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BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 17.12.2014, 5 AZR 963/12

eingetragen von Thilo Schwirtz am März 25th, 2015

Siehe auch: Urteil des 5. Senats vom 17.12.2014 – 5 AZR 962/12 –

Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 17.12.2014, 5 AZR 962/12.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. September 2012 – 5 Sa 275/11 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Vergütung der am 27. März 2011 für das Umkleiden sowie das Auf- und Abrüsten von Arbeitsmitteln aufgewendeten Zeit.
2
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Personennahverkehrs innerhalb des Konzerns der D AG. In ihrem Betrieb Nord-Ost ist der Kläger als Triebfahrzeugführer beschäftigt. Der Kläger ist der Regeleinsatzstelle P zugeordnet, erbringt seine Arbeitsleistung aber – entsprechend einer Absprache der Beklagten mit dem Betriebsrat – auch vom Bahnhof N aus.
3
Für die bei der Beklagten beschäftigten Triebfahrzeugführer gilt der Tarifvertrag für die Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen (LfTV), der ua. bestimmt:

㤠53

Beginn und Ende der Arbeitszeit

(1)
Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein Zeitverwaltungssystem durch ein Daten-Terminal zu bedienen ist.

(2)
Für Arbeitnehmer beginnt und endet die Arbeitszeit am Ort des Dienstbeginns (Schichtsymmetrie). Abweichungen davon, innerhalb der politischen Gemeinde, bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. (…)

§ 78

Unternehmensbekleidung

Unternehmensbekleidung sind im Eigentum des Arbeitnehmers stehende Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Einzelheiten werden durch Betriebsvereinbarung und/oder Konzernrichtlinie geregelt.“
4
Aufgrund einer Konzernbetriebsvereinbarung über die Ausstattung mit Unternehmensbekleidung (KBV Ubk), die im Streitzeitraum in der Fassung vom 23. Februar 2011 galt, war das Fahrpersonal (Kundenbetreuer und Triebfahrzeugführer) zum Tragen von besonderer Dienstkleidung verpflichtet. Die Beklagte verlangte von ihren Beschäftigen, dass sie bereits vollständig umgekleidet zum Arbeitsantritt in der Meldestelle erscheinen. Dabei stellte sie ihnen frei, den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle in Dienstkleidung zurückzulegen.
5
Die Beklagte hat ihrem Fahrpersonal für dienstliche Zwecke Mobiltelefone überlassen. Diese können mit einer zweiten SIM-Karte von den Arbeitnehmern für Privatgespräche genutzt werden. Dem Fahrpersonal steht es frei, ob sie Arbeitsmittel nach Dienstende mit nach Hause nehmen oder an die Arbeitgeberin zurückgeben. Die Schichtplanung geht davon aus, dass die Arbeit mit dem Eintreffen des Beschäftigten in der Meldestelle beginnt, wobei für den Aufenthalt dort und die Kenntnisnahme des Tagesplans bzw. dessen Änderungen drei Minuten vorgesehen sind (sog. Teilarbeit AU).
6
An der Regeleinsatzstelle P steht dem Kläger ein Spind zur Verfügung, in dem er Arbeitskleidung und -mittel lagern kann.
7
Im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens schlossen die Beklagte und der Betriebsrat am 18. Januar 2011 eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden BV), dessen § 2 lautet:

„Jeder von dieser Regelung erfasste Mitarbeiter erhält vor und nach jeder Schicht eine pauschale Übergangszeit von 7 Minuten Länge. Diese Übergangszeit dient der Herstellung der Dienstfähigkeit u.a. durch Empfangen, Bereitmachen und Abgeben der elektronischen Arbeits- und Kommunikationsmittel (wie MT, Handy, SD-Card, geschäftliche Zahlungsmittel, unbedruckte Fahrscheine, Zangendrucker usw.), Umkleiden etc. Diese Übergangszeit stellt weder Freizeit noch vergütungspflichtige Arbeitszeit und auch keine Arbeitszeit im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Arbeitszeit (ArbZG) dar und findet deshalb auch keinen Eingang in die Dienstschichten und Einsatzpläne.“
8
Mit der am 7. April 2011 eingereichten Klage hat der Kläger für den 27. März 2011, an dem er seine Arbeitsleistung vom Bahnhof N aus erbrachte, (weiteres) Entgelt für 14 Minuten verlangt und geltend gemacht, Umkleide- und Rüstzeiten seien vergütungspflichtig. Er hat vorgetragen, (auch) an diesem Tag vor Schichtbeginn und an dessen Ende folgende Tätigkeiten ausgeübt zu haben: Spind aufschließen und öffnen, Dienstanweisungen entnehmen und zur Kenntnis nehmen, Smartphone entnehmen und Betriebsbereitschaft herstellen, Tasche oder Rucksack entnehmen und diesen mit Arbeitsmitteln (Ersatz-Akkus und dienstliche Unterlagen) bestücken, Tasche oder Rucksack mit persönlichen Sachen (Brotdose, Getränk) bestücken, persönlich zugeteilte, mitzuführende Ausrüstungsgegenstände auf Vollständigkeit und Funktionalität prüfen, Ablegen der privaten Bekleidung und verstauen, Bluse/Hemd/Poloshirt/Strickjacke anziehen, bei Hemd Schlips binden, Hose anziehen, Weste anziehen, Arbeits- Sicherheitsschuhe putzen/reinigen und anziehen, Wetterschutzjacke/Parker anziehen, private Kleidung in Spind hängen, Spind verschließen. Bei Schichtende sei „der rückläufige Sachverhalt abzuwickeln“ gewesen. Zur Dauer der geschilderten Vorgänge hat er sich auf § 2 Satz 1 BV berufen.
9
Der Kläger hat zuletzt – nach Anregung eines Hilfsantrags durch das Landesarbeitsgericht – beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2011 zu zahlen;

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den 27. März 2011 weitere 14 Minuten auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Umkleide- und Rüstzeiten seien nicht vergütungspflichtig. Sie hat bestritten, dass der Kläger am 27. März 2011 die geschilderten Tätigkeiten verrichtet habe. Am Bahnhof N stehe ihm kein Spind zur Verfügung, der Kläger müsse bereits in Dienstkleidung zur Arbeit gekommen sein.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage – unter Zulassung der Berufung – abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe

12
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsurteil ist im Ergebnis richtig. Die Klage ist unbegründet. Die mit Haupt- und Hilfsantrag erhobenen Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.
13
I. Streitgegenständlich ist eine weitere Vergütung (hilfsweise Zeitgutschrift) für den 27. März 2011, die der Kläger darauf stützt, er habe an diesem Tag im Betrieb die in der Klage geschilderten Umkleide- und Rüsttätigkeiten entfaltet.
14
1. Ob diese zu den – bei Fehlen einer anderweitigen Vereinbarung – vergütungspflichtigen „versprochenen Diensten“ iSv. § 611 Abs. 1 BGB gehören (vgl. BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 28, BAGE 143, 107; 19. März 2014 – 5 AZR 954/12 – Rn. 18), tariflich aber – etwa durch die Regelung zu Beginn und Ende der Arbeitszeit in § 53 Abs. 1 Satz 1 LfTV – deren Vergütung ausgeschlossen ist, kann der Senat im vorliegenden Revisionsverfahren nicht entscheiden. Denn der Kläger ist am 27. März 2011 unstreitig nicht von seiner Regeleinsatzstelle P, sondern vom Bahnhof N aus tätig geworden. Dort steht ihm aber – was unstreitig ist – kein Spind zur Aufbewahrung von Arbeitskleidung und -mitteln zur Verfügung. Dem entsprechend hat das Landesarbeitsgericht, ohne dass der Kläger einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands (§ 320 ZPO) gestellt oder die Revision einen entsprechenden Angriff (§ 559 Abs. 2 ZPO) erhoben hätte, festgestellt, dass der Kläger bei einem Einsatz ab N seine Dienstkleidung und die Geräte bzw. Materialen nicht an seinem Spind in P angelegt und aufgerüstet habe. Jedenfalls hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen weder behauptet noch unter Beweis gestellt, er habe sich am 27. März 2011 zunächst zum Umkleiden von seiner Wohnung in den Bahnhof P begeben und sei erst von dort zum Arbeitsantritt nach N weitergefahren.
15
2. Die erhobenen Ansprüche folgen auch nicht aus § 2 BV. Diese Bestimmung begründet keine Vergütungspflicht unabhängig davon, ob die genannten Verrichtungen tatsächlich anfallen.
16
II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Müller-Glöge

Biebl

Weber

Reinders

Rahmstorf