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Gewerkschaftliche Einwirkungsklage gegen den Arbeitgeberverband

eingetragen von Thilo Schwirtz am November 17th, 2010

Beachtung des Senioritätsprinzips bei der Schulung für Flugzeugmuster: Die Klage einer Gewerkschaft gegen einen Arbeitgeberverband, auf sein Mitglied zur Beachtung der tarifvertraglichen Vorgaben einzuwirken, bedarf nicht einer vorherigen rechtskräftigen Entscheidung über den Inhalt der tariflichen Verpflichtung, um deren Einhaltung es geht. Das gilt jedenfalls dann, wenn in dem Rechtsstreit sowohl über die Einwirkungsverpflichtung als auch über die ausdrücklich zum Streitgegenstand erhobene umstrittene Auslegungsfrage entschieden wird.

Die klagende Gewerkschaft hat mit dem beklagten Arbeitgeberverband einen für das diesem angehörende Luftfahrtsunternehmen geltenden „Tarifvertrag über Wechsel und Förderung“ geschlossen. Dieser regelt für die Cockpitbeschäftigten die Bedingungen eines Wechsels auf ein anderes Flugzeugmuster. Ausgeschriebene Stellen für eine Umschulung werden nach der näher geregelten Seniorität der geeigneten Bewerber vergeben. Einen für vier Flugkapitäne ausgeschriebenen Umschulungskurs besetzte das Luftfahrtunternehmen darüber hinaus mit einem fünften Flugkapitän, der nicht über die erforderliche Seniorität verfügte. Diesem sollte eine Position im Management als Abteilungsleiter übertragen werden, dessen Anforderungsprofil die Berechtigung für das Flugzeugmuster des betreffenden Kurses verlangt. Die Gewerkschaft meint, die Senioritätsregelungen würden auch für diesen Fall gelten. Sie begehrt eine entsprechende Feststellung über die Auslegung des Tarifvertrages und verlangt von der Beklagten, auf ihr Mitglied einzuwirken, entsprechend zu verfahren.

Die Revision der Gewerkschaft gegen die klageabweisende Entscheidungen der Vorinstanzen blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Einwirkungsklage bedurfte nicht einer vorherigen rechtskräftigen Feststellung über den Inhalt der tariflichen Regelung. Der Senat hat es in Fortführung seiner Entscheidung vom 10. Juni 2009 – 4 AZR 77/08 – als ausreichend angesehen, das diese Frage einen eigenständigen Streitgegenstand bildete. Das Begehren der Gewerkschaft war jedoch insgesamt unbegründet, da das Luftfahrtunternehmen den Tarifvertrag nicht verletzt hatte. Das Senioritätsprinzip greift nur bei einem „Wechsel“ auf ein „Wechselmuster in derselben Funktion“ als Kapitän, Copilot oder Flugingenieur. Diese Tätigkeiten sollte der fünfte Kapitän, der zudem die Kapazitäten des Umschulungskurses nicht verkürzte, aber nicht ausüben. Soweit mit seiner Managementaufgabe fliegerische Tätigkeiten verbunden sind, dienen sie lediglich der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgaben im Management, nicht einer Tätigkeit als planmäßiger Copilot oder Flugkapitän.

[Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts vom 17.11.2010]
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2010 – 4 AZR 118/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 12. November 2008 – 4 Sa 53/08 –

Weiterer Sachverhalt: Die Parteien haben für das der Beklagten angehörende Luftfahrtsunternehmen der D. AG einen „Tarifvertrag über Wechsel und Förderung“ (TV WeFö) abgeschlossen. Dieser regelt die Wechselmöglichkeiten zwischen Flugzeugtypen und die Beförderung zum Kapitän. Nach § 7 TV WeFö soll die Auswahl für die Umschulung der Kapitäne, Copiloten und Flugingenieure auf ein anderes Flugzeugmuster bei mehreren geeigneten Bewerbern nach dem Prinzip der Seniorität erfolgen. Die D. AG schrieb Ende 2005 Umschulungen für drei bis sechs Flugkapitäne für das Flugzeugmuster B 744 aus. Neben vier Bewerbern – deren Seniorität außer Streit steht – besetzte die D. AG den Umschulungskurs mit einem weiteren Flugkapitän, der sich für die Umschulung nicht beworben hatte und nur über eine relativ geringe Seniorität verfügte. Grund hierfür war, dass diesem Mitarbeiter eine Managementposition als Abteilungsleiter übertragen werden sollte, deren Anforderungsprofil die Berechtigung für das Flugzeugmuster B 744 verlangt.

Die klagende Gewerkschaft war der Ansicht, dass die Regelungen über die Seniorität nach dem TV WeFö auch dann gelten, wenn die Umschulung der Qualifizierung eines Mitarbeiters für eine Tätigkeit als Abteilungsleiter dient. Sie begehrt daher von der Beklagten, auf die D. AG einzuwirken, damit diese zukünftig in entsprechender Weise verfährt. Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Besetzung der Umschulungskurse auch in diesen Fällen nach der Seniorität zu erfolgen hat. Die Beklagte hält die Klage für unzulässig. Jedenfalls sei der TV WeFö für Umschulungen, mit denen die für eine Managementposition erforderliche Qualifikation erlangt werde, nicht einschlägig.