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Werkstatt für Behinderte ist ein Tendenzbetrieb

eingetragen von Thilo Schwirtz am August 30th, 2012

Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um eine Werkstatt für Behinderte, die als gemeinnützige GmbH firmiert. Sie beschäftigt ca. 500 bis 600 behinderte Menschen und weitere ca. 100 Arbeitnehmer u.a. als Fachkräfte. Sie streitet mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat, über die Rechtmäßigkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses sowie darüber, ob sie ein sog. Tendenzbetrieb ist.

Der  Betriebsrat hat durch Beschluss einen Wirtschaftsausschuss gebildet. Die  Arbeitgeberin hält dies für rechtswidrig, weil sie ein Tendenzbetrieb sei. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BetrVG wird in Betrieben, die unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen dienen, ein Wirtschaftsausschuss, der die Aufgabe hat, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten (§ 106 Abs. 1 BetrVG), nicht gebildet. Die Arbeitgeberin begehrt festzustellen, dass sie ein Tendenzbetrieb ist, sowie dass die Bildung des Wirtschaftsausschusses unwirksam ist.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, der Betrieb der Arbeitgeberin sei nicht mehr überwiegend durch karitative Zwecke bestimmt. Anders als das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf heute entschieden, dass es sich bei der Arbeitgeberin um einen Tendenzbetrieb handelt, in dem kein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist. Bei der Werkstatt für Behinderte ist die Annahme von Lohnaufträgen nur das Mittel, um die Beschäftigung behinderter Menschen, mithin einen karitativen Zweck, zu ermöglichen. Vor der Annahme von Aufträgen wird bei der Arbeitgeberin eine Machbarkeitsstudie  erstellt,  mit der überprüft wird, ob der Auftrag zur Durchführung mit behinderten Menschen geeignet ist und die den Produktionsprozess in einzelne kleine Abschnitte zergliedert.

Soweit in diesem Prozess z.B. besonders gefährliche Arbeiten im Einzelfall von Facharbeitern ausgeführt werden, führt dies nicht dazu, dass die karitative Zwecksetzung wegfällt, denn andernfalls könnten solche Aufträge zum Zwecke der Beschäftigung der behinderten Menschen überhaupt nicht angenommen werden. Auch der Umstand, dass trotz der Machbarkeitsstudie in der Praxis behinderte Mitarbeiter mehr Hilfe als eingeplant bedürfen und dadurch Überstunden anfallen, die von Facharbeitern durchgeführt werden, steht der karitativen Zwecksetzung nicht entgegen.

Das Gericht hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

[Quelle: PM des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.08.2012]

Arbeitsgericht Solingen, 2 BV 23/09, Beschluss vom 25.11.2011

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 TaBV 4/12, Beschluss vom 29.08.2012