesen worden. Die Klausel ist nur deshalb unwirksam, weil sie in formeller Hinsicht den strengeren, seit dem 1. Januar 2003 geltenden Anforderungen nicht genügt. Zur Verhinderung einer unzulässigen Rückwirkung des durch die Schuldrechtsmodernisierung geänderten BGB und zur Schließung der entstandenen Vertragslücke ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten.

[Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts vom 20.04.2011]

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. April 2011 – 5 AZR 191/10 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 8. Dezember 2009 – 7 Sa 584/09 –

§ 307 BGB (Inhaltskontrolle)
1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 308 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit)
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

4. die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (Änderungsvorbehalt).