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Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus Glaubensgründen

eingetragen von Thilo Schwirtz am Februar 25th, 2011

Weigert sich ein Arbeitnehmer aus religiösen Gründen, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, kann dies eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass keine naheliegenden anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Ein als „Ladenhilfe“ in einem Einzelhandelsmarkt beschäftigter Arbeitnehmer muss mit der Zuweisung von Arbeitsaufgaben rechnen, die den Umgang mit Alkoholika erfordern. Macht er geltend, aus religiösen Gründen an der Ausübung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten gehindert zu sein, muss er dem Arbeitgeber mitteilen, worin genau die religiösen Gründe bestehen, und aufzeigen, an welchen Tätigkeiten er sich gehindert sieht. Besteht für den Arbeitgeber im Rahmen der von ihm zu bestimmenden betrieblichen Organisation die Möglichkeit einer vertragsgemäßen Beschäftigung, die den religionsbedingten Einschränkungen Rechnung trägt, muss er dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit zuweisen.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, die die – ordentliche – Kündigung eines Arbeitsverhältnisses für wirksam erachtet hat. Der Kläger ist gläubiger Moslem. Er war seit 1994 als Mitarbeiter eines großen Warenhauses tätig. Seit dem Jahr 2003 wurde er als „Ladenhilfe“ beschäftigt. Im Februar 2008 weigerte er sich, im Getränkebereich zu arbeiten. Er berief sich auf seinen Glauben, der ihm jegliche Mitwirkung bei der Verbreitung von Alkoholika verbiete. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis.

Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Ob die Weigerung des Klägers, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, der Beklagten einen Grund zur Kündigung gab, steht noch nicht fest und bedarf der weiteren Sachaufklärung. Den Darlegungen des Klägers lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, welche Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet. Dementsprechend kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob es der Beklagten möglich war, dem Kläger eine andere Arbeit zu übertragen.

[Quelle: PM des Bundesarbeitsgericht vom 24.02.2011]

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 AZR 636/09 –
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. Januar 2009 – 5 Sa 270/08-

Art 4 GG
1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Details zum Sachverhalt:

Der Kläger ist muslimischen Glaubens und seit 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er verrichtete zunächst mehrere Jahre die Tätigkeit eines Helfers in der Waschstraße. Ab 2003 arbeitete er in der Getränkeabteilung des Bereichs „Allgemeine Lebensmittel“ und wurde dort ua. mit Auffüllarbeiten beschäftigt. Nach einem zwischenzeitlichen Einsatz in der Frischwarenabteilung ab März 2007 und mehreren Erkrankungen des Klägers wies die Beklagte den Kläger im Februar 2008 an, künftig wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Der Kläger weigerte sich strikt, dieser Anordnung Folge zu leisten. Er berief sich auf seinen muslimischen Glauben, nach welchem ihm jeglicher Umgang mit Alkohol verboten sei. Nach weiteren erfolglosen Aufforderungen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. März 2008 außerordentlich fristlos sowie mit weiterem Schreiben vom 5. März 2008 vorsorglich ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Ihm müsse der Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG (Religionsfreiheit) zu Gute kommen. Nach dem Koran sei ihm jeglicher Umgang mit Alkohol verboten. Bis ins Jahr 2006 sei er nicht mit dem Alkoholverkauf in Berührung gekommen und habe daher nicht damit rechnen müssen, für derartige Arbeiten herangezogen zu werden. Eine Kündigung könne erst dann in Betracht kommen, wenn die Beklagte darlege, dass er die seinerseits geschuldete Arbeitsleistung keinesfalls anders erbringen könne, als gerade in der von ihm aus Gewissensgründen abgelehnten Weise. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe auch schon früher mit dem Verkauf alkoholischer Getränke zu tun gehabt. Ihre Umsetzungsentscheidung sei wegen der hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers in der Frischeabteilung gerechtfertigt gewesen. Ein Abwägungsfehler hinsichtlich der Bewertung der kollidierenden Grundrechtsinteressen liege nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. Januar 2009 – 5 Sa 270/08) hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der Revision begehrte der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.