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Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung (GKH)

eingetragen von Thilo Schwirtz am Oktober 5th, 2010

Tarifverträge kann nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung schließen. Dazu muss sie über Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler verfügen. Sie muss auch organisatorisch in der Lage sein, die Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. Die Tariffähigkeit kommt in erster Linie in der Zahl der Mitglieder und der Leistungsfähigkeit der Organisation zum Ausdruck. Bei Zweifeln an der Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung kann eine nennenswerte Zahl eigenständig abgeschlossener Tarifverträge ihre Tariffähigkeit indizieren.

Das von der IG Metall eingeleitete Beschlussverfahren betrifft die Feststellung der Tariffähigkeit der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe- und Holzverarbeitung im Christlichen Gewerkschaftsbund (GKH). Diese wurde im März 2003 gegründet. Kurz darauf vereinbarte sie mit dem „Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verband (DHV)“ eine Tarifgemeinschaft. Diese schloss bundesweit Tarifverträge mit Innungsverbänden des Tischler-, Schreiner- und Modellbauerhandwerks. Einem Teil dieser Tarifverträge lagen Vereinbarungen zugrunde, die Innungsverbände zuvor mit der nicht tariffähigen Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) vereinbart hatten.

Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der IG Metall hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zur neuen Anhörung zurückverwiesen. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann die Tariffähigkeit der GKH nicht abschließend beurteilt werden. Die GKH hat ihre Mitgliederzahl nicht offengelegt und die Leistungsfähigkeit ihrer Organisation nicht ausreichend dargestellt. Die gemeinsam mit dem DHV abgeschlossenen Tarifverträge indizieren weder Durchsetzungsfähigkeit noch organisatorische Leistungsfähigkeit der GKH.

[Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts vom 05.10.2010]
Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss vom 13. März 2009 – 10 TaBV 89/08 –

Zum Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung im CGB (GKH).

1. Industriegewerkschaft Metall (RAe. Schindele, Eisele, Gerster & Collegen, Landshut),
2. Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung im CGB (RAe. Kolb, Blickhan & Partner, Gera),
3. Bundesverband Holz und Kunststoff,
4. Innungsverband Raum und Ausstattung Westfalen-Lippe, 5. Bundesinnungsverband des Deutschen Modellbauer-Handwerks,
6. Bundesrepublik Deutschland,
7. Deutscher Gewerkschaftsbund,
8. Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände,
9. Christlicher Gewerkschaftsbund Deutschland,
10. Fachverband Schreinerhandwerk Bayern,
11. Fachverband Leben Raum Gestaltung Hessen,
12. Verband des Tischlerhandwerks Niedersachsen/Bremen,
13. Fachverband des Tischlerhandwerks NRW,
14. Landesfachverband Holz und Kunststoff Rheinland Pfalz,
15. Fachverband Holz und Kunststoff Mecklenburg-Vorpommern,
16. Fachverband Holz und Kunststoff e.V. Hamburg,
17. Fachverband Holz und Kunststoff Schleswig-Holstein,

Antragstellerin ist die IG Metall. Zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehört seit 2000 auch der Abschluss von Tarifverträgen für die Betriebe – einschließlich der Handwerksbetriebe – der Holzbearbeitung sowie der Holz- und Kunststoffverarbeitung. In zwei Bundesländern hat die IG Metall Flächentarifverträge für das Tischlerhandwerk abgeschlossen.

Die GKH wurde im März 2003 gegründet. Nach § 1 ihrer Satzung ist sie eine unabhängige Gewerkschaft, deren Organisationsbereich sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt und die Bereiche des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks sowie des Modellbauerhandwerks umfasst. Zu ihren Aufgaben gehört die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge. Die GKH beschäftigt keine hauptamtlichen Mitarbeiter. Sie wird im Nebenamt durch sieben Mitglieder des Hauptvorstands geführt. Die Betreuung ihrer Mitglieder findet in bundesweit 17 Sekretariaten der Christlichen Gewerkschaft Metall durch deren Rechtssekretäre statt. Bis Herbst 2007 hatte die GKH ca. 60 Flächentarifverträge in mehreren Bundesländern für verschiedene Handwerke sowie Mantel- und Entgelttarifverträge für das Tischlerhandwerk in Mitteldeutschland abgeschlossen.

Die IG Metall begehrt die Feststellung, dass es sich bei der GKH nicht um eine tariffähige Gewerkschaft handelt. Sie ist der Ansicht, die GKH erfülle nicht die für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung erforderlichen Voraussetzungen. Aufgrund der geringen Anzahl und wegen der Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft fehle ihr die Durchsetzungskraft. Bei den von ihr abgeschlossenen Tarifverträgen handele es sich um Schein- oder Gefälligkeitstarifverträge. Sowohl in finanzieller als auch in struktureller Hinsicht fehle der GKH die notwendige organisatorische Leistungsfähigkeit. Die GKH ist der Auffassung, sie sei tariffähig. Sie habe bereits in nennenswertem Umfang aktiv in das Tarifgeschehen eingegriffen. Ihr Organisationsbereich sei durch einen hohen Spezialisierungsgrad gekennzeichnet. Die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge würden auf 90 % der Arbeitsverhältnisse in ihrem Organisationsgebiet angewendet.

Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die IG Metall ihren Antrag weiter.

LAG Hamm,

Beschluss vom 13. März 2009 – 10 TaBV 89/08 –

Art 9 Grundgesetz

1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.