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| Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung nach dem Tabellenentgelt der hessischen Entgelttarifverträge. Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, § 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO. Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen zur Höhe und zu einem möglichen Verfall der Ansprüche getroffen hat. |
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| I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hessen Anwendung, somit auch die Entgelttarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie in Hessen, soweit sich aus dem Ergänzungstarifvertrag als unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag nichts anderes ergibt (vgl. BAG 23. Februar 2011 – 5 AZR 143/10 – Rn. 13). |
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| II. Für die Zeit ab Einführung des ERA enthalten die firmenbezogenen Ergänzungstarifverträge keine spezielleren Inhaltsnormen, die die Entgelttabelle des Flächentarifvertrags verdrängen. Dass die Ergänzungstarifverträge im Klagezeitraum gültig waren, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für ihre Auslegung und die Frage, ob sie verdrängende Inhaltsnormen enthalten, unerheblich. |
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| 1. Der Ergänzungstarifvertrag vom 11. Juni 2003 regelt die Erhöhung der tariflichen Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen, die zum 1. Juni 2003 stattfand, § 3 Abs. 2 ErgTV vom 30. September 2003 die Tariferhöhungen bis zum 31. Dezember 2006. |
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| Die Protokollnotiz Nr. 1 zum ErgTV, wonach die Tarifvertragsparteien bei Einführung des Entgeltrahmentarifvertrags für die Beklagte eine Entgeltlinie für die neuen Entgeltgruppen E 1 – E 11 vereinbaren, die den dann bei der Beklagten geltenden Lohn- und Gehaltstabellen entspricht, enthält keine Rechtsnorm iSd. § 1 Abs. 1 TVG, die den Inhalt der Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitnehmer hinsichtlich des Entgelts nach der Einführung von ERA selbst regelt (zur Abgrenzung von Inhaltsnormen und schuldrechtlichen Regelungen, vgl. BAG 24. August 2011 – 4 AZR 566/09 – ZTR 2012, 92; 19. Mai 2010 – 4 AZR 903/08 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46). |
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| Bereits der Wortlaut steht einer Auslegung, die Tarifvertragsparteien wollten bereits mit der Protokollnotiz eine Inhaltsnorm, dh. einen unmittelbaren Anspruch der normunterworfenen Arbeitnehmer nach den dort festgelegten Bedingungen und damit zugleich eine den Flächenentgelttarifvertrag verdrängende Rechtsnorm schaffen, entgegen. Die Protokollnotiz richtet sich vielmehr an die Tarifvertragsparteien, die eine vom Flächentarifvertrag abweichende Entgeltlinie „vereinbaren“ sollen. |
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| Gegen die Auslegung der Protokollnotiz als Inhaltsnorm spricht auch die Mehrdeutigkeit des Begriffs „entsprechen“. Zwar haben die Tarifvertragsparteien bereits 2003 einen Rahmen für ihre Vereinbarungen gesteckt, dieser Rahmen war jedoch ausfüllungsbedürftig und sollte nur Eckpunkte für weitere Tarifverhandlungen setzen. Die Entgelttabellen sollten denen der Beklagten bei der ERA-Einführung „entsprechen“. Das Auffinden einer „entsprechenden“ Regelung bedeutet – wie der Streitfall zeigt – mehr als die Durchführung einer reinen Rechenoperation. Es bestehen verschiedene Berechnungsmöglichkeiten, zumal die früheren in verschiedenen Tarifverträgen enthaltenen Lohn- und Gehaltsgruppen auch nicht ohne Weiteres mit den jetzigen ERA-Entgeltgruppen gleichgesetzt werden können. Der Fall des Klägers zeigt jedenfalls, dass bei ihm die Absenkung nicht genau 1,65 % betrug. Die Beklagte hat die Flächenentgelte nur durchschnittlich um „ca. 1,65 Prozent“ gesenkt. Bei der Berechnung ist der Arbeitgeberverband – wie sich aus der E-Mail an die Beklagte vom 16. Mai 2008 ergibt – „von der üblichen Schlüsselmethode, also ausgehend vom Ecklohn und von den Eckgehältern“ ausgegangen. Im Weiteren hat der Arbeitgeberverband die Belegschaftsanteile und das Entgeltvolumen pro Beschäftigtengruppe, wie die Beklagte in der Revisionserwiderung erläutert hat, gewichtet. Bei der Ausfüllung des Begriffs „entsprechen“ wären aber auch andere Abstände als die früheren zwischen den Entgeltgruppen und andere Gewichtungen möglich. Die Festlegung der Beklagten führt, worauf die Revision zutreffend hinweist, zu unterschiedlichen Werten für die einzelnen Gruppen und stellt keine schematische Anpassung dar. |
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| Aus dem Sinn und Zweck der Ergänzungstarifverträge folgt nichts anderes. Zwar sind die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des ErgTV davon ausgegangen, dass Abweichungen zum Flächentarifvertrag und den dazu gehörenden Entgelttarifverträgen im Unternehmen der Beklagten geboten sind (vgl. für den Zeitraum vor der ERA-Einführung, BAG 23. Februar 2011 – 5 AZR 143/10 -). Mögliche Abweichungen vom Flächentarifvertrag waren, wie sich aus der Protokollnotiz Nr. 1 zum ErgTV ergibt, auch für die Zeit nach der ERA-Einführung geplant. Diese Verdrängung sollte aber auf einer gesonderten Vereinbarung, auf einem Tarifvertrag, beruhen. 2003 konnte die wirtschaftliche Lage der Beklagten bei der Einführung von ERA, die schließlich am 1. April 2009 stattfand, nicht sicher beurteilt werden. Weder die tarifgebundenen Arbeitnehmer noch die Beklagte konnten annehmen, dass die IG Metall ohne weitere Tarifverhandlungen auf Dauer Absenkungen zu den Entgelten des Flächenentgelttarifvertrags entsprechend der ausfüllungsbedürftigen Eckdaten der Protokollnotiz Nr. 1 zum ErgTV zulassen wollte und dass die Verfahrensweise einer einseitigen Festlegung der Entgelte durch den Arbeitgeberverband und der bloßen Mitteilung an die IG Metall auch für die Zeit nach der Einführung von ERA dauerhaft Bestand haben sollte, falls es zu keiner „Vereinbarung“ im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 zum ErgTV kommen sollte. |
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| 2. Die Änderung zum Ergänzungstarifvertrag vom 30. September 2004 verdrängt die Flächenentgelttarifverträge ebenfalls nicht. Mit Rechtsnormcharakter regelt sie nur die Entgelterhöhungen des Jahres 2007. Zwar vereinbarten die Tarifvertragsparteien in § 4 Abs. 2 der Änderung zum Ergänzungstarifvertrag vom 30. September 2004, dass sie im dritten Quartal über eine weitere Heranführung an die für das Land Hessen geltenden Tabellen unter Berücksichtigung der zukünftigen ERA-Einführung beraten würden. Diese Regelung hat aber ebenso wie die Protokollnotiz Nr. 1 zum ErgTV nur schuldrechtliche Wirkung. |
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| 3. Zum Abschluss eines Tarifvertrags ist es für den Klagezeitraum nicht gekommen, Verhandlungen vor und anlässlich der ERA-Einführung sind gescheitert. Die Tarifvertragsparteien haben auch nicht im Nachhinein mit Rückwirkung entsprechende Rechtsnormen auf der Grundlage der Protokollnotiz Nr. 1 zum ErgTV geschaffen. |
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| III. Der Kläger hat damit Anspruch auf das monatliche Entgelt nach dem Entgelttarifvertrag für das Tarifgebiet Hessen. Das Landesarbeitsgericht hat zur Höhe der geforderten monatlichen Differenzvergütung, auch im Hinblick auf die Leistungszulage, noch Feststellungen zu treffen. Das Landesarbeitsgericht wird darüber hinaus festzustellen haben, ob und inwieweit die monatlichen Ansprüche nach § 29 MTV für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 20. Juli 2005, gültig ab 1. Januar 2006, rechtzeitig geltend gemacht worden sind. Bei der Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist handelt es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung, die vom Schuldner darzulegen ist (BAG 17. August 2011 – 5 AZR 490/10 – Rn. 25, EzA AEntG § 1a Nr. 8). Wenn die Anwendbarkeit – wie im Streitfall – unstreitig ist, hat der Gläubiger die Voraussetzungen der Anspruchserhaltung als anspruchsbegründende Tatsache (wie zB schriftliche Geltendmachung) darzulegen. Unterbleibt dies, ist die Klage unschlüssig. Die Nichteinhaltung der Fristen ist – anders als die Verjährung einer Forderung – eine Einwendung, die „von Amts wegen“ zu beachten ist und auf die sich der Schuldner nicht berufen muss (BAG 25. Januar 2006 – 4 AZR 622/04 – Rn. 51 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 22 =EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 55; 25. Januar 2012 – 4 AZR 15/10 – Rn. 46). |
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