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| Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach §§ 18, 19, 22 VTV auf Zahlung der Sozialkassenbeiträge. Der Betrieb der Beklagten fällt seit dem 15. Januar 2007 nicht mehr unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Deshalb besteht auch der mit der Widerklage geltend gemachte Rückzahlungsanspruch für die ab 15. Januar 2007 geleisteten Beiträge nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. |
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| A. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Sozialkassenbeiträge für die Jahre 2008 und 2009. Der Betrieb der Beklagten wurde in diesem Zeitraum nicht vom Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen VTV erfasst. |
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| I. Die Anwendbarkeit des allgemeinverbindlichen VTV hängt davon ab, ob in den Zeiträumen Januar bis Mai 2008 sowie September 2008 bis April 2009 im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter die Abschn. I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fielen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst sowie auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Für den Anwendungsbereich des VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend ein oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. IV oder Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III VTV zusätzlich geprüft werden müssen (st. Rspr., zB BAG 15. Juni 2011 – 10 AZR 861/09 – Rn. 12; 17. November 2010 – 10 AZR 845/09 – Rn. 21; 1. April 2009 – 10 AZR 593/08 – Rn. 16 mwN). Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in Abschn. IV und Abschn. V des § 1 Abs. 2 VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus geprüft werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III erfüllen (BAG 15. Juni 2011 – 10 AZR 861/09 – Rn. 12; 17. November 2010 – 10 AZR 845/09 – Rn. 21; 15. November 2000 – 10 AZR 621/99 – zu II 2 der Gründe). |
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| Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb der Arbeitgeberin überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt der Klägerin (vgl. BAG 28. April 2004 – 10 AZR 370/03 – zu II 1 b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 264). |
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| II. Nach diesen Grundsätzen ist nicht davon auszugehen, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt wurden. |
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| 1. Der Betrieb der Beklagten erfüllte keines der Regelbeispiele des § 1 Abs. 2 Abschn. IV oder Abschn. V VTV. |
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| a) Ob bei der Erstellung von Hochfrequenzkabinen für Kernspintomographen technische Dämm-(Isolier-)Arbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 3 oder Dämm-(Isolier-)Arbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 ausgeführt werden, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil Dämm-(Isolier-)Arbeiten im Sinne der Tarifnormen ein bestehendes Substrat oder bereits bestehende Leitungen und/oder Kanäle voraussetzen, an denen Abschirmungen an- oder aufgebracht werden. |
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| b) Vom fachlichen Geltungsbereich des VTV werden jedenfalls solche Betriebe nicht erfasst, deren Dämm- oder Isolierarbeiten integrale Bestandteile des erstellten (medizinischen) Geräts sind. Dieses wird nicht isoliert, sondern erstmals hergestellt. Dabei handelt es sich auch nicht um Bautätigkeit. |
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| aa) Bauliche Leistungen umfassen alle Arbeiten, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können (vgl. BAG 15. Februar 2006 – 10 AZR 270/05 – zu II 2 c aa der Gründe mwN). Keine baulichen Leistungen liegen hingegen vor, wenn die Arbeiten an anderen, nicht zum Bauwerk gehörenden Teilen ausgeführt werden und nicht für ein Bauwerk prägend sind (vgl. zur Abgrenzung auch BAG 17. November 2010 – 10 AZR 845/09 – Rn. 30). |
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| bb) Beim Aufbau und der Montage einer Hochfrequenzkabine wird kein Bauwerk erstellt oder instandgesetzt. Die Abschirmgehäuse sind nicht Teil eines Bauwerks, wie beispielsweise ein Reinraum, sondern notwendiger und integraler Bestandteil des medizinischen Geräts „Kernspintomograph“. Tomograph und Hochfrequenzkabine bilden eine notwendige technische Einheit. Zwar dient die Hochfrequenzkabine auch der Abschirmung, nämlich der Abschirmung des Geräts gegen äußere Einflüsse einerseits und der Abgabe von elektromagnetischen Wellen des Geräts andererseits. Im Vordergrund steht jedoch die Funktionsfähigkeit des Kernspintomographen. Die Hochfrequenzkabine ist in erster Linie notwendige Voraussetzung für die Inbetriebnahme des medizinischen Geräts. Ohne ein Abschirmgehäuse lassen sich die Signale aus dem menschlichen Körper nicht erfassen. Das „Gehäuse“, der Faraday’sche Käfig, ist notwendiger Bestandteil des medizinischen Geräts und nicht eigenständiges Bauwerk oder Bestandteil des Gebäudes. Ohne die Hochfrequenzkabine funktioniert der Tomograph nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Hochfrequenzkabine damit kein Teil des Gesamtbauwerks „Krankenhaus“. |
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| c) Da die Beklagte keine „baulichen“ Leistungen erbringt, führt sie auch keine Trocken- und Montagebauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV aus. Die Montagearbeiten an einer Hochfrequenzkabine führen nicht ein Bauwerk, sondern einen Kernspintomographen seinem bestimmungsgemäßen Zweck zu. Deshalb kann dahinstehen, ob durch den Aufbau und die Montage der Kabinenwände die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 erfüllt werden, nach denen Trockenbaumontage bedeutet, industriell hergestellte Fertigteile – vor allem plattenförmig vorgefertigte, nicht mehr wesentlich veränderte Bauteile verschiedener Materialien – zu montieren (BAG 15. Juni 2011 – 10 AZR 861/09 – Rn. 15; 15. Februar 2006 – 10 AZR 270/05 – Rn. 15; 23. Oktober 2002 – 10 AZR 225/02 – zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 255 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 115). |
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| 2. Da im Betrieb der Beklagten keine baulichen Leistungen iSd. VTV erbracht werden, sind auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. I bis III VTV nicht erfüllt. |
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| Gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. II werden nur solche Betriebe vom VTV erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Auch daran fehlt es im Streitfall. |
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| B. Die Widerklage der Beklagten ist begründet. |
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| I. Der Beklagten steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der für 2007 geleisteten Sozialkassenbeiträge nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Diese Beiträge hat die Beklagte ohne Rechtsgrund gezahlt, da sie nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und den Erklärungen der Prozessparteien im Termin vom 14. Dezember 2011 ab Januar 2007 arbeitszeitlich überwiegend nur noch Hochfrequenzkabinen für Kernspintomographen erstellt und damit keine beitragspflichtigen baulichen Leistungen mehr erbracht hat. |
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| II. Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 288 Abs. 2, § 291 BGB iVm. §§ 253, 261 ZPO. |
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| C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. |
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