BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 23.10.2013, 4 AZR 431/12
Eingruppierung – sog. Auffanglohngruppe
Leitsätze
Der Lohngruppe 1 der Tarifverträge zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ – kommt nicht die Funktion einer sog. Auffanglohngruppe zu, die unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit einen Mindestlohnanspruch für alle vom betrieblichen Geltungsbereich erfassten Arbeitsverhältnisse bestimmt.
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 8. Februar 2012 – 2 Sa 105/11 – aufgehoben.
Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 26. Mai 2011 – 1 Ca 1360/09 – abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers.
2
Der Kläger ist seit dem 1. März 2009 bei der Beklagten, die überwiegend Gebäudereinigungsleistungen erbringt, beschäftigt. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es ua.:
„1.1 Der/die Arbeitnehmer/in wird ab dem: 01.03.2009 (Vertragsbeginn) … als: Arbeitskraft für Müllentsorgung/Müllpresse eingestellt.
…
3. Arbeitsentgelt
3.1. Der/die Mitarbeiter/in erhält einen Lohn in Höhe von
6,50 EUR / Std. Brutto
auf der Basis der geleisteten Arbeitszeit.
…“
3
Der Kläger ist mit seiner weit überwiegenden Tätigkeit an einer Müllpresse beschäftigt und entsorgt dort Verpackungsmüll. Die Beklagte vergütet die an der Müllpresse geleisteten Arbeitsstunden nach dem vertraglich vereinbarten Lohn. Soweit dem Kläger – in geringem Umfang – Reinigungsarbeiten übertragen werden, erhält er einen Stundenlohn nach der Lohngruppe 1 des jeweiligen Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn).
4
Mit seiner Klage verlangt der Kläger – soweit für die Revision von Bedeutung – für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 für seine Tätigkeit an der Müllpresse die Differenz zwischen dem ihm geleisteten Stundenlohn von 6,50 Euro und den Entgeltsätzen, die für die Lohngruppe 1 nach dem jeweiligen TV Mindestlohn vorgesehen sind. Seine Beschäftigung an der Müllpresse könne dem tariflichen Tätigkeitsmerkmal „Innen- und Unterhaltsreinigung“, jedenfalls aber dem der „Beseitigung von Produktionsrückständen“ zugeordnet werden. Die Lohngruppe 1 des jeweiligen TV Mindestlohn erfasse zudem alle Arbeitnehmer unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit. Auf dieser Grundlage seien auch geleistete Mehrarbeitsstunden mit einem Zuschlag von 25 vH zu vergüten und das Urlaubsgeld zu berechnen, welches ihm nach § 2 des Tarifvertrags über ein zusätzliches Urlaubsgeld für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (vom 7. September 2007 – TV Urlaubsgeld) zustehe. Daraus ergebe sich für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2011 die eingeklagte Lohndifferenz.
5
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für die Zeit vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2011 nach der Lohngruppe 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn 2010) vom 29. Oktober 2009 und ab dem 1. Januar 2012 nach der Lohngruppe 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn 2012) vom 23. August 2011 zu vergüten,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.633,41 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz im näher bestimmten Umfang zu zahlen.
6
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger übe an der Müllpresse keine Tätigkeiten aus, die von den Tätigkeitsmerkmalen des jeweiligen TV Mindestlohn erfasst würden. Es handele sich um eine reinigungsfremde Tätigkeit.
7
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und der Berufung des Klägers – soweit für die Revision von Bedeutung – stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
8
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Der Kläger kann für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 keine Vergütung nach der Lohngruppe 1 des jeweiligen TV Mindestlohn beanspruchen.
9
1. Der Leistungsantrag – Antrag zu 2) – ist für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 9. März 2010 schon deshalb unbegründet, weil in diesem Zeitraum kein Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis des Klägers galt, in dem der von ihm begehrte Stundenlohn geregelt war.
10
a) Eine Vergütungspflicht der Beklagten nach der Lohngruppe 1 des „Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 9. Oktober 2007“ (TV Mindestlohn 2007), der aufgrund der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gebäudereinigerhandwerk (GebäudeArbbV, BAnz. Nr. 34 vom 29. Februar 2008 S. 762) zum 1. März 2008 in Kraft gesetzt wurde, besteht nicht. Der TV Mindestlohn 2007 trat nach § 2 GebäudeArbbV am 30. September 2009 außer Kraft. Eine Nachwirkung für die Zeit ab dem 1. Oktober 2009 entsprechend der Regelung des § 4 Abs. 5 TVG scheidet aus (ausf. dazu BAG 20. April 2011 – 4 AZR 467/09 – Rn. 13 ff., BAGE 138, 1).
11
b) Die nachfolgende Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung (vom 3. März 2010, 2. GebäudeArbbV, BAnz. Nr. 37 vom 9. März 2010 S. 951), die die „Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn)“ (vom 29. Oktober 2009, nachfolgend TV Mindestlohn 2010) in der Anlage aufführt, trat erst am 10. März 2010 in Kraft.
12
2. Die Klage ist weiterhin für den nachfolgenden Zeitraum ab dem 10. März 2010 insgesamt unbegründet. Die vom Kläger erbrachten Arbeitsstunden sind weder nach der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010 noch nach der Lohngruppe 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (vom 23. August 2011, nachfolgend TV Mindestlohn 2012) zu vergüten, die aufgrund der Dritten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung (vom 21. Dezember 2011, 3. GebäudeArbbV, BAnz. Nr. 196 vom 29. Dezember 2011 S. 4621) seit dem 1. Januar 2012 als staatliches Recht galt. In der Folge kann der Kläger keine Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen und eines Urlaubsgelds auf Grundlage der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010/2012 beanspruchen.
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a) Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt aufgrund der 2. GebäudeArbbV bis zum 31. Dezember 2011 der TV Mindestlohn 2010 und ab dem 1. Januar 2012 nach der 3. GebäudeArbbV der TV Mindestlohn 2012.
14
b) Die für die Eingruppierung maßgebenden tariflichen Bestimmungen nach dem TV Mindestlohn 2010 lauten wie folgt:
„§ 1
Geltungsbereich
1.
Räumlicher Geltungsbereich:
Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2.
Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV Gebäudereinigung) in der jeweils geltenden Fassung (Anhang*) fallen. … Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages sind auch selbständige Betriebsabteilungen.
…
Anhang
Betrieblicher Geltungsbereich des RTV Gebäudereinigung in der nach § 1 Satz 1 der Verordnung maßgeblichen, am 1. Januar 2010 geltenden Fassung:
Alle Betriebe, die folgende, der Gebäudereinigung zuzurechnenden Tätigkeiten ausüben:
1.
Reinigung, pflegende und schützende Nachbehandlung von Außenbauteilen an Bauwerken aller Art,
2.
Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen sowie von Raumausstattungen und Verglasungen,
3.
Reinigung und Pflege von maschinellen Einrichtungen sowie Beseitigung von Produktionsrückständen,
…
§ 2
Mindestlöhne
1.
Die Mindestlöhne betragen
a)
mit Wirkung ab 1. Januar 2010
Lohngruppe 1
…
im Gebiet der Bundesländer
… Bremen, …
8,40 EUR
…
…
b)
mit Wirkung ab 1. Januar 2011
Lohngruppe 1
…
im Gebiet der Bundesländer
… Bremen, …
8,55 EUR
…
…
2.
Zu den Lohngruppen 1 und 6 gehören folgende Tätigkeiten:
Lohngruppe 1
Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten, insbesondere Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken und Verkehrsmitteln aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen und Raumausstattungen;
Reinigung und Pflege von maschinellen Einrichtungen sowie Beseitigung von Produktionsrückständen;
…
3.
Die Arbeitnehmer werden aufgrund ihrer überwiegenden Tätigkeit in eine Lohngruppe dieses Tarifvertrages eingruppiert. Für die Eingruppierung ist ausschließlich die ausgeübte Tätigkeit maßgebend. …
4.
Der Anspruch auf den Mindestlohn der Lohngruppe 1 steht auch den Arbeitnehmern mindestens zu, die gemäß § 7 RTV Gebäudereinigung aufgrund ihrer Tätigkeiten in die Lohngruppen 2, 3, 4 oder 5, der Anspruch auf den Mindestlohn der Lohngruppe 6 auch denjenigen Arbeitnehmern, die gemäß § 7 RTV Gebäudereinigung aufgrund ihrer Tätigkeiten in die Lohngruppen 7 oder höher einzugruppieren sind. Höhere Lohnansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben im Übrigen unberührt.
…“
15
Dem entsprechen bis auf die in der Höhe geänderten Mindestlöhne in § 2 Nr. 1 und die nicht mehr aufgenommene Bestimmung des § 2 Nr. 3 (§ 2 Nr. 4 TV Mindestlohn 2010 ist nunmehr § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn 2012) die Regelungen des TV Mindestlohn 2012.
16
c) Danach kann der Kläger keine Vergütung nach der Lohngruppe 1 der beiden Mindestlohntarifverträge beanspruchen. Die maßgebende, weil überwiegend von ihm ausgeübte Teiltätigkeit an der Müllpresse erfüllt nicht die Voraussetzungen eines tariflichen Tätigkeitsmerkmals der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010 oder TV Mindestlohn 2012.
17
aa) Das Landesarbeitsgericht ist in der Sache zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der zeitlich weit überwiegenden Tätigkeit des Klägers an der Müllpresse um eine einheitlich zu bewertende Teiltätigkeit handelt (zu den Maßstäben etwa BAG 27. August 2008 – 4 AZR 484/07 – Rn. 17 mwN, BAGE 127, 305; 23. August 2006 – 4 AZR 410/05 – Rn. 11 mwN).
18
Die Tarifvertragsparteien gehen nach § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn 2010 bei der Eingruppierung grundsätzlich davon aus, dass die auszuübende Tätigkeit eines Arbeitnehmers sich auch aus verschiedenen, gesondert zu bewertenden Teiltätigkeiten zusammensetzen kann. Von diesen Grundsätzen ist, obwohl die Bestimmung des § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn 2010 in den TV Mindestlohn 2012 nicht mehr mit aufgenommen wurde, auch für diesen Tarifvertrag auszugehen. Dass die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn 2012 an diesen allgemein anerkannten Grundsatz der Eingruppierung von Arbeitnehmern (BAG 21. Oktober 2009 – 4 ABR 40/08 – Rn. 20; 5. Juni 1985 – 4 AZR 527/83 -) bei der Bestimmung der maßgebenden Lohngruppe nicht mehr anknüpfen wollten, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht zudem die Bezugnahme auf den Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung in § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn 2012, der inhaltsgleich die Eingruppierungsmaßstäbe des § 2 Nr. 4 TV Mindestlohn 2010 beinhaltet.
19
bb) Die maßgebende Teiltätigkeit des Klägers an der Müllpresse erfüllt, wie die Auslegung der tariflichen Regelungen ergibt (zu den Maßstäben etwa BAG 28. Januar 2009 – 4 ABR 92/07 – Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238), nicht das Tätigkeitsmerkmal der Innen- und Unterhaltsreinigung iSd. Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010/2012.
20
(1) Für die Auslegung des von den Tarifvertragsparteien nicht näher erläuterten Tätigkeitsmerkmals der Innen- und Unterhaltsreinigung ist, weil es sich auch um keinen in der Rechtsterminologie feststehenden Begriff handelt, die branchenspezifische Auffassung für die Auslegung des Tätigkeitsmerkmals von Bedeutung (BAG 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11 – Rn. 17 mwN).
21
(2) Der Begriff der vorliegend allein in Betracht kommenden Unterhaltsreinigung hat „begrifflich schlechthin das Reinigen und Pflegen eines Objektes zu dessen Unterhaltung zum Inhalt“ (BAG 28. Januar 1987 – 4 AZR 102/86 -). Unterhaltsreinigungsarbeiten sind „fortlaufende und kontinuierlich auszuführende Reinigungsarbeiten, die dem Erhalt, dem Schutz und der Pflege von Gegenständen dienen, wobei hierunter nicht nur Gebäude zu verstehen sind“ (BAG 28. Januar 1987 – 4 AZR 224/86 -; 4. Juni 1980 – 4 AZR 379/78 -). Der Begriff der Unterhaltsreinigung erfasst insbesondere – wie die Tarifvertragsparteien im TV Mindestlohn 2010/2012 auch ähnlich ausgeführt haben – neben der Reinigung die pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen sowie von Raumausstattungen und Verglasungen (vgl. auch § 1 Abschnitt II Nr. 2 RTV; ausf. dazu BAG 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11 – Rn. 18 ff. mwN).
22
(3) Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit an der Müllpresse erfüllt nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Unterhaltsreinigungsarbeiten. Es ist sowohl nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als auch nach dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar, dass seine Tätigkeit sich mit der Reinigung und Pflege von Räumen oder einem der anderen genannten Reinigungsobjekte befasst.
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Selbst unter Zugrundelegung eines „weiten Verständnisses“ des Begriffs der Unterhaltsreinigung, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat (s. auch BAG 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11 – Rn. 19 ff.; 18. November 1998 – 10 AZR 475/97 – zu I 1 der Gründe), fehlt es an Anhaltspunkten, nach denen die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit diesem Tätigkeitsmerkmal zugeordnet werden könnte. Es kann entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nach dem Vorbringen des Klägers nicht davon ausgegangen werden, er übe „vor- oder nachbereitende Tätigkeiten“ im Zusammenhang mit Reinigungstätigkeiten aus; insoweit handelt es sich um eine Vermutung, für die tatsächliche Anknüpfungspunkte nicht ersichtlich sind.
24
cc) Die maßgebende Teiltätigkeit des Klägers kann weiterhin nicht dem Tätigkeitsmerkmal „Beseitigung von Produktionsrückständen“ (dazu BAG 19. Februar 2003 – 4 AZR 118/02 – zu III 2 b aa der Gründe; 28. Januar 1987 – 4 AZR 102/86 -) zugeordnet werden. Es ist weder festgestellt, dass der Kläger in einem Produktionsbetrieb tätig ist, noch ist ersichtlich, dass es sich bei dem von ihm an der Müllpresse verarbeiteten Verpackungsmaterial um Rückstände eines Produktionsprozesses handelt.
25
dd) Die Tätigkeit des Klägers wird schließlich nicht deshalb von der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010/2012 erfasst, weil diese Lohngruppe für alle gewerblichen Arbeitnehmer gelten soll, deren ausgeübte Tätigkeit nicht von anderen Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrags erfasst werden. Diese Auffassung des Klägers ist unzutreffend. Der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010/2012 kommt nicht die Funktion einer „Auffanglohngruppe“ zu.
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(1) Bereits durch die Nennung konkreter Tätigkeitsmerkmale in der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010/2012 – „gehören folgende Tätigkeiten“ – (ebenso für die weitere Lohngruppe 6 TV Mindestlohn 2010/2012) folgt, dass die Tarifvertragsparteien davon abgesehen haben, jede Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen des betrieblichen Geltungsbereichs der Mindestlohntarifverträge dieser Lohngruppe zuzuordnen.
27
(2) Diese Auslegung anhand des Wortlauts wird durch die Regelung in § 2 Nr. 4 TV Mindestlohn 2010 und in § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn 2012 bestätigt. Der Anspruch auf die Lohngruppe 1 TV Mindestlohn 2010/2012 steht nur denjenigen Arbeitnehmern zu, deren Tätigkeit ein näher bezeichnetes Tätigkeitsmerkmal nach § 7 RTV/RTV erfüllt. Auch diese Beschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten spricht gegen die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten eine „Auffanglohngruppe“ vereinbaren wollen.
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(3) Die Zuordnung aller ausgeübten Tätigkeiten unabhängig von den Voraussetzungen eines konkreten Tätigkeitsmerkmals kann weiterhin nicht allein aus dem Sinn und Zweck eines Mindestlohntarifvertrags abgeleitet werden. Schon wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse von tarifgebundenen Dritten, die an den Tarifvertragsverhandlungen unbeteiligt waren, kann im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Wille der Tarifvertragsparteien nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen einen Niederschlag gefunden hat (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 18; 15. Dezember 2010 – 4 AZR 197/09 – Rn. 24; 26. April 2005 – 1 ABR 1/04 – zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272).
29
In Anbetracht der Aufnahme konkreter Tätigkeitsmerkmale fehlt es an solchen Anhaltspunkten. Die Tarifvertragsparteien haben gerade davon abgesehen, einen „allgemeinen Mindestlohn“ zu vereinbaren, der vorbehaltlich günstigerer Entgeltansprüche nach anderen tariflichen Regelungen an jeden Arbeitnehmer zu leisten ist (anders etwa im Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns im Gerüstbauerhandwerk im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Februar 2013; s. auch die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gerüstbauerhandwerk – GerüstArbbV – vom 17. Juli 2013, BAnz. AT 26. Juli 2013 V1 oder im Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk vom 25. Oktober 2012; s. dazu die Siebte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk – 7. MalerArbbV – vom 24. April 2013, BAnz. AT 29. April 2013 V1).
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3. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
Creutzfeldt
Winter
Treber
Pust
Steding