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| A. Die zulässige Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Reisekosten zu. |
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| I. Der Anspruch folgt aus § 23 Abs. 4 TV-L iVm. § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2 Satz 1, §§ 5, 7, 8 und 9 LRKG NRW. |
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| 1. Der TV-L findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG kraft Tarifgebundenheit Anwendung. |
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| 2. Nach § 23 Abs. 4 TV-L finden für die Erstattung von Reisekosten die Bestimmungen, die für die Beamtinnen und Beamten des Arbeitgebers jeweils gelten, entsprechende Anwendung. Solche Blankettverweisungen auf beamtenrechtliche Bestimmungen (Gesetze, Verordnungen, Erlasse) in einer Tarifnorm sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig (vgl. BAG 11. September 2003 – 6 AZR 323/02 – zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 107, 272). Arbeitnehmern soll insoweit dieselbe Rechtsstellung eingeräumt werden wie den Beamten (BAG 21. November 1996 – 6 AZR 222/96 – zu II 1 der Gründe, AP BAT SR 2d § 2 Nr. 1). Die in Bezug genommenen Reisekostenvorschriften gelten aufgrund der Verweisung als tarifliche Rechtsnormen (vgl. BAG 11. September 2003 – 6 AZR 323/02 – zu I 3 der Gründe, aaO), dh. zwischen beiderseits Tarifgebundenen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Damit finden die Regelungen des LRKG NRW einschließlich der hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen und Erlasse auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Anwendung. |
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| 3. Die danach geltenden Voraussetzungen sind für den streitgegenständlichen Erstattungsanspruch erfüllt. |
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| a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 LRKG NRW hat der Berechtigte Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlassten Mehraufwendungen für genehmigte Dienstreisen (§ 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 LRKG NRW). Dazu zählen unter anderem Fahrt- und Übernachtungskosten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 4, §§ 5, 8 LRKG NRW) sowie Nebenkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, § 9 LRKG NRW), zB im Zusammenhang mit dem Besuch kostenpflichtiger Einrichtungen, und ein Tagegeld für Verpflegungsmehraufwendungen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 7 LRKG NRW). |
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| b) Die Klassenfahrt vom 22. bis zum 26. September 2008 wurde am 1. September 2007 als mehrtägige Dienstreise genehmigt. Zwischen den Parteien besteht auch kein Streit darüber, dass die Aufwendungen der Klägerin in einer Gesamthöhe von 234,50 Euro notwendig waren (vgl. § 3 Abs. 3 LRKG NRW). Wegen der teilweisen Erstattung iHv. 28,45 Euro verbleibt die streitgegenständliche Differenz iHv. 206,05 Euro. |
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| c) Die Klägerin wahrte auch die Ausschlussfristen von sechs Monaten nach § 3 Abs. 6 LRKG NRW und § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L. Sie verlangte gegenüber dem beklagten Land mit Schreiben vom 20. Januar 2009 die Erstattung dieser Reisekosten. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L für die Geltendmachung von Reisekosten überhaupt neben § 3 Abs. 6 LRKG NRW Anwendung findet. |
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| II. Unentschieden bleiben kann auch, ob der „Verzicht“ der Klägerin sie daran hinderte, einen wirksamen Antrag auf Reisekostenerstattung zu stellen. Jedenfalls ist es dem beklagten Land gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf einen solchen Verzicht zu berufen. |
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| 1. Nach § 3 Abs. 6 Satz 3 LRKG NRW können Dienstreisende vor Antritt einer Dienstreise unwiderruflich schriftlich erklären, dass sie keinen Antrag auf Reisekostenvergütung stellen. Gemäß Nr. 3.4 WRL ist für den Antrag auf Genehmigung als Schulveranstaltung und die Dienstreisegenehmigung das diesen Richtlinien als Anlage beigefügte Formblatt zu benutzen. Dort kann die Begleitperson erklären, dass die Veranstaltung, obwohl die zu zahlende Reisekostenvergütung durch entsprechende Haushaltsmittel nicht gedeckt sei, trotzdem durchgeführt werden solle, weil anspruchsberechtigte Begleitpersonen auf die Zahlung der Reisekostenvergütung verzichteten, soweit Mittel nicht zur Verfügung stünden. Einen solchen „Verzicht“ erklärte die Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Reisekosten unter Abschn. B Nr. 3 in einem von der Schule vorgelegten Formular. |
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| 2. Zwingendes Tarifrecht steht der Wirksamkeit eines solchen „Verzichts“ nicht entgegen. Gemäß § 4 Abs. 3 TVG dürfen tarifliche Ansprüche auch dispositiv gestaltet werden. |
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| 3. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dem beklagten Land sei es wegen unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung verwehrt, der Klägerin ihre Verzichtserklärung entgegenzuhalten. Dies stelle nach § 242 BGB eine unzulässige Rechtsausübung dar. |
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| a) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (vgl. BAG 9. Dezember 2009 – 10 AZR 850/08 – Rn. 34, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 318). Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab stand. |
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| b) Treuwidriges Verhalten eines Vertragspartners kann dazu führen, dass ihm die Ausübung eines ihm zustehenden Rechts zu versagen ist, wenn er sich dieses Recht gerade durch treuwidriges Verhalten verschafft hat (BGH 28. Oktober 2009 – IV ZR 140/08 – Rn. 21 mwN, NJW 2010, 289). Ob ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, muss anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (BAG 18. August 2009 – 9 AZR 517/08 – Rn. 37, AP TzBfG § 8 Nr. 28 = EzA TzBfG § 8 Nr. 24). Für eine unzulässige Rechtsausübung müssen Umstände vorliegen, die eine Rechtsausübung im Einzelfall als grob unbillige, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarende Benachteiligung erscheinen lassen, sie also zu einem schlechthin unzumutbaren Ergebnis führt (BAG 7. November 1995 – 9 AZR 541/94 – zu 4 b der Gründe mwN). Die Rechtsausübung muss als solche zu missbilligen sein, weil sie der Verfolgung eines rücksichtslosen Eigennutzes zum Nachteil des Vertragspartners dient. Allerdings ist es noch kein Missbrauch, wenn ein Berechtigter die ihm erkennbaren Interessen des anderen unberücksichtigt lässt(BAG 13. Juni 2006 – 9 AZR 423/05 – Rn. 15, BAGE 118, 262). Derjenige, der den Rechtsmissbrauch einwendet, ist für die zugrunde liegenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet (BAG 18. August 2009 – 9 AZR 517/08 – aaO). |
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| c) Diese Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bezüglich des Berufens auf die Verzichtserklärung erfüllt. Das beklagte Land verletzt damit seine Fürsorgepflicht gegenüber den bei ihm angestellten Lehrkräften. Die Revision hat insoweit keine revisiblen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufgezeigt. Das Berufungsgericht hat weder den Rechtsbegriff selbst verkannt, noch ist die Subsumtion ohne Berücksichtigung der maßgebenden Umstände erfolgt. |
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| aa) Mit der sich aus den WRL ergebenden Praxis des beklagten Landes, die an der Klassenfahrt teilnehmenden Lehrer darüber entscheiden zu lassen, ob sie auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten, damit die Schulveranstaltung stattfinden kann, führt es die Lehrer in einen unzumutbaren Interessenwiderstreit. Nach Nr. 3.3 WRL darf die Dienstreise, soweit nicht gewährleistet ist, dass Reisekostenmittel in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen, nur genehmigt werden, wenn ua. die teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer zuvor schriftlich auf die Zahlung der Reisekostenvergütung verzichten. Das beklagte Land verstößt mit dieser Koppelung treuwidrig gegen seine gegenüber den Lehrkräften bestehende Fürsorgepflicht. |
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| (1) Schulwanderungen und Schulfahrten sind Bestandteile der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen (Nr. 1 WRL). Es handelt sich um Schulveranstaltungen (Nr. 4.2 Satz 1 WRL). Deshalb sind Schülerinnen und Schüler nach § 43 Abs. 1 SchulG NRW zur Teilnahme verpflichtet. Für die Lehrerinnen und Lehrer gehört die Teilnahme gemäß Nr. 4.1 WRL zu ihren dienstlichen Aufgaben. Sie ist Gegenstand ihrer Dienstpflicht (vgl. BAG 26. April 1985 – 7 AZR 432/82 – zu II 2 der Gründe, BAGE 48, 327). Zudem muss den Lehrern im Interesse einer guten und abwechslungsreichen Unterrichtsgestaltung, zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls und des sozialen Verhaltens der Schüler daran gelegen sein, Schüler- und Klassenfahrten regelmäßig durchzuführen. Diese stellen die Fortführung des Unterrichts in anderer Form dar und dienen der Verwirklichung der staatlichen Bildungsziele (vgl. Bayerischer VGH 2. August 2007 – 14 B 04.3576 – zu 2 c aa der Gründe, ZBR 2008, 270). Das bildungsverantwortliche Land und die Schule haben deshalb grundsätzlich die zur Erfüllung dieser Bildungsziele notwendigen Mittel selbst zur Verfügung zu stellen (§ 92 SchulG NRW). |
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| (2) Mit der Übertragung der Verantwortung auf die Lehrer, einen Teil dieser Mittel selbst zu tragen oder die Verwirklichung der dem Land gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen obliegenden Bildungsaufgabe zu beeinträchtigen, bringt das beklagte Land die bei ihm angestellten Lehrer in einen unzumutbaren Gewissenskonflikt. Ihnen wird die staatliche Verantwortung für die Gestaltung eines guten und abwechslungsreichen Unterrichts aus rein fiskalischen Gründen aufgebürdet(vgl. Bayerischer VGH 2. August 2007 – 14 B 04.3576 – zu 2 c aa der Gründe, ZBR 2008, 270). |
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| bb) Auch ist die Entscheidung einer Lehrkraft, nicht auf die Erstattung der Reisekosten zu verzichten und damit die Genehmigung der Klassenfahrt zu verhindern, geeignet, ihr Verhältnis zu den betroffenen Eltern und Schülern und damit auch die pädagogische Tätigkeit zu beeinträchtigen. So ist den Schülerinnen und Schülern und deren Erziehungsberechtigten nach Nr. 2.5 WRL durch eine frühzeitige Planung Gelegenheit zu geben, die voraussichtlich entstehenden Kosten der Schulwanderung oder Schulfahrt anzusparen. Es ist naheliegend, dass dieser Personenkreis, der die entstehenden Kosten schon ganz oder teilweise angespart hat, kaum Verständnis dafür haben wird, dass die Klassenfahrt nicht stattfindet, weil die Lehrkraft nicht bereit ist, auf die Erstattung ihrer Reisekosten zu verzichten. |
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| cc) Zudem besteht für die Lehrkraft, die sich weigert, eine Verzichtserklärung abzugeben, die Gefahr eines Ansehensverlusts bei der Schulleitung. Damit lassen sich auch weitere nachteilige Auswirkungen auf die dienstliche Beurteilung der Lehrkraft nicht mit Sicherheit ausschließen. Dies hat das beklagte Land auch erkannt und deshalb in Nr. 6.3 VVzLRKG zu § 3 LRKG NRW bestimmt, dass dem Dienstreisenden, der auf die Erstattung seiner Reisekosten nicht verzichtet, keine Nachteile entstehen dürfen. Dies schützt möglicherweise vor unmittelbaren Nachteilen. Mittelbare nachteilige Auswirkungen lassen sich damit allerdings kaum vermeiden. Jedenfalls ist es verständlich, wenn sich eine Lehrkraft wegen der Gefahr solcher nachteiligen Auswirkungen gezwungen sieht, generell die verlangten Verzichtserklärungen abzugeben. |
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| 4. Der Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung steht nicht entgegen, dass tariflich gemäß § 23 Abs. 4 TV-L iVm. § 3 Abs. 6 Satz 3 LRKG NRW, Nr. 3.3 WRL ein solcher Verzicht generell zulässig ist. |
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| Tarifliche Blankettverweisungen auf Beamtenrecht sollen gewährleisten, dass der Angestellte gegenüber dem vergleichbaren Beamten gleichgestellt wird (BAG 11. Juli 2012 – 10 AZR 203/11 – Rn. 16, NZA-RR 2012, 582; 11. September 2003 – 6 AZR 323/02 – zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 107, 272). Sie sind keine unzulässige Delegation der tariflichen Rechtssetzungsbefugnis, da die Tarifvertragsparteien davon ausgehen können, dass die beamtenrechtlichen Regelungen sachgerecht sind. Denn der Staat ist gegenüber seinen Beamten zur Fürsorge verpflichtet (BAG 16. Mai 2002 – 8 AZR 426/01 – zu B II 2 b der Gründe, EzBAT BAT §§ 22, 23 M. Lehrer Nr. 103). Stellt die normativ generell zugelassene Praxis gegenüber Beamten aber eine unzulässige Rechtsausübung dar, muss dies für die auf derselben normativen Rechtsgrundlage basierende gleiche Praxis gegenüber Angestellten ebenso gelten. |
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| B. Das beklagte Land hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. |
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