| |
| Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 4 TVöD-NRW keinen Anspruch auf die begehrte Besitzstandszulage hat. Entgegen der Annahme der Revision folgt diese rechtlich zutreffende Auslegung schon aus dem Wortlaut dieser Tarifvorschrift. Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 TVöD-NRW bestätigen dies. |
|
| I. Die Kündigung der Dienstvereinbarung vom 12. Juni 2002 mit Schreiben vom 4. August 2006 zum 31. Dezember 2006 hat eine rechtswirksame Veränderung iSv. § 4 Abs. 4 TVöD-NRW bewirkt. Durch diese Kündigung war ohne einseitige Änderungsmöglichkeit der Beklagten die Rechtslage bereits neu gestaltet. Die Beklagte hatte damit das von ihr für Leistungsentgelte 2007 zusätzlich zur Verfügung zu stellende Verteilvolumen ausgehend von der nach § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA im Zeitpunkt dieser Kündigung noch weitergeltenden alten Rechtslage (vgl. BAG 7. Juli 2011 – 6 AZR 151/10 – Rn. 15, AP TVöD § 18 Nr. 2 = EzTöD 100 TVöD-AT VKA § 18 Nr. 9) wirksam auf Null festgesetzt. |
|
| 1. Die Kündigung ist eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Sie gehört zu den rechtsvernichtenden (negativen) Gestaltungsrechten. Ein Gestaltungsrecht gewährt die Macht zur Gestaltung konkreter Rechtsbeziehungen durch einseitiges Rechtsgeschäft (Seckel Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts S. 12). Durch rechtsvernichtende Gestaltungsrechte wie eine Kündigung wird im Ausübungsfall regelmäßig einseitig und unmittelbar in eine fremde rechtliche Sphäre eingebrochen (Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 110). Zwar führen einseitige Gestaltungserklärungen wie insbesondere die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses die gewollten Rechtswirkungen erst zu dem gesetzlich vorgesehenen oder individuell bestimmten Zeitpunkt herbei (BGH 9. November 2005 – VIII ZR 339/04 – Rn. 18, BGHZ 165, 75). Ihre Gestaltungswirkung tritt aber schon unmittelbar mit Zugang der einseitigen Willenserklärung, durch die sie ausgeübt werden, ein, wobei es auf die Rechtslage beim Zugang der einseitigen Willenserklärung ankommt (vgl. BAG 6. Juli 2000 – 2 AZR 513/99 – AP BGB § 125 Nr. 16; Seckel aaO S. 49). Dementsprechend ist die Ausübung von Gestaltungsrechten bedingungsfeindlich (Seckel aaO S. 49; Preis aaO S. 344). Das Gestaltungsrecht wird durch seine Ausübung verbraucht, sofern seine Voraussetzungen im Zeitpunkt der Erklärung vorgelegen haben. Die durch die Ausübung des Gestaltungsrechts eingetretene Änderung des Rechtsverhältnisses kann grundsätzlich nicht einseitig ungeschehen gemacht, dh. nicht mit rückwirkender Kraft beseitigt, sondern nur durch rechtsgeschäftliches Zusammenwirken beider Parteien rückgängig gemacht oder abgeändert werden. Unwiederholbarkeit und Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung sind die Folge der einfachen Verwirklichung des Rechts durch bloße Willenserklärung (Bötticher Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht S. 6; vgl. auch BAG 26. August 1993 – 2 AZR 159/93 – BAGE 74, 143). Zusammenfassend ist damit das Gestaltungsrecht ein subjektives Recht, dessen Ausübung einseitig und unmittelbar auf ein bestehendes Rechtsverhältnis einwirkt und dieses verändert (Creifelds Rechtswörterbuch 20. Aufl. Stichwort: „Gestaltungsrecht“). |
|
| 2. Unter Beachtung dieser rechtlichen Ausgestaltung der Kündigung als einseitiges Gestaltungsrecht hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass eine im Zeitfenster vom 1. Oktober 2005 bis zum 22. November 2006 erklärte Kündigung einer Dienstvereinbarung das Tatbestandsmerkmal einer rechtswirksamen Veränderung in § 4 Abs. 4 TVöD-NRW auch dann erfüllt, wenn die Kündigungsfrist wie im Fall der Beklagten erst nach diesem Stichtag abgelaufen ist. |
|
| a) Verändern hat den Bedeutungsgehalt „anders machen“, „umgestalten“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „verändern“ Ziff. 1; Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: „verändern“). Darunter fällt, wie ausgeführt, auch die Kündigung als einseitiges Gestaltungsrecht, das die Rechtslage verändert. |
|
| b) Rechtswirksam bedeutet „rechtsgültig“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „rechtswirksam“). Die Kündigung der Dienstvereinbarung vom 12. Juni 2002 durch die Beklagte mit Schreiben vom 4. August 2006 ist unstreitig formgerecht und wirksam erfolgt. |
|
| c) Auf die in den Tatsacheninstanzen zwischen den Parteien erörterte Frage der Nachwirkung der Dienstvereinbarung kommt es nicht an. Ohnehin hat das Landesarbeitsgericht zutreffend unter Bezug auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2010 (- 1 ABR 20/09 – Rn. 20, BAGE 135, 382) ausgeführt, dass eine Nachwirkung vorliegend ausscheidet, weil die Beklagte mit der Kündigung die Zahlung von Leistungszuschlägen vollständig und ersatzlos ab dem 1. Januar 2007 einstellen wollte. Gegen diese zutreffende Rechtsauffassung erhebt die Revision keine Rechtsangriffe. |
|
| II. Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 TVöD-NRW bestätigen diese wortlautgemäße Auslegung. Mit der Kündigung der Dienstvereinbarung vom 12. Juni 2002 am 4. August 2006 war der Vertrauenstatbestand verwirklicht, den die Tarifvertragsparteien schützen wollten. Auch das hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt. |
|
| 1. Die Tarifvertragsparteien wollten mit der Regelung des § 4 Abs. 4 TVöD-NRW den Arbeitgebern Vertrauensschutz hinsichtlich der von ihnen vor dem Stichtag getroffenen Dispositionen gewähren. In diese Dispositionen sollte durch die bezirkstarifliche Regelung des Leistungsentgelts nicht eingegriffen werden. |
|
| a) Ein solcher Vertrauensschutz war notwendig, weil die Besitzstandsregelung in § 4 Abs. 1 bis Abs. 3 TVöD-NRW zu einer dauerhaften finanziellen, über § 18 TVöD (VKA) hinausgehenden Mehrbelastung der kommunalen Arbeitgeber, die vom TVöD-NRW erfasst werden, führt. Das Leistungsentgeltvolumen des § 18 Abs. 3 Satz 1 TVöD (VKA) wird dauerhaft um den Betrag nach § 4 Abs. 1 TVöD-NRW erhöht. Dieser Mehrbetrag floss zunächst ausschließlich in die Besitzstandssicherung für die von § 4 Abs. 4 BZT-G erfassten Arbeiter, mit deren sukzessivem Abbau jedoch mehr und mehr in das allen Beschäftigten zustehende TVöD-Leistungsentgeltbudget. Dagegen war nach dem abgelösten Tarifrecht die Verteilung des Vorjahres stets nur auf ein Jahr befristet. Für das Folgejahr war über die Leistungszuschläge gemäß § 4 Abs. 4 BZT-G neu zu entscheiden. § 4 Abs. 4 BZT-G knüpfte ausdrücklich an die Leistungsfähigkeit des kommunalen Arbeitgebers an und legte nur ein Maximalvolumen von 3,5 % der Summe der Monatstabellenlöhne der Stufe 1 fest, verpflichtete aber den Arbeitgeber nicht dazu, bei nicht bestehender Leistungsfähigkeit gleichwohl Leistungszuschläge zu zahlen (BAG 21. Juli 2005 – 6 AZR 441/04 – AP BMT-G II § 20 Nr. 8). |
|
| Die tarifliche Neuregelung in § 4 Abs. 4 TVöD-NRW greift deshalb tief greifend in die Finanzen kommunaler Arbeitgeber ein. Nicht nur ist durch § 18 TVöD (VKA) erstmals verbindlich ein tarifvertragliches Leistungsentgelt für alle Beschäftigten, für das zwingend ein sukzessiv steigendes Volumen zur Verfügung zu stellen ist, eingeführt worden. Durch die landesbezirkliche Regelung ist dieses Volumen gegenüber dem Flächentarifvertrag weiter gehend um den sich aus § 4 Abs. 1 TVöD-NRW ergebenden Betrag aufgestockt worden. Zudem ist es in seiner Höhe für die kommunalen Arbeitgeber nicht mehr jährlich disponibel. Vielmehr ist das für 2006 ausgewiesene Volumen grundsätzlich verstetigt worden. Dabei war den Tarifvertragsparteien nach den insoweit übereinstimmenden Auskünften der Tarifvertragsparteien(vgl. die Auskunft des KAV NW vom 11. Januar 2010 auf S. 4 bzw. der Abteilung Tarifpolitik des ver.di Landesbezirks NRW vom 17. Dezember 2009 auf S. 1 unten) bekannt, dass in der Vergangenheit von einigen Kommunen im Rahmen von Haushaltsicherungskonzepten bereits das Verteilvolumen des § 4 BZT-G vollständig gestrichen bzw. deutlich abgesenkt worden war. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten waren die Leistungszuschläge durchweg auf der Grundlage von Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen gezahlt worden, wobei diese kollektiven Regelungen im Regelfall nur Kündigungsmöglichkeiten zum Jahresende mit einer Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten vorsahen. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Praxis den Tarifvertragsparteien unbekannt war. |
|
| b) Vor diesem Hintergrund wollten die Tarifvertragsparteien mit § 4 Abs. 4 TVöD-NRW einen rückwirkenden Eingriff in vor Ort getroffene Entscheidungen oder abgeschlossene Regelungssachverhalte bewusst vermeiden. Die Vertrauensschutzklausel des § 4 Abs. 4 TVöD-NRW sollte also, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, verhindern, dass zwischen dem 22. November 2006 und dem Zeitpunkt des Tarifabschlusses am 19. Dezember 2006 durch die Eckpunkteverständigung „vorgewarnte“ Arbeitgeber noch vollendete Tatsachen durch Kündigungen von Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen oder andere Veränderungen der Leistungszulagenregelungen schaffen konnten. Unbeachtlich waren im hier interessierenden Zusammenhang deshalb lediglich Kündigungen von Betriebsvereinbarungen, die erst nach dem 22. November 2006 erklärt wurden. |
|
| 2. Die Tarifvertragsparteien haben vor diesem tarifhistorischen Hintergrund zu Recht die Notwendigkeit gesehen, kommunale Arbeitgeber, die bereits nicht mehr einseitig umkehrbare und damit schützenswerte Dispositionen über das im Jahr 2007 für die Zahlung von Leistungszuschlägen zur Verfügung zu stellende Finanzvolumen getroffen hatten, vor den durch § 4 TVöD-NRW eintretenden, über § 18 TVöD (VKA) hinausgehenden finanziellen Belastungen zu schützen. Es mag sein, dass die Gewerkschaftsseite, anders als die Arbeitgeberseite (siehe dazu S. 4 des Rundschreibens „M“ 1/2007 des KAV NW vom 2. Februar 2007, die von der Revision unvollständig wiedergegeben wird), davon ausgegangen ist, dass diese Voraussetzungen bei Kündigungen von Dienstvereinbarungen über Leistungsentgelte nicht erfüllt waren. Nach Sinn und Zweck der Vertrauensschutzklausel war dies aber, wie ausgeführt, der Fall. |
|
| III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. |
|