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Schadenersatz wegen Altersdiskriminierung für ehemaligen Klinikchef

eingetragen von Thilo Schwirtz am Oktober 4th, 2010

Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat dem ehemaligen Klinikchef der städtischen Krankenhaus-Gesellschaft mit Urteil vom 29.07.2010 Schadenersatz wegen Altersdiskriminierung zugesprochen, weil der ursprünglich mit dem Mediziner bestehende 5-Jahres-Vertrag aus Altersgründen nicht verlängert worden war. Der Senat stellte fest, dass die städtischen Kliniken sämtliche materielle Schäden zu tragen hat, die aus der nicht erfolgten (Weiter-)Anstellung zum 01.09.2009 resultieren; darüber hinaus ist eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Höhe von 36.600,- € zu zahlen (Az. 18 U 196/09). Damit wurde erstmals dem Organ einer Gesellschaft (hier: GmbH-Geschäftsführer) ein entsprechender Ersatz wegen Benachteiligung im Sinne des Allg. Gleichstellungsgesetzes (AGG) zuerkannt.
Der 1947 geborene Kläger war vom 01.10.2004 bis zum 30.09.2009 als medizinischer Geschäftsführer der städtischen Kliniken Köln angestellt. Der Aufsichtsrat der Kliniken lehnte im Oktober 2008 eine Verlängerung der Anstellung über 5 Jahre hinaus ab, die Stelle wurde mit einem 41-jährigen Nachfolger besetzt. Der Kläger machte im Prozess geltend, seine erneute Bestellung zum Geschäftsführer sei allein aus Altersgründen gescheitert, und begehrte Schadenersatz nach dem AGG. Die Kliniken zogen sich darauf zurück, dass man mit den fachlichen Leistungen des Geschäftsführers unzufrieden gewesen sei.

Der 18. Senat geht in der Begründung seines Urteils davon aus, dass der Kläger  wegen seines Alters beim Zugang zu einer Erwerbstätigkeit behindert und somit benachteiligt worden sei. Dem früheren Klinikchef komme die gesetzliche Beweiserleichterung des § 22 AGG zugute; die Benachteiligung aus Altersgründen stehe aufgrund von Indizien fest, die die städtischen Kliniken im Prozess nicht widerlegt hätten. Die seinerzeitige Presseberichterstattung zeige auf, dass für die Nichtverlängerung des Vertrages die Tatsache von Bedeutung war, dass der Kläger das 60. Lebensjahr bereits überschritten hatte. Die gegen ihn gefallene Entscheidung werde eindeutig in einen Zusammenhang damit gestellt, dass man ihn nicht für weitere fünf Jahrebeschäftigen könne, ohne die für die Leistungsämter der Stadt vorgesehene Altersgrenze von 65 Lebensjahren zu überschreiten.

Klarer könne man einen bestimmenden Einfluss des Altersfaktors nicht umschreiben. Da die Presseberichte auf Äußerungen aus dem Aufsichtsrat der Kliniken beruhten, seien sie der Trägergesellschaft auch zuzurechnen. Ebenfalls in Bezug auf die Altersgrenze habe sich ein Aufsichtsratsmitglied in der entscheidenden Sitzung vom 15.10.2008 geäußert. In diesen Umständen hat der Senat eine hinreichende Indizwirkung gesehen. Die Kliniken hätten demgegenüber einen Zusammenhang zwischen dem Alter und der Nichtanstellung nicht nachvollziehbar und sicher ausschließen können. Es reiche insbesondere nicht aus, dass in früheren Aufsichtsratssitzungen die angebliche Unzufriedenheit mit den Leistungen des Klägers thematisiert worden sei. Die Kliniken könnten sich auch nicht darauf berufen, die Benachteiligung aus Altersgründen sei hier aus anderen Gründen gerechtfertigt gewesen, etwa weil es mit Rücksicht auf den Umbruch auf dem Gesundheitsmarkt um eine längerfristige Bindung eines neuen Geschäftsführers gegangen sei. Auch eine Vertragsverlängerung bis zum 65. Lebensjahr sei durchaus denkbar gewesen. Der Senat hat festgestellt, dass dem früheren Klinikchef Nachteile entstanden sind, weil er sein früheres Einkommen nicht mehr weiter erzielen konnte; konkret beziffert wurde der Schaden noch nicht. Daneben wurde eine immaterielle Entschädigung in Höhe von 36.600,- € zugesprochen, 1/3 des ursprünglich verlangten Betrages. Als Grund für die Kürzung führt der Senat hier an, insgesamt wiege die Altersdiskriminierung nicht besonders schwer, da selbst in der Presseberichterstattung nicht der Eindruck erweckt worden sei, der Kläger gehöre wegen verminderter Leistungen bereits „zum alten Eisen“.

[Quelle: PM des Oberlandesgerichts Köln vom 29.07.2010 zu Az. 18 U 196/09]

§ 1 AGG
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

§ 22 AGG (Beweislast)
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.