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Ehemalige Lottogewinner verlieren den Kündigungsrechtsstreit

eingetragen von Thilo Schwirtz am April 19th, 2013

Allein der Umstand, dass im Arbeitsvertrag die Tätigkeit des Arbeitnehmers nur rudimentär beschrieben ist und dem Arbeitnehmer gleichwohl hohe Vergütungsansprüche zustehen, berechtigt den Arbeitgeber weder zur Anfechtung noch zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dies hat das Arbeitsgericht Neumünster mit Teilurteil vom 23.01.2013 entschieden (3 Ca 1359 b/12). Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 1 Sa 50/13).

Die Beklagten sind Eheleute und machten vor nahezu 20 Jahren einen immensen Lottogewinn. Hierüber wurde in den Medien berichtet. Jetzt schreibt die Ehefrau Kinderbücher über einen Esel Joshi. Der Kläger nahm Kontakt zu den Eheleuten auf und die Parteien unterzeichneten sodann am 11.09.2011 einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger als „Vertriebsmanager“ zum 15.09.2011 ohne Probezeit für zunächst zwei Jahre fest eingestellt zu einem Monatsgehalt von € 20.000,00 bei 13 Monatsgehältern und einer Gewinnbeteiligung am Projekt Joshi. Der Vertrag sollte sich um zwei Jahre verlängern, sofern er nicht zuvor mit einer halbjährigen Frist gekündigt wird und war vor Dienstantritt unkündbar. Im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Arbeitsvertrages – gleich aus welchen Gründen – stand dem Kläger eine Abfindung in Höhe von € 250.00,00 zu.

Einen Tag später unterbreitete der Ehemann dem Kläger einen geringfügig modifizierten Arbeitsvertrag, der nur zwischen dem Kläger und ihm zustande kommen sollte. Nachdem der Kläger diesen zweiten Vertrag nicht unterzeichnen wollte, fochten die Eheleute den Arbeitsvertrag vom 11.09.2011 wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an und kündigten vorsorglich fristlos und fristgerecht. Das Arbeitsgericht hat der Bestandsschutzklage mit dem Teilurteil in vollem Umfang stattgegeben. Die ebenfalls rechtshängigen Zahlungsansprüche des Klägers in Höhe von rund € 355.000,00 waren noch nicht entscheidungsreif und sind damit noch in erster Instanz rechtshängig. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass ein Arbeitsverhältnis und kein freies Dienstverhältnis vorliege, weil die Parteien im Arbeitsvertrag Regelungen über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und Urlaub vereinbart hätten. Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft seien nicht ersichtlich. Auch hätten die Beklagten den Arbeitsvertrag weder wirksam angefochten noch fristlos gekündigt. Die bestrittene Behauptung der Beklagten, der Kläger habe ihnen wahrheitswidrig vorgespiegelt, Kontakte zu Verlagen und Showstars zu haben, sei ein unbeachtlicher Motivirrtum. Auch aus den finanziellen Regelungen des Arbeitsvertrages lasse sich kein Anfechtungsrecht herleiten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Ehemann dem Kläger nach einer Überlegungsfrist am Folgetag einen in finanzieller Hinsicht fast gleiches Alternativangebot unterbreitet habe, ohne auch hierin die geschuldete Tätigkeit näher zu beschreiben. Auch sei es im Arbeitsleben nicht außergewöhnlich, befristete Arbeitsverträge ohne Kündigungsmöglichkeit mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren abzuschließen. Die Ausnutzung einer Zwangslage oder eine Unerfahrenheit könne hieraus nicht hergeleitet werden.

[PM des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22.02.2013]