BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 14.4.2015, 1 AZR 795/13
Siehe auch: Urteil des 1. Senats vom 14.4.2015 – 1 AZR 794/13 –
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 14.04.2015, 1 AZR 794/13.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. August 2013 – 11 Sa 60/13 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zahlung von 7.000,00 Euro als Abfindung an den Kläger verurteilt hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11. Dezember 2012 – 30 Ca 5214/12 – wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Nachteilsausgleich.
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Die Beklagte ist eine zum Konzern Süddeutsche Zeitung gehörende Zeitungsvertriebsgesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand bestand darin, im Gebiet der Landeshauptstadt München für die Verlage Münchner Zeitungsverlag und Süddeutsche Zeitung deren Zeitungen auszutragen und vergleichbare Dienstleistungen auszuführen. Einziger Auftraggeber war die Süddeutsche Zeitung Logistik GmbH (SZL GmbH), eine 100%ige Tochter der Süddeutsche Zeitung GmbH (SZ GmbH). Die Beklagte verfügte über drei Verteilstellen, an denen die Zusteller die Zeitungen abholten. Im Januar 2012 beschäftigte sie ca. 57 Arbeitnehmer, ua. den Kläger als Zeitungszusteller mit einem Bruttomonatsentgelt iHv. 1.000,00 Euro.
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Am 30. November 2011 kündigte die SZL GmbH den Dienstleistungsvertrag mit der Beklagten zum 29. Februar 2012. Seit dem 1. März 2012 führt die ZVM GmbH die Zustellungen aus. Die beiden Gesellschafterinnen der Beklagten – die H GmbH und die SZ GmbH – beschlossen am 12. Januar 2012, den Geschäftsbetrieb zum Ablauf des 29. Februar 2012 einzustellen und den Betrieb stillzulegen. Ab dem 1. März 2012 wurden die Zusteller nicht mehr beschäftigt. Ihnen zur Erledigung der Zustellungen übergebene Haustürschlüssel wurden über die SZL GmbH an die ZVM GmbH weitergeleitet; nach Behauptungen des Klägers übernahm die ZVM GmbH auch Tourenbücher und die Transportmittel für die Zeitungen.
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Die Beklagte informierte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 12. Januar 2012 über die beabsichtigte Betriebsstilllegung. Der Vorsitzende einer zum Gegenstand „Interessenausgleich Betriebsstilllegung“ gebildeten Einigungsstelle stellte in deren Sitzung am 27. April 2012 das Scheitern des Versuchs eines Interessenausgleichs fest. Am 24. April 2012 erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Nach Anhörung des Betriebsrats am 19. April 2012 kündigte sie am 28. April 2012 – mit Ausnahme eines schwerbehinderten Arbeitnehmers – die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter, so auch das des Klägers zum 30. September 2012. Bei dem Arbeitnehmer K beantragte sie die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung beim Integrationsamt. In dem Behördenformular „Betriebsschließung § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IX“ gab sie als Stilllegungszeitpunkt den 29. Februar 2012 an.
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Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen die Kündigung gewandt und ua. eine Stilllegung des Betriebs in Abrede gestellt; dieser sei vielmehr auf die ZVM GmbH übergegangen. Nach Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht hat er mit seiner Berufung hilfsweise einen Nachteilsausgleichsanspruch geltend gemacht. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe bereits vor dem Versuch eines Interessenausgleichs unumkehrbare Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsstilllegung getroffen. Eine solche Maßnahme liege vor allem in der Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH, die sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.
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Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt,
die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger gemäß § 113 BetrVG iVm. § 10 KSchG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu verurteilen.
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Die Beklagte hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
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Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die seine Kündigungsschutzklage abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Seinem Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs hat es entsprochen und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung iHv. 7.000,00 Euro zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung des noch anhängigen Klageantrags. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG.
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I. Die Revision ist nicht bereits wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO begründet. Es ist zwar nach der Aktenlage nicht ersichtlich, dass das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf die von beiden Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Verkündung des Urteils eingereichten Schriftsätze über die Frage einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, läge hierin ein Besetzungsfehler nach § 547 Nr. 1 ZPO. Eine Rechtsverletzung iSv. § 73 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO ist vom Revisionsgericht wegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO aber nur zu beachten, wenn die Revision (auch) auf sie gestützt wird (BAG 24. Oktober 2013 – 2 AZR 1057/12 – Rn. 13, BAGE 146, 257). Erhebt der Revisionskläger – wie hier – keine entsprechende Verfahrensrüge, kommt es auf einen möglichen Verstoß gegen § 547 Nr. 1 ZPO nicht an.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat dem mit der Berufung des Klägers angebrachten Antrag auf Nachteilsausgleich zu Unrecht entsprochen. Seine Feststellungen und Würdigungen tragen die von ihm getroffene Entscheidung nicht.
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1. Nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Unternehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG dient vornehmlich der Sicherung des sich aus § 111 Satz 1 BetrVG ergebenden Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats und schützt dabei mittelbar die Interessen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Er entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben (BAG 16. August 2011 – 1 AZR 44/10 – Rn. 9 mwN). Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gilt als Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 BetrVG ua. die Stilllegung des ganzen Betriebs.
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2. Gemessen hieran ist die angefochtene Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern.
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a) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Beklagte habe vor Beendigung der Interessenausgleichsverhandlungen mit der Betriebsstilllegung begonnen, hat es eine solche als interessenausgleichspflichtige Maßnahme nicht festgestellt. Bei der Begründung der Zurückweisung der Berufung gegen das den Kündigungsschutzantrag abweisende arbeitsgerichtliche Urteil hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen, ob ein Betriebsübergang oder eine Betriebsstilllegung vorliegt. Es hat ausgeführt, entweder ginge die Kündigung vom 28. April 2012 wegen des Übergangs des Betriebs der Beklagten am 1. März 2012 auf die ZVM GmbH ins Leere oder sie sei wegen einer Betriebsstilllegung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betriebsübergang als solcher keine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG. Er kann eine sein, wenn er sich nicht allein in dem Wechsel des Betriebsinhabers erschöpft, sondern gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, welche eines oder mehrere der Tatbestandsmerkmale des § 111 BetrVG erfüllen (vgl. BAG 11. November 2010 – 8 AZR 169/09 – Rn. 33 mwN; 25. Januar 2000 – 1 ABR 1/99 – zu B I 3 der Gründe). Hierzu verhält sich die angefochtene Entscheidung nicht.
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b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beginn der Durchführung der Betriebsänderung liege in der Kündigung des Zustellungsauftrags durch die SZL GmbH vom 30. November 2011 zum 29. Februar 2012, welche sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.
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aa) Die Pflichten der §§ 111 ff. BetrVG richten sich an den Unternehmer und setzen eine von ihm geplante Betriebsänderung voraus. Unternehmer ist der Rechtsträger des Betriebs. Nichts anderes ist bei einer (abhängigen) Konzerngesellschaft anzunehmen. Auch in einem Konzern behält das einzelne Konzernunternehmen grundsätzlich seine rechtliche Selbständigkeit. Bei einer das Unternehmen betreffenden Betriebsänderung ist dieses – und nicht das herrschende oder ein anderes konzernangehöriges Unternehmen – zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verpflichtet und damit ggf. Schuldner des Nachteilsausgleichs iSd. § 113 BetrVG (vgl. BAG 15. Januar 1991 – 1 AZR 94/90 – zu I 2 der Gründe; vgl. auch Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 113 Rn. 10 und 81 mwN). Entsprechend bleibt eine generelle (gegenseitige) „Zurechnung“ von Maßnahmen konzernzugehöriger Unternehmen außen vor.
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bb) Nichts anderes folgt für den vorliegenden Streitfall aus der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie – MERL – ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16).
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(1) Der deutsche Gesetzgeber hat Art. 1 bis Art. 3 MERL – und die inhaltsgleichen Bestimmungen der vorhergegangenen Richtlinie 75/129/EWG vom 17. Februar 1975 – durch § 17 Abs. 1 bis Abs. 3a KSchG in das nationale Recht umgesetzt (vgl. BAG 30. März 2004 – 1 AZR 7/03 – zu II 1 der Gründe, BAGE 110, 122). Die am 24. April 2012 von der Beklagten der Agentur für Arbeit angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Alle 57 Arbeitnehmer sollten entlassen werden. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG überschritten. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 KSchG nicht (ausreichend) nachgekommen ist. Der Kläger hatte dies im Zusammenhang mit seiner Kündigungsschutzklage gerügt. Das Arbeitsgericht hat näher begründet, dass die Kündigung nicht mangels notwendiger Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, § 134 BGB unwirksam ist. Die Berufungsentscheidung verhält sich hierzu – auch bei den Ausführungen zur Kündigungsschutzklage – nicht. Ungeachtet dessen könnten selbst aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG keine Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG hergeleitet werden. Eine Korrektur ist insoweit auch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung nicht veranlasst (vgl. BAG 30. März 2004 – 1 AZR 7/03 – zu II 3 der Gründe, aaO; 18. November 2003 – 1 AZR 637/02 – zu II der Gründe, BAGE 108, 311).
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(2) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht aber davon aus, dass (auch) die in § 111 Satz 1 BetrVG geregelte Pflicht des Unternehmers, in Fällen der beschriebenen Art den Betriebsrat rechtzeitig über die geplante Betriebsänderung zu informieren und sich mit ihm mit dem Ziel einer Einigung darüber zu beraten, den Pflichten des Art. 2 MERL entspricht (vgl. hierzu BAG 20. November 2001 – 1 AZR 97/01 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 377). Nach Art. 2 Abs. 1 MERL hat ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine Massenentlassung iSd. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie durchzuführen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Diese Verhandlungen haben sich nach Art. 2 Abs. 2 MERL mindestens darauf zu erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken sowie ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Es ist nach der MERL klar und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass auch in den Fällen Informations- und Konsultationspflichten ausgelöst sein können, in denen sich der Arbeitgeber nicht unmittelbar für Massenentlassungen entscheidet. Art. 2 Abs. 1 MERL ist dahin auszulegen, dass innerhalb eines Konzerns der Erlass von strategischen Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit, die den Arbeitgeber zwingen, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen, bei diesem Arbeitgeber die Pflicht zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter entstehen lässt (EuGH 10. September 2009 – C-44/08 – [Akavan Erityisalojen Keskusliitto ua.] Rn. 49). Art. 2 Abs. 4 MERL verpflichtet den Arbeitgeber zur Einhaltung der sich aus der Richtlinie ergebenden Informations- und Konsultationspflichten, wenn die Entscheidung über die Massenentlassungen nicht von ihm selbst, sondern von einem ihn beherrschenden Unternehmen getroffen wurde, und zwar selbst dann, wenn er von dieser Entscheidung nicht unverzüglich und ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt wurde (EuGH 10. September 2009 – C-44/08 – [Akavan Erityisalojen Keskusliitto ua.] Rn. 42 f.).
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(3) Hiervon ausgehend trägt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt seine Würdigung nicht, die Beklagte müsse sich die Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH als eine eigene Maßnahme zurechnen lassen. Zum einen ist die SZL GmbH kein die Beklagte beherrschendes Unternehmen. Sie ist 100%ige Tochter der SZ GmbH, die ihrerseits eine der beiden Gesellschafterinnen der Beklagten ist. Sollte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass es auf eine von der SZ GmbH getroffene Entscheidung über die Kündigung des der Beklagten erteilten Auftrags ankommt, so hat es eine solche weder festgestellt noch ergeben sich für eine Beherrschung der Beklagten durch dieses Unternehmen Anhaltspunkte. Auch der für den Nachteilsausgleich darlegungsbelastete Kläger hat sich insoweit auf eine Maßnahme der SZL GmbH – nicht der SZ GmbH – berufen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Kündigung des Zustellauftrags durch die SZL GmbH die Beklagte dazu gezwungen hat, Massenentlassungen ins Auge zu fassen.
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III. Es bedarf keiner Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif, § 563 Abs. 3 ZPO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG. Zu seinen Gunsten kann unterstellt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb eines Unternehmens mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern stillgelegt und damit eine Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 BetrVG durchgeführt hat sowie der Kläger infolge der Stilllegung entlassen worden ist. Jedenfalls hat die Beklagte mit dem Betriebsrat vor der Durchführung der Betriebsänderung einen Interessenausgleich versucht iSv. § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG.
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1. Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung erfolgt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift (BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 25/05 – Rn. 17, BAGE 118, 222). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (vgl. BAG 23. September 2003 – 1 AZR 576/02 – zu II 1 c der Gründe mwN, BAGE 107, 347).
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2. Die Beklagte hat vor dem am 27. April 2012 durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle als gescheitert festgestellten Versuch eines Interessenausgleichs keine unumkehrbaren Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsänderung ergriffen.
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a) Mit dem von ihren Gesellschafterinnen am 12. Januar 2012 gefassten Beschluss hat die Beklagte die Durchführung der Betriebsstilllegung nicht begonnen. Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats Entschlüsse zu einer Betriebsänderung zu fassen. Er darf nur ohne Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht mit deren Durchführung beginnen. § 113 Abs. 3 BetrVG sichert kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an der unternehmerischen Entscheidung, sondern nur bei deren Umsetzung. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 111 BetrVG setzen sogar voraus, dass der Arbeitgeber konkrete Planungen hinsichtlich einer Betriebsänderung hat, die den Gegenstand der zwischen den Betriebsparteien zu führenden Verhandlungen vorgeben (vgl. BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 25/05 – Rn. 19, BAGE 118, 222).
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b) Weder mit der Anhörung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Kündigungen nach § 102 BetrVG vom 19. April 2012 noch mit der Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG vom 24. April 2012 hat die Beklagte mit der Betriebsstilllegung begonnen. Die Maßnahmen dienten der Vorbereitung von Kündigungen. Sie zwingen nicht zu deren Ausspruch.
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c) In der tatsächlichen Einstellung der betrieblichen Tätigkeit am 1. März 2012 liegt gleichfalls keine unumkehrbare Maßnahme. Die bloße Einstellung einer Geschäftstätigkeit kann grundsätzlich rückgängig gemacht werden. Anders ist dies ggf. dann zu sehen, wenn ein Arbeitgeber – etwa durch die Veräußerung von Betriebsmitteln – bereits mit der Auflösung der betrieblichen Organisation beginnt (vgl. BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 25/05 – Rn. 20, BAGE 118, 222). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf die Übernahme von den Zustellern übergebenen Haustürschlüsseln, von Tourenbüchern und von Transportmitteln durch die ZVM GmbH berufen hat, liegt hierin keine endgültige Zerschlagung der betrieblichen Organisation der Beklagten. Diese – der Kündigung des Zustellauftrags geschuldeten – Maßnahmen hätten einer Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit (im Falle eines anderen Zustellauftrags) nicht entgegengestanden. Ebenso verhält es sich mit den vom Kläger behaupteten „frühzeitigen“ Kündigungen der Mietverträge hinsichtlich der drei Verteilstellen. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verteilstellen in den angemieteten Räumlichkeiten für den Fortbestand des Betriebs sowie die Möglichkeit der Weiterverfolgung des Betriebszwecks unerlässlich waren. Es kommt daher nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers hierzu in der mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen sowie sein schriftsätzliches Vorbringen hierzu nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a Satz 1 ZPO unberücksichtigt gelassen und von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a Satz 2, § 156 ZPO abgesehen hat. Ungeachtet dessen hat der Kläger hierzu auch keine Verfahrens(gegen)rügen erhoben.
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d) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte ab 1. März 2012 die Zusteller nicht mehr beschäftigt hat. In der bloßen Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern liegt keine Auflösung der Betriebsorganisation. Auch eine Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht stellt regelmäßig noch keine Durchführung der Betriebsstilllegung dar. Dies gilt jedenfalls, wenn die Freistellung jederzeit widerruflich ist (vgl. BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 25/05 – Rn. 21, BAGE 118, 222). Eine unwiderrufliche Freistellung sämtlicher – oder auch nur eines Großteils der – Arbeitnehmer vor dem Ausspruch der Kündigungen ist hier nicht ersichtlich. Der von der Beklagten bestrittene Vortrag des Klägers in seiner Revisionserwiderung, wonach mit einem Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 2012 nicht nur eine widerrufliche Freistellung erfolgt, sondern endgültig auf die Arbeitsleistung verzichtet worden sei, steht in Widerspruch zu den mit Verfahrens(gegen)rügen nicht angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Danach sind die Zusteller ab dem Zeitpunkt der Vergabe des Zeitungsvertriebsauftrags an die ZVM GmbH „nicht beschäftigt“ worden. Neuer Tatsachenvortrag hierzu ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen, § 559 Abs. 1 ZPO. Überdies wäre das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, einen Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung vor dem 28. April 2012 anzunehmen. Es fehlte an einem Vortrag zur Anzahl der unwiderruflich von ihrer Arbeitsleistung freigestellten Arbeitnehmer.
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e) Die ab dem 1. März 2012 erfolgte Ausführung des vormals der Beklagten erteilten Zeitungsvertriebsauftrags durch die ZVM GmbH lässt nicht auf die Durchführung der Betriebsstilllegung vor dem Versuch eines Interessenausgleichs schließen. Sie ist der Auftragsneuvergabe durch die SZL GmbH geschuldet. Das verkennt der Kläger, wenn er in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2007 (- 8 AZR 693/06 -) verweist. In dieser ist – einzelfallbezogen – die tatsächliche Übernahme eines Betriebsteils durch einen Dritten (in der kein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB lag) als Beginn einer Betriebsänderung gewürdigt worden. Dem lag aber eine Konstellation zugrunde, in der das interessenausgleichspflichtige Unternehmen die Entscheidung über die „Auslagerung“ des von einem anderen Unternehmen übernommenen Bereichs selbst getroffen und die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung dieser Entscheidung veranlasst hat.
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f) Auch der Verweis des Klägers auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2003 (- 10 AZR 586/02 -) zur Aufgabe und Zerstörung der Betriebsorganisation im Hinblick auf die geplante Betriebsstillegung bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse der leitenden Angestellten kündigt, ist unbehelflich. Der Kläger hat nicht einmal behauptet, dass die Beklagte vor dem Feststellen des Scheiterns der Interessenausgleichsverhandlungen durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle am 27. April 2012 leitenden Angestellten eine Kündigung ausgesprochen hätte.
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g) Schließlich vermag allein aus der Angabe der Beklagten gegenüber dem Integrationsamt bei ihrem Antrag auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitnehmers K nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht auf den tatsächlichen Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung bereits mit Ablauf des 29. Februar 2012 geschlossen zu werden. Zu diesem Zeitpunkt stellte die Beklagte ihre betriebliche Tätigkeit ein. Für einen über diesen Erklärungswert hinausgehenden Schluss auf tatsächliche Umstände gibt das Behördenformular nichts her.
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3. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Abschluss eines Interessenausgleichs ausreichend versucht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Betriebsparteien über den Abschluss eines Interessenausgleichs verhandelt haben und der Vorsitzende einer hierzu gebildeten Einigungsstelle am 27. April 2012 das Scheitern eines Versuchs des Interessenausgleichs festgestellt hat. Die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse, in denen der Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung liegt, sind erst am 28. April 2012 erfolgt.
Schmidt
Koch
K. Schmidt
Dr. Klebe
Klosterkemper