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Diskriminierung eines Stellenbewerbers wegen seines Alters

eingetragen von Thilo Schwirtz am August 20th, 2010

Eine Stellenausschreibung verstößt grundsätzlich gegen das Altersdiskriminierungsverbot, wenn ein „junger“ Bewerber gesucht wird. Der 1958 geborene Kläger ist Volljurist. Er bewarb sich im Jahre 2007 auf eine von der Beklagten geschaltete Stellenanzeige in einer juristischen Fachzeitschrift. Die Beklagte suchte für ihre Rechtsabteilung „zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen“. Der Kläger erhielt eine Absage, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Eingestellt wurde eine 33jährige Juristin. Der Kläger hat von der Beklagten wegen einer unzulässigen Benachteiligung aufgrund seines Alters eine Entschädigung in Höhe von 25.000,00 Euro und Schadensersatz in Höhe eines Jahresgehalts verlangt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt. Die Stellenausschreibung der Beklagten verstieß gegen § 11 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der verbietet, dass eine Stelle unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG ausgeschrieben wird. Danach sind Stellen ua. „altersneutral“ auszuschreiben, wenn kein Rechtfertigungsgrund iSd. § 10 AGG für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vorliegt. Die unzulässige Stellenausschreibung stellt ein Indiz dafür dar, dass der Kläger wegen seines Alters nicht eingestellt worden ist. Da die Beklagte nicht darlegen konnte, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat, steht dem Kläger ein Entschädigungsanspruch zu. Dessen Höhe hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Da der Kläger nicht dargelegt und bewiesen hat, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahl von der Beklagten eingestellt worden wäre, steht ihm der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe eines Jahresgehalts nicht zu.

[Quelle: Bundesarbeitsgericht vom 19.08.2010]

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 3. Juni 2009 – 10 Sa 719/08 –

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten über Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche wegen Altersdiskriminierung.

Die Beklagte hatte im März 2007 eine Juristenstelle zu besetzen. Zur Besetzung der Stelle veröffentlichte sie eine Anzeige in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW), in welcher es heißt, dass sie zum sofortigen Eintritt für ihre Rechtsabteilung – zunächst auf ein Jahr befristet – eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen suche. Den Anforderungen nach sollte der Bewerber ua. über befriedigende Examina und erste Berufserfahrungen (bis zwei Jahre) im Medienbereich bzw. Lizenzgeschäft verfügen. Die Bewerber sollten ihre Gehaltsvorstellungen bei ihrer Bewerbung angeben. Der knapp 50jährige Kläger hat sich hierauf mit E-Mail vom 26. März 2007 beworben. Seine Gehaltsvorstellungen hat er dabei nicht angegeben. Er ist Volljurist und hat beide Staatsexamen mit der Note “Gut” abgelegt. Mit Schreiben vom 10. April 2007 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass er für die vakante Stelle nicht in Betracht komme. Die Stelle wurde mit einer 33jährigen Frau besetzt, befristet für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008 mit einer Probezeit von drei Monaten. Mit Telefax vom 26. Juni 2007 hat der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger zunächst Auskunft und sodann Zahlung der maximal vorgesehenen Vergütung als Schadensersatz. Zudem fordert er Entschädigung. Seine Bewerbung sei ausschließlich wegen seines Alters (von 49 Jahren) abgelehnt worden. Als Schadensersatz könne er ein Jahresgehalt beanspruchen, weil die Stelle befristet auf ein Jahr ausgeschrieben gewesen sei und befristete Arbeitsverhältnisse nicht rechtzeitig gekündigt werden könnten. Als Entschädigung hält er einen Betrag von mindestens 25.000,00 Euro für angemessen. Die Beklagte geht davon aus, dass sich der Kläger nicht ernsthaft habe bewerben wollen. Dies folgert sie auch aus der fehlenden Angabe zu den Gehaltsvorstellungen. Die eingestellte Bewerberin sei für die ausgeschriebene Stelle besser geeignet gewesen, da sie eine einschlägige Berufserfahrung im Medienbereich gehabt habe. Das Alter der Bewerber habe bei der Auswahlentscheidung überhaupt keine Rolle gespielt. Der Kläger habe seine Ansprüche zudem nach Ablauf von zwei Monaten und im Übrigen unter Verletzung der gesetzlichen Schriftform geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe eines Monatsgehalts stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision verfolgt der Kläger seine übrigen Klagebegehren weiter; die Beklagte begehrt mit der Anschlussrevision die Abweisung der Klage insgesamt.

LAG München, Urteil vom 3. Juni 2009 – 10 Sa 719/08 –