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| Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet. Die von der Gewerkschaft ver.di ausgesprochene Kündigung hat den TV Nr. 761 mit Ablauf des 31. Oktober 2008 beendet. Der Klägerin steht daher eine Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD zu. Weiterhin kann sie eine Zulage nach § 52 Abs. 3 TVöD-BT-K iVm. § 15 Abs. 1 TVöD verlangen. |
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| I. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2008 in der nach § 20 TVöD maßgebenden Höhe ergibt sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. |
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| 1. Die Klägerin kann nach § 20 Abs. 2 TVöD eine Jahressonderzahlung iHv. 90 vH des ihr in den Monaten Juli bis September 2008 durchschnittlich gezahlten Entgelts beanspruchen. |
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| 2. Die Regelung des § 20 Abs. 2 TVöD wird nicht durch diejenige in § 5 Abs. 3 Fall 1 TV Nr. 761 nach dem sog. Spezialitätsprinzip verdrängt (dazu etwa BAG 23. Januar 2008 – 4 AZR 312/01 – Rn. 31 mwN, BAGE 125, 314). An dem nach § 20 Abs. 1 TVöD maßgebenden Stichtag (1. Dezember 2008) bestand zwischen dem TV Nr. 761 und dem TVöD keine Tarifkonkurrenz mehr, die einer Auflösung bedurft hätte. Der TV Nr. 761 endete aufgrund fristgemäßer Kündigung der Gewerkschaft ver.di mit Ablauf des 31. Oktober 2008 ohne Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG, die nach § 12 Abs. 3 Satz 3 TV Nr. 761 in zulässiger Weise ausgeschlossen wurde (dazu etwa BAG 11. Januar 2011 – 1 AZR 310/09 – Rn. 14, EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 24; 8. Oktober 1997 – 4 AZR 87/96 – zu II 2 der Gründe, BAGE 86, 366). |
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| a) Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefasst – angenommen, § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 regele kein außerordentliches Kündigungsrecht, sondern enthalte ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Tarifvertrages. Die Nichtaufnahme des Krankenhausneubaus in O in das Krankenhausinvestitionsprogramm 2007 bis 2011 des Landes Hessen rechtfertige die Kündigung des Tarifvertrages. Die Kündigung sei nicht verfristet iSd. § 314 Abs. 3 BGB. Das Kündigungsrecht sei weiterhin weder verwirkt noch stelle sich dessen Ausübung im Übrigen als rechtsmissbräuchlich dar. |
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| b) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen. |
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| aa) Dies gilt zunächst für die Auslegung der Kündigungsbestimmung in § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761. |
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| (1) Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, die sich – wie vorliegend das Kündigungsrecht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 als Bestandteil der schuldrechtlichen Vereinbarungen eines Tarifvertrages – nicht in typisierten Vertragsvereinbarungen ausdrücken, obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Das Revisionsgericht kann die Auslegung von Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht nur daraufhin überprüfen, ob es die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB eingehalten hat, ob gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden ist, ob alle erheblichen Tatsachen für die Auslegung herangezogen worden sind und ob eine gebotene Auslegung unterlassen worden ist (BAG 19. September 2007 – 4 AZR 656/06 – Rn. 17, AP AÜG § 10 Nr. 17 = EzA AÜG § 13 Nr. 1). |
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| (2) Die Beklagte hat keinen revisiblen Auslegungsfehler aufgezeigt. |
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| (a) Ohne Rechtsfehler ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Begriff „Sonderkündigungsrecht“ in § 12 Abs. 4 TV Nr. 761 weise bei einem befristeten, für eine feste Laufzeit geschlossenen Tarifvertrag darauf hin, dass eine im Übrigen nicht bestehende ordentliche Kündigungsmöglichkeit geschaffen werden soll. Die Revision übersieht, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht grundsätzlich keiner ausdrücklichen Vereinbarung bedarf (vgl. nur BAG 18. Februar 1998 – 4 AZR 363/96 – zu II 1.1 der Gründe, BAGE 88, 81). Deshalb ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen „gerade dieser besonders wichtige Fall“, von dem die Revision ausgeht, die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts erforderlich machen soll. In der Folge konnte das Landesarbeitsgericht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Vereinbarung einer ordentlichen und einer außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit ausgehen. |
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| (b) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Landesarbeitsgericht auch nicht annehmen, die „Kürze der Frist“ in § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 streite für ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund iSd. § 314 Abs. 1 BGB. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Tarifvertragsparteien die Kündigungsfrist autonom bestimmen konnten. Deshalb ist der weitere Einwand der Beklagten, eine vereinbarte Kündigungsfrist, die die dreimonatige Frist des § 77 Abs. 5 BetrVG unterschreite, spreche für ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, vorliegend unzutreffend. Die Beklagte verkennt, dass in § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 nach seinem Wortlaut (nur) „ein Grund“ und nicht „ein wichtiger Grund“ iSd. § 314 Abs. 1 BGB für eine Kündigung bestimmt wird. Ob ein wichtiger Grund gegeben sein muss, ist erst durch Auslegung der Kündigungsbestimmung zu ermitteln, kann aber nicht vorausgesetzt werden. |
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| (c) Weiterhin konnte das Landesarbeitsgericht davon ausgehen, eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit solle nur in den vertraglich bestimmten Fällen bestehen. Zwar können die Tarifvertragsparteien, wie die Revision es meint, eine „ordentliche Kündbarkeit ohne Angabe von Gründen“ vereinbaren. Die Möglichkeit steht aber in Anbetracht des klaren Wortlauts in § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 nicht der Annahme des Landesarbeitsgerichts entgegen. |
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| (d) Es erweist sich auch nicht als revisibler Fehler, wenn das Landesarbeitsgericht das Wort „wenn“ in § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 als eine konditionale Verknüpfung versteht. Der Wortlaut „nicht in das Krankenhausinvestitionsprogramm … aufgenommen wird“ kann ohne Rechtsfehler dahingehend ausgelegt werden, die Kündigungsmöglichkeit des § 12 Abs. 3 Satz 1 TV Nr. 761 beziehe sich nur auf den Eintritt der genannten Voraussetzung, bindet die Ausübung des Rechts aber nicht an den Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen gegeben sind. Die Beklagte setzt auch insoweit lediglich ihre Auffassung gegen die des Landesarbeitsgerichts. |
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| (e) Die weitere Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht sei bei seiner teleologischen Auslegung davon ausgegangen, ein wichtiger Grund setze ein schuldhaftes Verhalten voraus, ist unzutreffend. Das Gericht hat vielmehr ausgeführt, „typische Gründe für eine außerordentliche Kündigung eines Tarifvertrages“ seien schwere Pflichtverletzungen. Die weitere Erwägung, im Falle eines vereinbarten außerordentlichen Kündigungsgrundes läge auch die Vereinbarung einer Nachverhandlungspflicht nahe, ist nicht zu beanstanden und entspricht zudem der Rechtsprechung des Senats (so ausdrücklich 18. Juni 1997 – 4 AZR 710/95 – zu II 2.1.4 der Gründe, AP TVG § 1 Kündigung Nr. 2 = EzA TVG § 1 Fristlose Kündigung Nr. 3). |
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| bb) Die Revision rügt weiterhin ohne Erfolg die vom Senat ebenfalls nur beschränkt überprüfbare Würdigung des Landesarbeitsgerichts (zu den Maßstäben BAG 15. Juni 2011 – 4 AZR 737/09 – Rn. 22 mwN, AP BAT §§ 22, 23 Rückgruppierung Nr. 7) zur fehlenden Verwirkung des Kündigungsrechts auf aufgrund des fehlenden Umstandsmoments (dazu etwa BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 579/10 – Rn. 42 ff. mwN). |
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| (1) Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, etwaige unterlassene betriebsbedingte Kündigungen durch die Beklagte seien dem bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wirksamen Verbot betriebsbedingter Kündigungen in § 7 Abs. 1 TV Nr. 761 geschuldet und könnten schon deshalb keine Vermögensdispositionen im Vertrauen auf einen zukünftigen Verzicht der Gewerkschaft ver.di auf ein bestehendes Kündigungsrecht sein. |
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| (2) Ein „besonders“ schützenswertes Vertrauen, von einem Kündigungsrecht nicht Gebrauch zu machen, musste das Landesarbeitsgericht auch nicht aufgrund des von der Betriebsgruppe im Juli 2008 der Gewerkschaft ver.di verteilten „Infoblatts“ annehmen. In diesem wird – zum damaligen Zeitpunkt zutreffend – lediglich auf die Laufzeit des TV Nr. 761 hingewiesen. |
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| (3) Das Landesarbeitsgericht ist in der Sache weiterhin rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, es obliege der autonomen Entscheidung einer Tarifvertragspartei, ob und unter welchen Umständen sie von einem „an sich“ bestehenden Kündigungsrecht Gebrauch mache. Nach dem Inhalt der maßgebenden tariflichen Regelung ist diese nicht, wie es offensichtlich die Beklagte meint, an bestimmte Kündigungsmotive gebunden. |
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| (4) Deshalb ist auch ihr weiterer Einwand unzutreffend, es gelte ein „Verbot des Bereithaltens eines Kündigungsgrundes ‚auf Vorrat‘“. Das entstandene Kündigungsrecht geriet nicht allein durch eine weitere Geltung des Tarifvertrages in Wegfall. Das Landesarbeitsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise mit Recht auf die komplexen, bei Tarifvertragsverhandlungen zu berücksichtigenden Umstände hingewiesen, von der eine Ausübung eines Kündigungsrechts abhängen kann. Deshalb könnten die Maßstäbe bei einer arbeitgeberseitigen (verhaltensbedingten) Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht auf die vorliegende Situation übertragen werden. |
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| cc) Schließlich lässt die gleichfalls nur eingeschränkt überprüfbare Würdigung des Landesarbeitsgerichts(oben I 2 b bb), die Gewerkschaft ver.di habe „das für die Arbeitnehmer günstige Ergebnis“ der „Jahressonderzahlung“ bei der Ausübung des Kündigungsrechts ohne Verstoß gegen Treu und Glauben(§ 242 BGB) berücksichtigen können, keinen Rechtsfehler erkennen. Dass die Beklagte von dem ihr gleichfalls zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, führt nicht zu einem Rechtsmissbrauch durch die kündigende Gewerkschaft ver.di. Es trifft auch nicht zu, dass durch den Kündigungszeitpunkt nur „zugunsten der Arbeitnehmer alle Vorteile aus dem Notlagentarifvertrag realisiert waren“. Die Beklagte musste ua. in den vorangegangenen Jahren lediglich eine gegenüber § 20 TVöD geminderte Jahressonderzahlung leisten. |
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| II. Die Klägerin kann weiterhin für die Monate November und Dezember 2008 eine Zulage nach § 52 Abs. 3 TVöD-BT-K iVm. § 15 Abs. 1 TVöD verlangen. |
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| III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB, § 24 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 5 Satz 1 TVöD. |
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| IV. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. |
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