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| Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat richtig entschieden. Die Klage ist begründet. |
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| I. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 90.549,64 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2006. Grundlage des Anspruchs sind die Tarifbestimmungen des § 8 Nr. 15.1 BRTV iVm. § 3 Abs. 1, § 18 VTV iVm. der AVE. Sie sind auf das Rechtsverhältnis der Parteien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 iVm. Abs. 1 AEntG vom 26. Februar 1996 in den für das Jahr 2006 geltenden Fassungen (AEntG aF) anzuwenden. Danach ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die Monate Januar 2006 bis August 2006 Urlaubskassenbeiträge zu leisten. |
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| 1. § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG aF verpflichtet einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen die Einziehung von Urlaubskassenbeiträgen übertragen ist, diese Beiträge zu leisten, soweit der Betrieb überwiegend Bauleistungen iSv. § 175 Abs. 2 SGB III aF (Geltung bis 31. März 2012; vgl. nunmehr § 101 Abs. 2 SGB III) erbringt. Die gesetzliche Erstreckung von tarifvertraglichen Normen, die aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer erfasst aber nur solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, deren Betrieb von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag des Baugewerbes erfasst wird (st. Rspr., zB BAG 17. November 2010 – 10 AZR 845/09 – Rn. 19; 26. September 2007 – 10 AZR 415/06 – Rn. 13, NZA 2007, 1442). |
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| 2. Die Beklagte fällt unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV. |
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| a) Der betriebliche Geltungsbereich ist eröffnet, weil in den als selbstständige Betriebsabteilungen anzusehenden Bereichen Fassadenbau arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter die Abschn. I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. |
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| aa) Für den Anwendungsbereich des VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV im Einzelnen genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III zusätzlich geprüft werden müssen (st. Rspr., zB BAG 14. Dezember 2011 – 10 AZR 720/10 – Rn. 14; 15. Juni 2011 – 10 AZR 861/09 – Rn. 12; 17. November 2010 – 10 AZR 845/09 – Rn. 21). Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschn. IV und V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus geprüft werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III erfüllen. |
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| bb) Der betriebliche Geltungsbereich wird durch § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 und Satz 3 VTV für den Fall erweitert, dass in einem Mischbetrieb überwiegend zwar baufremde, in einer selbstständigen Betriebsabteilung aber bauliche Leistungen der Abschn. I bis V erbracht werden. Als selbstständige Betriebsabteilung gilt auch eine bloße Gesamtheit von Arbeitnehmern außerhalb der stationären Betriebsstätte, wenn in dem Mischbetrieb die Selbstständigkeit der betreffenden Betriebsabteilung nicht festgestellt werden kann (BAG 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 21, BAGE 132, 283). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn mehrere baugewerblich tätige Arbeitnehmer in einer koordinierten Form baugewerbliche Arbeiten durchführen (BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 44/04 – zu B I 1 a bb der Gründe, BAGE 113, 247). |
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| b) Daran gemessen rechtfertigen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Annahme, dass der betriebliche Anwendungsbereich des VTV eröffnet ist. |
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| aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für eine fingierte selbstständige Betriebsabteilung iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabschn. 1 Satz 3 VTV bejaht. Es hat, ohne dass dies mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist, festgestellt, dass die Beklagte auf den Baustellen in Mü, D und H in koordinierter Form baugewerbliche Arbeiten durchgeführt hat. Die Arbeitnehmer auf den drei Baustellen wurden außerhalb einer stationären Betriebsstätte und ausschließlich bei der Errichtung der Stahlkonstruktionen, der Verbindung dieser mit dem Bauwerk und der Montage der unterschiedlichen Fassadenteile auf der jeweiligen Trägerkonstruktion eingesetzt. Nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts setzte die Beklagte bis zu 40 Arbeitnehmer pro Auftrag arbeitsteilig ein. Diese gehörten hinsichtlich der dort zu erbringenden Arbeitsleistungen zusammen und bildeten jeweils eine Einheit. Sie stellten eine Gesamtheit dar; denn sie wirkten, wie nach der Tarifregelung erforderlich, in koordinierter Form zusammen. Die komplexen und groß dimensionierten Fassadenkonstruktionen konnten nur in einer geplanten, arbeitsteiligen und genau aufeinander abgestimmten Kooperation der beteiligten Kräfte erfolgen. |
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| bb) Es handelte sich um „Fassadenbauarbeiten“ im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 12 VTV. Die eingesetzten Arbeitnehmer haben Fassaden montiert. Die Fassade ist gleichsam die schützende Außenhaut der – früher durchweg, heute mehr oder weniger rechtwinklig geordneten – Flächen und Räume eines Gebäudes (Biedermann/Möller BRTV 8. Aufl. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 12 S. 149). Fassadenbauarbeiten sind danach alle Arbeiten, die dazu bestimmt sind, die schützende Außenhaut eines Gebäudes zu schaffen (Biedermann/Möller aaO S. 150). Die moderne Betonskelettbauweise hat es zwar mit sich gebracht, dass Fassaden auch aus plattenförmigen Bauteilen ua. aus Stahlbeton, Metall, Kunststoff montiert werden. Diese Arbeiten vereinigen in sich Elemente der Abdichtung gegen Feuchtigkeit, der Wärme- und Kältedämmung, des Trockenbaus und des Zimmerergewerbes. Der Übergang zu anderen Materialien und Bauweisen nimmt dem Fassadenbau indessen nichts von seinem baulichen Charakter (Biedermann/Möller aaO S. 149). Es gibt keine Fassaden ohne Gebäude. |
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| 3. Der VTV war im fraglichen Zeitraum allgemeinverbindlich aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung iVm. § 5 TVG und § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG aF. Die Fassadenarbeiten sind nicht, wie die Beklagte meint, durch die Einschränkungen der AVE von deren Geltung ausgenommen. |
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| a) Das Landesarbeitsgericht hat für die Reichweite der AVE zutreffend auf die selbstständigen Betriebsabteilungen im tariflichen Sinne – also einschließlich der Gesamtheiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV – abgestellt. |
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| aa) Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, den Begriff der selbstständigen Betriebsabteilung in der AVE-Bekanntmachung und den dort enthaltenen Regelungen über Einschränkungen anders auszulegen als in dem Tarifvertrag selbst. Beide Regelungskomplexe stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Es ist deshalb naheliegend, die zentralen Begriffe, mit denen Rechte und Pflichten zugewiesen werden, einheitlich auszulegen. Diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck einer Einschränkung der AVE, Tarifkonkurrenzen zu vermeiden oder sie aufzulösen (vgl. BAG 29. September 2010 – 10 AZR 523/09 – Rn. 17, NZA-RR 2011, 89; 23. Juni 2004 – 10 AZR 470/03 – zu II 2 c cc der Gründe). Mit der Einschränkung einer AVE soll Rechtssicherheit für solche Betriebe hergestellt werden, bei denen sowohl die Zuordnung zum betrieblichen Geltungsbereich des VTV wie auch zu dem eines anderen Tarifvertrags möglich ist. |
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| bb) Diese Auslegung steht entgegen der Rüge der Revision nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 2005 (- 9 AZR 154/04 – AiB 2005, 697). Das Bundesarbeitsgericht stellte in dieser Entscheidung darauf ab, dass der fachliche Geltungsbereich der im Anhang zur AVE benannten Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie – im Unterschied zu § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 und Satz 2 BRTV und VTV – auf „Betriebe“ und damit nicht auf Betriebsabteilungen oder selbstständige Betriebsabteilungen abstelle. Dies ergebe sich aus Satz 1, Eingangssatz des Anhangs(BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 154/04 – zu I 2 a der Gründe, aaO). Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass in der nun maßgeblichen Fassung der Einschränkungen der AVE explizit bestimmt wird, dass als Betriebe im Sinne dieses Anhangs in jedem Fall auch selbstständige Betriebsabteilungen gelten. Die Regelung zum fachlichen Geltungsbereich war somit im Falle der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 2005 eine andere. Vor dem Hintergrund der geänderten Fassung ist für die Bestimmung der Reichweite der AVE-Einschränkungen hinsichtlich der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie nunmehr die jeweilige selbstständige Betriebsabteilung, gegebenenfalls also wie hier, die Gesamtheit von Arbeitnehmern iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV maßgeblich. |
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| b) Die Voraussetzungen der Einschränkungen der AVE nach der Ziff. I des Ersten Teils der AVE-Bekanntmachung vom 24. Februar 2006 sind nicht gegeben. Nach deren Absatz 2 wird in jedem Falle eine entsprechende Verbandsmitgliedschaft vorausgesetzt (vgl. BAG 15. Februar 2006 – 10 AZR 270/05 – Rn. 25): Die Einschränkungen gelten demnach nur, wenn der jeweilige Arbeitgeber Mitglied in einem der näher aufgeführten Arbeitgeberverbände ist oder war. Eine Verbandsmitgliedschaft hat die Beklagte nicht behauptet und das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die Zuordnung zur Berufsgenossenschaft steht einer solchen Mitgliedschaft nicht gleich. Die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft ist für das Unternehmen nach dem Bescheid vom 30. August 2001 der zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat mit der Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband nichts zu tun. |
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| c) Wegen der fehlenden Verbandsmitgliedschaft der Beklagten ist auch der Erste Teil Ziff. II der Einschränkungen der AVE nicht einschlägig. Auf die Frage, ob die Beklagte auf den Baustellen im Inland Fertigbauarbeiten ausführte, kommt es somit nicht an. |
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| d) Aus denselben Erwägungen – fehlende Verbandsmitgliedschaft – sind die Einschränkungen nach dem Ersten Teil Ziff. III Nr. 6 (Metallhandwerk) zu verneinen. |
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| e) Schließlich liegen die Voraussetzungen für eine Einschränkung der AVE nach dem Ersten Teil Ziff. IV ebenfalls nicht vor. Danach sind Arbeitgeber mit Sitz im Ausland ausgenommen, wenn die betreffenden Tätigkeiten dem Geltungsbereich bestimmter anderer Tarifverträge unterfallen. Das gilt allerdings nur, „soweit diese Tätigkeiten eine Ausnahme von den Tarifverträgen des Baugewerbes begründen“. |
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| aa) Die Beklagte hat ihren Unternehmenssitz in P/Polen. Sie ist eine ausländische Arbeitgeberin. Damit ist die erste Voraussetzung der Einschränkung erfüllt. |
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| bb) Es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung. Selbst wenn die Auffassung der Beklagten zutreffend sein sollte, dass die Fassadenarbeiten (auch) in den Bereich der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie fielen, so gehören sie doch nicht zu denjenigen Arbeiten, die eine Ausnahme von den Tarifverträgen des Baugewerbes begründen. Tätigkeiten, die eine Ausnahme von den Tarifverträgen des Baugewerbes begründen, sind in § 1 Abs. 2 Abschn. VII des VTV aufgelistet. Diese Bestimmung enthält nicht den Bereich der Metall- und Elektroindustrie. Dass die von der Beklagten auf den Baustellen durchgeführten Tätigkeiten darüber hinaus eine Ausnahme von den Tarifverträgen des Baugewerbes begründen könnten, ist nicht ersichtlich. |
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| cc) Dahinstehen kann auch, ob wegen von der Beklagten behaupteter Wärmedämmverbundsystemarbeiten der fachliche Geltungsbereich des Maler- und Lackiererhandwerks gegeben ist. Diese Arbeiten begründen ebenfalls keine Ausnahme von den Tarifverträgen des Baugewerbes. Sie fallen nicht unter § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV, wie sich aus dessen Halbs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 40 VTV ergibt. |
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| 4. Die weiteren Voraussetzungen einer Erstreckung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge liegen vor. Die Beklagte war Arbeitgeberin iSv. § 1 Abs. 1 AEntG. Sie hatte ihren Sitz in Polen und damit im Ausland und beschäftigte im Geltungsbereich der Bautarifverträge aus Polen entsandte Arbeitnehmer. |
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| II. Die Höhe der Sozialkassenbeiträge ist vom Kläger schlüssig dargelegt und von der Beklagten nicht bestritten worden. Der Anspruch auf Verzugszinsen besteht gemäß § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB, § 24 VTV seit dem 16. September 2006. Fälligkeit trat spätestens am 15. September 2006 ein (§ 22 Abs. 1 Satz 1 VTV). |
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| III. Die Kosten der erfolglosen Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last. |
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