BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 11.11.2014, 3 AZR 117/13
Betriebliche Altersversorgung – Betriebsrentenanpassung – Anpassungsstichtag
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Revision des Klägers – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2012 – 20 Sa 40/12 – teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2012 – 18 Ca 7158/11 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2011.
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Der im Februar 1944 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. März 2004 bezieht er Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iHv. zunächst 2.079,94 Euro monatlich. Die Beklagte – ein Unternehmen der Fotoindustrie – führt die Anpassungsprüfungen für die laufenden Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ihrer insgesamt 2.466 Versorgungsempfänger gebündelt zum 1. Januar eines Jahres durch und passte die Betriebsrente des Klägers erstmalig zum 1. Januar 2008 auf 2.213,68 Euro an. Zum 1. Januar 2011 lehnte sie eine Anpassung der Betriebsrenten unter Berufung auf ihre eigene wirtschaftliche Lage und die des Mutterkonzerns E ab.
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Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Ablehnung der Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2011 gewandt und eine monatliche Erhöhung seiner Betriebsrente um 119,60 Euro begehrt. Er hat geltend gemacht, die Anpassungsentscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerhaft. Die wirtschaftlichen Probleme des amerikanischen Mutterkonzerns würden sich nicht auf die Beklagte auswirken. Maßgeblich seien vielmehr die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten im Zeitpunkt der Anpassungsentscheidung. Sie habe stets Gewinne erzielt. Die Beklagte könne sich nicht auf eine unzureichende Eigenkapitalrendite berufen. Die Zahlen der Jahre 2008 bis 2010 seien unzutreffend. Es sei deshalb von einer ausreichenden Eigenkapitalrendite in den Jahren 2008 bis 2010 auszugehen.
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Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.913,60 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den 119,60 Euro brutto entsprechenden Nettobetrag zu zahlen, jeweils monatlich im Voraus, erstmals ab dem 1. Februar 2011 und letztmals seit dem 1. Mai 2012,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn über die monatliche Betriebsrente iHv. 2.213,68 Euro brutto hinaus weitere 119,60 Euro brutto monatlich zu zahlen, erstmals zum 31. Mai 2012.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1. iHv. 1.913,60 Euro brutto zuzüglich Zinsen ab Rechtskraft der Entscheidung für die rückständigen Beträge von Januar 2011 bis April 2012 sowie dem Klageantrag zu 2. ab Mai 2012 entsprochen und die Klage im Übrigen (hinsichtlich der Zinsen vor Rechtskraft der Entscheidung) abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Klage lediglich in Höhe einer monatlichen Differenz von 82,68 Euro brutto für begründet gehalten. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter, während der Kläger mit seiner Revision die antragsgemäße Verurteilung der Beklagten erstrebt. Beide Parteien begehren die Zurückweisung der Revision der jeweils anderen Partei.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet, die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die Klage ist unbegründet.
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I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise entsprochen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2011. Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht verpflichtet, zum 1. Januar 2011 zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte. Schon deshalb ist die Klage unbegründet.
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1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Diese wäre – ausgehend vom Rentenbeginn des Klägers am 1. März 2004 – am 1. März 2007, am 1. März 2010 und am 1. März 2013 vorzunehmen gewesen.
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2. Allerdings hatte die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zum 1. Januar eines Jahres gebündelt und die Anpassung der Betriebsrente des Klägers erstmalig zum 1. Januar 2008 geprüft. Daraus würde sich für den Kläger der 1. Januar 2011 als weiterer Prüfungstermin ergeben. Jedoch hat die erste Anpassungsprüfung zum 1. Januar 2008 zu spät stattgefunden. Aufgrund der Bündelung der Anpassungsprüfungen hätte die Beklagte die Betriebsrente des Klägers bereits zum 1. Januar 2007 und 1. Januar 2010 prüfen müssen.
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a) Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen; die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig (vgl. BAG 11. Oktober 2011 – 3 AZR 527/09 – Rn. 18 mwN, BAGE 139, 252). Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögern (vgl. BAG 30. November 2010 – 3 AZR 754/08 – Rn. 49 mwN).
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b) Der Kläger bezieht seit dem 1. März 2004 eine Betriebsrente. Diese wurde erstmals zum 1. Januar 2008 erhöht. Hieraus würde sich der weitere Anpassungsstichtag 1. Januar 2011 ableiten. Diese Handhabung verstößt jedoch gegen § 16 Abs. 1 BetrAVG, da die Anpassung der Betriebsrente des Klägers aufgrund der Bündelung aller Anpassungsprüfungen im Unternehmen der Beklagten zum 1. Januar eines Jahres spätestens am 1. Januar 2007 und nicht erst zum 1. Januar 2008 hätte erfolgen müssen und von dieser Anpassungsprüfung an alle drei Jahre zum 1. Januar des jeweiligen Jahres.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats darf durch eine Bündelung der Prüfungstermine im Unternehmen hinsichtlich der ersten Anpassungsprüfung höchstens eine Verzögerung um sechs Monate eintreten (vgl. BAG 30. November 2010 – 3 AZR 754/08 – Rn. 49; 25. April 2006 – 3 AZR 50/05 – Rn. 50; 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 115, 353). Dahinter steht der Gedanke, dass durch den höchstens um sechs Monate verzögerten Zeitpunkt der erstmaligen Anpassungsprüfung dem Versorgungsempfänger keine wesentlichen Nachteile entstehen. Die erstmalige Anpassungsprüfung wird nur um wenige Monate verzögert und typischerweise wird dabei ein höherer Kaufkraftverlust zugunsten des Versorgungsempfängers bereits ausgeglichen. Ließe man aber noch weitere Verzögerungen zu, so führte dies dazu, dass sich die durch die Bündelung eintretenden Vorteile für die Versorgungsempfänger zu Nachteilen verkehren, etwa weil sich möglicherweise die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners ungünstig verändert hat. Ausgangspunkt der Betrachtung muss die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 1 BetrAVG bleiben und danach hat die Anpassungsprüfung alle drei Jahre zu erfolgen.
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c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der Anpassungsprüfungsstichtag nicht zur Disposition des Versorgungsempfängers. Bereits die vom Senat zugelassene Bündelung der Prüfungstermine weicht vom gesetzlich grundsätzlich vorgesehenen Rhythmus ab. In Anwendung des Gesetzes wird dieser Rhythmus abgeändert und mit dem im Gesetz vorgesehenen dreijährigen Prüfungsturnus an nahe am jeweiligen Rentenbeginn liegende Daten angeknüpft. Diese Möglichkeit über das bisherige Maß hinaus auszudehnen, ist nicht geboten und könnte für die Versorgungsempfänger zu den geschilderten Nachteilen führen. Eine Abweichung ist deshalb auch nicht mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten möglich (§ 17 Abs. 3 BetrAVG).
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d) Auch § 242 BGB gebietet vorliegend kein anderes Ergebnis. Zwar hat die Beklagte zum 1. Januar 2008 die Anpassung der Betriebsrente des Klägers geprüft und auch vorgenommen sowie zum 1. Januar 2011 eine Anpassung der Betriebsrente neuerlich geprüft und dann abgelehnt. Dies führt jedoch nicht zu einer Verschiebung des von Gesetzes wegen vorgegebenen Anpassungsprüfungsstichtags. Das Gebot von Treu und Glauben dient nicht dazu, eine Abweichung von der gesetzlichen Systematik zu ermöglichen. Der Kläger konnte ohne Weiteres sein Verlangen bezogen auf den richtigen Anpassungsstichtag stellen.
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e) Entgegen der Auffassung des Klägers im Schriftsatz vom 7. November 2014 kann sein Klagebegehren auch nicht dahin verstanden werden, dass er eine Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2010 verlangt hat, jedoch die hieraus möglicherweise folgenden Anpassungsforderungen erst ab dem 1. Januar 2011 begehrt. Der Kläger hat stets und ausschließlich eine Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2011 geltend gemacht. Zu keinem Zeitpunkt hat er sich in den Vorinstanzen darauf berufen, die Beklagte hätte bereits zum 1. Januar 2010 seine Betriebsrente anpassen müssen. Das Landesarbeitsgericht hat zudem in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2012 auf das Problem des falschen Anpassungsprüfungsstichtags hingewiesen. Der Klägervertreter hat hierauf erklärt, dass man dies dem Kläger nicht anlasten könne und dieser die falsche Praxis der Beklagten im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits akzeptiere, jedoch nicht erklärt, er wolle Rechte aus einer unterbliebenen Anpassung zu einem früheren Stichtag geltend machen.
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Dem Kläger ist es in der Revision verwehrt, den Zahlungsanspruch auf eine Anpassungspflicht zu einem früheren Termin zu stützen. Insoweit liegt ein anderer Streitgegenstand vor. Nach der gesetzlichen Systematik ist die Anpassungsprüfung und -entscheidung stichtagsbezogen vorzunehmen. Ob sie billigem Ermessen entspricht, ist bezogen auf die zum Stichtag vorliegenden Daten und die zu diesem Zeitpunkt mögliche Prognose zu beurteilen (vgl. etwa BAG 10. Oktober 2011 – 3 AZR 527/09 – Rn. 32, BAGE 139, 252). Eine zu einem früheren Stichtag bestehende Anpassungspflicht ergibt sich deshalb aus einem anderen Lebenssachverhalt, der nicht Gegenstand einer auf einen späteren Anpassungsstichtag gestützten Anpassungsforderung und ihrer gerichtlichen Geltendmachung ist.
18
f) Die Klage war daher von Anfang an unschlüssig. Zum 1. Januar 2011 konnte der Kläger eine Anpassung seiner Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht verlangen. Da die Klage nicht schlüssig war, ist es unerheblich, dass die Beklagte sich im gesamten Rechtsstreit nicht darauf berufen hat, dass der 1. Januar 2011 der falsche Prüfungsstichtag ist, bzw. selbst diesen unzutreffenderweise als richtigen Prüfungsstichtag angesehen hat.
19
g) Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur Ermöglichung einer Klageänderung scheidet aus. Jedenfalls hätte der Kläger, nachdem der rechtliche Gesichtspunkt des richtigen Anpassungsstichtags vor dem Landesarbeitsgericht erörtert wurde, einen Hilfsantrag stellen können, der eine Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2010 zum Gegenstand hat.
20
II. Die Revision des Klägers ist schon deshalb unbegründet, weil er keinen Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zum 1. Januar 2011 hat.
21
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Zwanziger
Spinner
Ahrendt
Wischnath
C. Reiter