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Kündigung unwirksam wegen Verstoß gegen BPersVG

eingetragen von Thilo Schwirtz am September 28th, 2010

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat in einem Kündigungsschutzrechtsstreit das  Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 14.10.2009, das die Kündigung der Beklagten Verwaltungsgemeinschaft Saalkreis-Nord (VG) für unwirksam erklärt hat, bestätigt. Die VG Saalkreis Nord hatte einer langjährigen Mitarbeiterin, die zugleich Vorsitzende des Personalrates war fristlos gekündigt, weil diese neben einem Vollzeitarbeitsvertrag mit der VG einen weiteren Vollzeitarbeitsvertrag mit einem Landtagsabgeordneten als dessen Wahlkreismitarbeiterin abgeschlossen hatte, ohne dies – so der Vorwurf der VG – offenzulegen. Hierdurch sei ein immenser Rufschaden in der Öffentlichkeit eingetreten und das Vertrauensverhältnis zu den Bürgermeistern der Verbandsgemeinden wie auch zu den anderen Mitarbeitern der VG unwiederbringlich zerstört worden.

Die Kündigung ist nach Auffassung auch des Berufungsgerichts bereits aus formalen Gründen rechtsunwirksam. Sie verstößt gegen Bestimmungen des Personalvertretungsrechts (§ 108 BPersVG). Danach darf einem Personalratsmitglied nur mit Zustimmung des Personalrats und nur bei Vorliegen entsprechend schwerwiegender Gründe außerordentlich gekündigt werden. Die ordentliche, fristgemäße Kündigung ist während der Amtszeit und noch ein Jahr nach Ablauf gänzlich ausgeschlossen.

Zwar hat der Personalrat der VG vorliegend eine möglicherweise als Zustimmung zu bewertende Erklärung abgegeben. Diese ist jedoch nicht rechtswirksam, weil die VG zum Zeitpunkt der Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens überhaupt noch keinen Entschluss zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung der Klägerin gefasst hatte. Der hierfür zuständige Gemeinschaftsausschuss ist erst nach Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens mit der Personalangelegenheit befasst worden. Eine „Zustimmung auf Vorrat“ ist rechtlich jedoch nicht möglich. Darüber hinaus erwies sich das Mitbestimmungsverfahren auch deshalb als fehlerhaft, weil die VG ihrer gesetzlichen Pflicht, den Personalrat umfassend und detailliert über die Kündigungsgründe zu informieren, nicht nachgekommen ist. Die im Prozess vorgelegten Unterlagen genügten diesen Anforderungen nicht.

Damit kam es streitentscheidend nicht mehr darauf an, ob Frau R. durch Abschluss eines zweiten Vollzeitarbeitsvertrages ihre gegenüber der VG bestehenden arbeitsvertraglichen Pflichten so schwerwiegend verletzt hat, dass dies ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte. Ebenso wenig kam es darauf an, ob die Verwaltungsleiterin der VG bereits seit Ende 2006 über den Umfang der „Nebentätigkeit“ informiert war.

[Quelle: PM des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26.05.2010, durch Böger Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt und Pressesprecher]

§ 108 BPersVG
1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern der Personalvertretungen, der Jugendvertretungen oder der Jugend- und Auszubildendenvertretungen, der Wahlvorstände sowie von Wahlbewerbern, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, bedarf der Zustimmung der zuständigen Personalvertretung. Verweigert die zuständige Personalvertretung ihre Zustimmung oder äußert sie sich nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrags, so kann das Verwaltungsgericht sie auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.
2) Eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten ist unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht beteiligt worden ist.