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BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 6.5.2014, 9 AZR 678/12

eingetragen von Thilo Schwirtz am Oktober 23rd, 2014

Erholungsurlaub bei unbezahltem Sonderurlaub

Leitsätze

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien unbezahlten Sonderurlaub, hindert die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht das Entstehen gesetzlicher Urlaubsansprüche.
Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Mai 2012 – 3 Sa 230/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abgeltung von 15 Tagen gesetzlichen Urlaub aus dem Jahr 2011 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.846,00 Euro brutto.
2
Die Klägerin war bei der Beklagten, einer Universitätsklinik, seit dem 1. August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Auf Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte ihr gemäß § 28 des Tarifvertrags für die Charité – Universitätsmedizin Berlin vom 1. Januar 2007 (TV-Charité) Sonderurlaub unter Fortfall des Entgelts vom 1. Januar 2011 zunächst bis zum 30. Juni 2011 und später bis zum 30. September 2011. Nach dieser Tarifvorschrift war es möglich, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub zu erhalten.
3
In § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Charité war geregelt:

„Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel.“
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Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. September 2011. Mit Schreiben vom 16. November 2011 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, ihr 15 Tage gesetzlichen Urlaub aus dem Jahr 2011 abzugelten.
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Mit ihrer am 7. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Ansicht vertreten, auch während des Sonderurlaubs seien Urlaubsansprüche entstanden. Diese habe die Beklagte nicht kürzen dürfen.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag iHv. 1.846,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.
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Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, im ruhenden Arbeitsverhältnis seien keine Urlaubsansprüche entstanden. Jedenfalls sei sie befugt, diese wegen des Sonderurlaubs zu kürzen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und behauptet nunmehr, der Sonderurlaub der Klägerin habe am 30. Juni 2011 geendet. Diese habe zwar eine Verlängerung beantragt, die ihr jedoch nicht gewährt worden sei. Die Klägerin sei in der Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2011 eigenmächtig vom Dienst ferngeblieben. Im Übrigen sei die Klägerin während des Sonderurlaubs für einen anderen Arbeitgeber tätig gewesen und habe von diesem bezahlten Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung erhalten.
Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung iHv. 1.846,00 Euro brutto nebst Zinsen zu.
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I. Auch wenn zugunsten der Beklagten davon ausgegangen wird, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien während des Sonderurlaubs gemäß § 28 TV-Charité ruhte (vgl. zum Begriff des Ruhens: BAG 10. Mai 1989 – 6 AZR 660/87 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 62, 35), entstand der gesetzliche Urlaubsanspruch der Klägerin am 1. Januar 2011. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die mit der Ruhensvereinbarung bewirkte Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nicht hinderte.
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1. Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat (BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 8 mwN zur st. Rspr., BAGE 142, 371). Der Senat hat bereits entschieden, dass auch dann Urlaubsansprüche entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann (BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 13 ff., aaO).
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2. Nichts anderes gilt, wenn die Arbeitsvertragsparteien das Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen eines vom Arbeitnehmer beantragten Sonderurlaubs vereinbaren.
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a) Weder enthält § 1 BUrlG, nach dem jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub hat, eine Ausnahmeregelung für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, noch nimmt § 2 Satz 1 BUrlG Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis kraft Abrede der Arbeitsvertragsparteien oder aufgrund tariflicher Anordnung ruht, vom Geltungsbereich des Bundesurlaubsgesetzes aus (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 16, BAGE 142, 371). § 5 BUrlG sieht keine Quotelung des Urlaubsanspruchs für Zeiten eines Kalenderjahres vor, in denen das Arbeitsverhältnis ruht. Auch in § 17 BEEG und § 4 ArbPlSchG ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass im ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche entstehen. Dies zeigen die in diesen Vorschriften geregelten Kürzungsbefugnisse des Arbeitgebers (vgl. für die Elternzeit: BAG 17. Mai 2011 – 9 AZR 197/10 – Rn. 24, BAGE 138, 58; aA Powietzka/Christ NZA 2013, 18, 21 f.). Nur ein entstandener Urlaubsanspruch kann gekürzt werden (so schon BAG 30. Juli 1986 – 8 AZR 475/84 – zu I 3 der Gründe, BAGE 52, 305).
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b) Die Ansicht der Revision, ein ruhendes Arbeitsverhältnis stehe einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitspflicht an „null Tagen“ in der Woche gleich, sodass nach der bei Teilzeitbeschäftigungen üblichen Umrechnungsformel der Urlaubsanspruch „null Tage“ betrage, ist unzutreffend (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 17, BAGE 142, 371; Höpfner Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 61, zu I 2 b). Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, begründen sie kein Teilzeitarbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 TzBfG. Der Arbeitnehmer ist in einem solchen Fall nicht mit einer Wochenarbeitszeit beschäftigt, die kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Im ruhenden Arbeitsverhältnis wird der Arbeitnehmer gar nicht beschäftigt. Ebenso wie beim bezahlten Erholungsurlaub ist der Arbeitnehmer für die Zeit des Sonderurlaubs von seiner Arbeitspflicht befreit. Im Unterschied zum Erholungsurlaub entfällt in aller Regel der Vergütungsanspruch. Eine Befreiung von der Arbeitspflicht setzt begrifflich voraus, dass die Arbeitspflicht „an sich“ fortbesteht. Sie muss vom Arbeitnehmer allerdings wegen der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllt werden. Würde eine Sonderurlaubsabrede als Vereinbarung einer Arbeitszeit „Null“ verstanden, würde die Arbeitspflicht aufgehoben. Das ist etwas anderes, als die Freistellung von einer grundsätzlich weiter bestehenden vertraglichen Arbeitspflicht (BAG 1. Oktober 2002 – 9 AZR 278/02 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 54; vgl. zur Elternzeit auch: BAG 19. April 2005 – 9 AZR 233/04 – zu II 3 b hh der Gründe, BAGE 114, 206).
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c) Der Umstand, dass das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Antrags der Klägerin vereinbart wurde, gebietet keine andere Beurteilung (vgl. Boecken/Jacobsen ZTR 2011, 267, 270 f.; aA Picker ZTR 2009, 230, 237; diff. Höpfner Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 61, zu II). Sowohl der Umfang des Mindesturlaubsanspruchs als auch die Definition des Geltungsbereichs des Bundesurlaubsgesetzes sind gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG der Disposition der Arbeitsvertragsparteien entzogen (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 16, BAGE 142, 371). Angesichts der im Arbeitsverhältnis typischerweise bestehenden strukturellen Ungleichgewichtslage bestünde ansonsten die Gefahr, dass der Arbeitnehmer letztlich „unfreiwillig“ auf seine Urlaubsansprüche verzichten könnte (vgl. zur Einwilligung in die Datenverarbeitung: HK-ArbR/Hilbrans 3. Aufl. § 4a BDSG Rn. 3; WHW/Wächter A VI Rn. 126, jeweils mwN).
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d) Art. 12 GG gebietet keine einschränkende Auslegung der §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG in den Fällen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses bei unbezahltem Sonderurlaub (aA Plüm NZA 2013, 11, 17). Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer unbezahlten Sonderurlaub zu gewähren. Auch § 28 TV-Charité stellt nur eine „Kann-Regelung“ dar (vgl. zu § 50 BAT: BAG 12. Januar 1989 – 8 AZR 251/88 – zu B I 2 b der Gründe, BAGE 60, 362). Gibt der Arbeitgeber dem Antrag des Arbeitnehmers auf Sonderurlaub statt, erfolgt dies regelmäßig nach Abwägung der wechselseitigen Interessen. Er muss den Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum entbehren können und sich zugleich bewusst sein, dass im ruhenden Arbeitsverhältnis Nebenpflichten weiter bestehen. Vor den Folgen einer solchen unternehmerischen Entscheidung schützt Art. 12 GG den Unternehmer nicht.
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II. Der am 1. Januar 2011 entstandene Jahresurlaub der Klägerin war nicht für jeden vollen Monat des Sonderurlaubs um ein Zwölftel zu mindern.
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1. Da nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG in Tarifverträgen nicht von den §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG abgewichen werden kann, hat sich trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses der Parteien von Januar bis September 2011 der gesetzliche Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2011 nicht gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Charité vermindert (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung in § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD: BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 16, BAGE 142, 371). Die in dieser Tarifvorschrift geregelte Verminderung des gesetzlichen Urlaubs lässt § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zu, sodass die Bestimmung insoweit unwirksam ist.
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2. Die Beklagte konnte den am 1. Januar 2011 entstandenen Jahresurlaub der Klägerin trotz des Sonderurlaubs nicht in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 BEEG und § 4 Abs. 1 ArbPlSchG kürzen. Die in diesen Normen vorgesehenen Kürzungsmöglichkeiten sind nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens und damit nicht auf alle Fälle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses analog anwendbar (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 19, BAGE 142, 371). Einem derartigen Verständnis steht entgegen, dass der Gesetzgeber in dem am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz nicht die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs vorgesehen hat, obwohl während der Pflegezeit die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen. Es lässt sich auch nicht aus der Zusammenschau der Regelungen des § 17 BEEG, des § 4 ArbPlSchG und des § 4 PflegeZG der Rechtssatz entwickeln, dass nur bis zu sechsmonatige Arbeitsunterbrechungen den Urlaubsanspruch nicht berühren, längere hingegen schon (aA Hanau/Veit Das neue Recht der Arbeitszeitkonten S. 34). Dies folgt schon daraus, dass Elternzeit kürzer als sechs Monate in Anspruch genommen werden kann und auch genommen wird (im Jahr 2012 nahmen zB 18 % der Bezieher nur bis zu zwei Monate Elterngeld in Anspruch, vgl. Elterngeldstatistik unter www.destatis.de).
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3. Das Unionsrecht zwingt nicht zu einer Verringerung des Urlaubsanspruchs wegen des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses. Zwar geht der Gerichtshof der Europäischen Union bei Arbeitnehmern, in deren Arbeitsverhältnis die gegenseitigen (Haupt-)Leistungspflichten aufgrund von Kurzarbeit suspendiert bzw. aufgehoben sind, davon aus, dass deren Situation faktisch der Situation von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar sei (EuGH 8. November 2012 – C-229/11 und C-230/11 – [Heimann und Toltschin] Rn. 32). Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) legt er so aus, dass sie nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, nach denen der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub pro rata temporis berechnet werde, nicht entgegenstehen. Daraus folgt jedoch nicht, dass es unionsrechtlich geboten ist, den Jahresurlaub nach deutschem Urlaubsrecht bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu kürzen (Bayreuther DB 2012, 2748, 2749; Plüm NZA 2013, 11, 17; Powietzka/Christ NZA 2013, 18, 21). Vielmehr enthält die Arbeitszeitrichtlinie nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur Mindestvorschriften (EuGH 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 35). Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen, bleibt nach Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie ausdrücklich unberührt. Zwar darf die Anwendung einer solchen Bestimmung in einer Richtlinie nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH nicht dazu führen, dass der Wesensgehalt des Rechts des Arbeitgebers auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigt wird (vgl. zu Art. 8 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen: EuGH 18. Juli 2013 – C-426/11 – [Alemo-Herron ua.] Rn. 36). Durch das Entstehen von Urlaubsansprüchen ohne Erbringung einer Arbeitsleistung im Bezugszeitraum wird der Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit jedoch nicht beeinträchtigt. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH. Die Arbeitszeitrichtlinie ist danach so auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten verwehrt, den allen Arbeitnehmern eingeräumten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dadurch einseitig einzuschränken, dass sie eine Voraussetzung für diesen Anspruch aufstellen, die bewirkt, dass bestimmte Arbeitnehmer von diesem Anspruch ausgeschlossen sind (EuGH 26. Juni 2001 – C-173/99 – [BECTU] Rn. 52, Slg. 2001, I-4881). Nach dieser Rechtsprechung steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs festzulegen, sie dürfen dabei aber die Entstehung dieses Anspruchs selbst nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen (EuGH 24. Januar 2012 – C-282/10 – [Dominguez] Rn. 18 mwN). Vor diesem Hintergrund ist es unionsrechtlich unbedenklich, wenn das nationale deutsche Recht auch im Falle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines vereinbarten unbezahlten Urlaubs das Entstehen von Urlaubsansprüchen vorsieht.
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III. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Jahr 2011 ist nicht durch Erfüllung ganz oder teilweise erloschen.
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1. Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin im Jahr 2011 keinen bezahlten Erholungsurlaub gewährt. Dies war der Beklagten aufgrund des bereits gewährten Sonderurlaubs auch nicht möglich (vgl. BAG 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 16).
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2. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auf die Urlaubsgewährung durch einen anderen Arbeitgeber in einem anderen Arbeitsverhältnis hätte berufen können (vgl. zur Anrechnung von gewährtem Urlaub im Doppelarbeitsverhältnis nach Kündigung: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 487/10 – BAGE 141, 27). Das Landesarbeitsgericht hat in seinen für den Senat gemäß § 559 ZPO bindenden Feststellungen weder das Bestehen eines anderen Arbeitsverhältnisses noch eine Urlaubsgewährung festgestellt. Soweit die Beklagte erstmals in ihrer Revisionsbegründungsschrift geltend macht, die Klägerin sei in der Zeit ab 1. Januar 2011 für einen anderen Arbeitgeber als Arbeitnehmerin tätig gewesen und habe von diesem Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung erhalten, kann dieser Vortrag ungeachtet des Fehlens entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Beklagte keine hinreichend konkreten Angaben zu diesem Arbeitsverhältnis und zu dem von ihr behaupteten Erholungsurlaub der Klägerin bzw. der von ihr behaupteten Urlaubsabgeltung gemacht hat (vgl. zu Doppelarbeitsverhältnissen, bei denen der Arbeitnehmer die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen erfüllen kann: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 487/10 – Rn. 19, aaO).
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IV. Die Beklagte hat 15 Tage gesetzlichen Urlaub mit 1.846,00 Euro brutto abzugelten. Zwar bleiben bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG Verdienstkürzungen aufgrund von Arbeitsversäumnis, die im Berechnungszeitraum des § 11 Abs. 1 Satz 1 eingetreten sind, nur dann für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht, wenn sie unverschuldet waren. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts befand sich die Klägerin auch im Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. September 2011 im Sonderurlaub. Unbezahlter Sonderurlaub stellt eine unverschuldete Arbeitsversäumnis iSd. § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dar (HWK/Schinz 6. Aufl. § 11 BUrlG Rn. 49). Soweit die Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz geltend macht, die von der Klägerin beantragte Verlängerung des Sonderurlaubs über den 30. Juni 2011 hinaus sei von der Beklagten abgelehnt worden, die Klägerin sei mithin ab dem 1. Juli 2011 unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben, ist dieser neue Tatsachenvortrag nach § 559 ZPO unbeachtlich.
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1. Die Beklagte hat keinen zulässigen und begründeten Revisionsangriff iSd. § 559 Abs. 2 ZPO gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts erhoben, dass die Parteien ein weiteres Ruhen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2011 vereinbarten. Insbesondere macht die Revision nicht geltend, dass bereits in den Vorinstanzen vorgetragen worden sei, der Sonderurlaub habe nur bis zum 30. Juni 2011 angedauert. Tatsächlich hat die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung vom 23. März 2012 erklärt: „Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum Ausscheiden am 30.09.2011 aufgrund des von der Klägerin begehrten Sonderurlaubs ruhte …“
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2. Der neue Tatsachenvortrag der Beklagten ist auch nicht ausnahmsweise zu berücksichtigen, weil er zwischen den Parteien unstreitig ist (vgl. zu dieser Ausnahme: BAG 28. Januar 2010 – 2 AZR 985/08 – Rn. 14 mwN, BAGE 133, 149). Die Klägerin hat in ihrer Revisionserwiderung vom 23. Oktober 2012 ausdrücklich bestritten, dass sie in dem Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 2011 eigenmächtig vom Dienst ferngeblieben sei.
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V. Der Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 16. November 2011 ab dem 1. Dezember 2011 mit der Leistung in Verzug.
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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Brühler

Krasshöfer

Klose

Anthonisen

C. Neumann-Redlin