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Betriebsrentenanpassung – wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft

eingetragen von Thilo Schwirtz am Oktober 26th, 2010

Nach § 16 BetrAVG hat der Versorgungsschuldner alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Er kann eine Anpassung der Renten ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch das Unternehmen übermäßig belastet würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Versorgungsschuldner annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, die Anpassungsleistungen aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an. Diese für werbende Unternehmen entwickelten Grundsätze gelten auch für Rentner- und Abwicklungsgesellschaften. Sie sind ebenfalls nicht verpflichtet, die Kosten für die Betriebsrentenanpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen; auch ihnen ist eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen. Dabei ist allerdings lediglich der Basiszins entsprechend der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen in Ansatz zu bringen; für einen Risikozuschlag iHv. 2 %, wie er werbenden Unternehmen zugebilligt wird, ist bei einer Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft kein Raum.

Danach hatte die Klage eines Betriebsrentners auf Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Senat konnte offenlassen, ob es sich bei der Beklagten um ein werbendes Unternehmen oder eine Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft handelte. Auch ohne Risikozuschlag ließ sich für die Zeit nach dem Anpassungsstichtag eine angemessene Eigenkapitalverzinsung nicht prognostizieren.

[Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts vom 26.10.2010]

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 3 AZR 502/08 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. Mai 2008 – 4 Sa 1738/07 –

§ 16 BetrAVG (Anpassungsprüfungspflicht)
1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg
1.des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt wenn
1.der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird, ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden und zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Versicherungsaufsichtsgesetzes festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten wird oder
3.eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.
5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.
6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger war bis März 1998 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte, eine 100 %ige Tochter der E. GmbH, war ursprünglich ein Straßenbauunternehmen. Aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen übt sie seit 2003 keine operative Tätigkeit mehr auf dem Gebiet des Straßenbaus aus. Ihre geschäftlichen Aktivitäten bestehen – neben Abwicklungsarbeiten – in der Vermögensverwaltung sowie der Bewirtschaftung ihres Vermögens und einiger Beteiligungen. Die Beklagte, die noch einen Arbeitnehmer beschäftigt, zahlt etwa 1.800 ehemaligen Arbeitnehmern Betriebsrenten in einem Gesamtvolumen von derzeit ca. 4,3 Mio. Euro jährlich. Insgesamt hat sie gegenüber ca. 3.000 Personen Versorgungsverpflichtungen. In der Zeit von 2003 bis 2006 veräußerte die Beklagte Beteiligungen an anderen Unternehmen und erzielte dafür insgesamt ca. 36,3 Mio. Euro.

Der Kläger verlangt zum 1. Dezember 2005 eine Erhöhung seiner Betriebsrente um 4,6 %. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, die Renten anzupassen. Es handele sich bei ihr faktisch um eine Rentner-, jedenfalls aber um eine Abwicklungsgesellschaft. Daher müsse weder auf Investitionsbedarf noch darauf Rücksicht genommen werden, ob genügend Eigenkapital zur Verfügung stehe. Maßgebend für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seien allein die erzielten Einkünfte, aufgrund derer die Beklagte die Betriebsrentenanpassung über Jahre hinaus erfüllen könne. Unabhängig hiervon müsse zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten auch die wirtschaftlich gute Situation ihrer Muttergesellschaft herangezogen werden. Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei zur Rentenanpassung nicht verpflichtet. Es handele sich bei ihr weder um eine Rentner- noch um eine Abwicklungsgesellschaft. Selbst bei Letzterer müsse dem Versorgungsschuldner eine angemessene Eigenkapitalverzinsung verbleiben, woran es bei ihr fehle. Aus dem von ihr vorgelegten Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für die Geschäftsjahre 2003 bis 2008 ergebe sich eine Eigenkapitalauszehrung, so dass sie berechtigt sei, vor Erhöhung der Betriebsrenten verlorene Vermögenssubstanz wieder aufzubauen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren, die Klage abzuweisen, weiter.

LAG Hamm, Urteil vom 20. Mai 2008 – 4 Sa 1738/07 –