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BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 8.12.2011, 6 AZN 1371/11

eingetragen von Thilo Schwirtz am Januar 11th, 2012

Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung – Wartezeit

Leitsätze

1. Der in Art. 30 GRC geregelte Schutz von Arbeitnehmern vor ungerechtfertigter Entlassung ist nach nationalem Recht für Arbeitnehmer während der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG dadurch gewährleistet, dass von den Gerichten für Arbeitssachen überprüft wird, ob die Kündigung gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 Abs. 1 BGB) oder ob sie Treu und Glauben (§ 242 BGB) aus Gründen verletzt, die nicht von § 1 KSchG erfasst sind.

2. Nach der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neuregelung des Revisionszugangs zum Bundesarbeitsgericht zählen Landesarbeitsgerichte, die die Revision bzw. die Rechtsbeschwerde nicht zulassen, aufgrund der Möglichkeit, die Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung einer Frage des Unionsrechts zu stützen, nicht mehr zum Kreis der vorlagepflichtigen Gerichte iSv. Art. 267 Abs. 3 AEUV.

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Freiburg – vom 5. Juli 2011 – 22 Sa 11/11 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 11.880,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1
I. Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG erklärten ordentlichen Kündigung sowie über die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers und zur Abänderung des dem Kläger erteilten Zeugnisses.
2
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage, wegen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie wegen Vorliegens des absoluten Revisionsgrundes der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
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1. Die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zuzulassen.
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a) Gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage geltend gemacht wird, die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. In der Regel ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer die durch die anzufechtende Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret benennt (BAG 14. April 2005 – 1 AZN 840/04 – BAGE 114, 200). Die Beschwerde ist begründet, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt, diese Rechtsfrage durch das Revisionsgericht klärungsfähig und klärungsbedürftig ist und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder sie wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (vgl. BAG 17. Oktober 2001 – 4 AZN 326/01 – zu II 1 der Gründe mwN, EzBAT BAT §§ 22, 23 B. 1 Allgemeiner Verwaltungsdienst VergGr. IIa Nr. 11a). Eine Rechtsfrage ist klärungsfähig, wenn sie vom Revisionsgericht beantwortet werden kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist (BAG 14. April 2005 – 1 AZN 840/04 – aaO; 22. März 2005 – 1 ABN 1/05 – BAGE 114, 157). Eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft, ist unzulässig. Es muss eine konkrete Rechtsfrage benannt sein, die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden könnte (BAG 23. Januar 2007 – 9 AZN 792/06 – BAGE 121, 52). Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts von ihr abhing.
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b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
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aa) Der Kläger will die Frage geklärt haben, ob eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen einer aufgrund eines Arbeitsunfalls eingetretenen Arbeitsunfähigkeit auch dann noch ohne weiteres möglich ist, wenn dieser Arbeitsunfall durch ein (gravierendes) Verschulden des Arbeitgebers aufgrund der Verletzung seiner ihm obliegenden Sorgfalts- und Fürsorgepflichten hervorgerufen worden ist, oder ob die Kündigung sittenwidrig bzw. treuwidrig ist. Damit hat der Kläger keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung so konkret formuliert, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Bereits angesichts der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen bei der schuldhaften Verletzung von Sorgfalts- und Fürsorgepflichten durch Arbeitgeber ist eine eindeutige Antwort nicht möglich. Außer dem Grad des Verschuldens des Arbeitgebers können zB bereits entstandene oder prognostizierte Fehlzeiten des Arbeitnehmers sowie eine dadurch bedingte Beeinträchtigung betrieblicher Interessen von Bedeutung sein, so dass die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Frage von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt. Während ein vom Arbeitgeber vorsätzlich herbeigeführter Unfall des Arbeitnehmers mit nachfolgender Arbeitsunfähigkeit eine Kündigung des Arbeitgebers wegen der Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht rechtfertigen dürfte (vgl. BAG 8. Juni 1972 – 2 AZR 285/71 – AP KSchG 1969 Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Nr. 24), verstößt eine vom Arbeitgeber während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses erklärte Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers regelmäßig nicht gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) oder den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn den Arbeitgeber kein oder nur ein geringes Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers trifft und nicht feststeht, ob und gegebenenfalls wann der Arbeitnehmer die ihm obliegende Tätigkeit wieder ausüben kann.
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bb) Soweit der Kläger unter Hinweis auf Art. 30 GRC rügt, das Landesarbeitsgericht hätte die Sittenwidrigkeit bzw. Treuwidrigkeit der Kündigung nicht ohne vorherige Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV verneinen dürfen, verkennt er, dass die Fragen der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und der Treuwidrigkeit im Sinne von § 242 BGB nicht den für ein Vorabentscheidungsersuchen erforderlichen Bezug zu einem durch Unionsrecht geregelten Sachverhalt aufweisen.
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(1) Nur wenn ein konkreter Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der Gegenstand des Rechtsstreits eine Anknüpfung an das Unionsrecht aufweist, kommt ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV in Betracht (vgl. EuGH 18. Dezember 1997 – C-309/96 – [Annibaldi] Slg. 1997, I – 7493). Unterfällt ein Sachverhalt nicht dem Unionsrecht und geht es auch nicht um die Anwendung nationaler Regelungen, mit denen Unionsrecht durchgeführt wird, ist der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zuständig (EuGH 1. März 2011 – C-457/09 -). Die Zuständigkeit des Gerichtshofs beschränkt sich auf die Prüfung der Bestimmungen des Unionsrechts (EuGH 12. November 2010 – C-339/10 – [Asparuhov Estov ua.]).
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers weist der Kündigungssachverhalt keinen Bezug zum Unionsrecht auf. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht im Rahmen einer Massenentlassung oder eines Betriebsübergangs gekündigt, so dass eine Anknüpfung an die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen oder an die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen von vornherein ausscheidet. Anknüpfungspunkte an das Unionsrecht liegen auch nicht bezüglich der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, der Richtlinie 89/654/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten (Erste Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) oder der Richtlinie 95/63/EG des Rates vom 5. Dezember 1995 zur Änderung der Richtlinie 89/655/EWG über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) vor. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Wartezeitkündigung und nicht über die Auslegung von unionsrechtlichen Bestimmungen, die die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer schützen.
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(3) Die Grundrechte des Grundgesetzes bilden eine objektive Werteordnung, aus der sich Schutz- und Handlungsaufträge des Staates ergeben können, deren Erfüllung eine inhaltliche Anreicherung unbestimmter Begriffe des einfachen Rechts durch die Rechtsprechung erfordern kann, wie etwa bei der Gewinnung von Kündigungsschutz aus § 242 BGB für nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasste Arbeitnehmer (vgl. BVerfG 21. Juni 2006 – 1 BvR 1659/04 – NZA 2006, 913; 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169; ErfK/Wißmann 12. Aufl. Vorbemerkung zum AEUV Rn. 6). Ein Arbeitnehmer ist nach nationalem Recht auch während der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. In dieser Zeit ist das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses allerdings dadurch beschränkt, dass er mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Nachweis von Gründen rechnen muss (vgl. BAG 22. April 2010 – 6 AZR 828/08 – Rn. 41, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 1 Wartezeit Nr. 3). In der Wartezeit erfolgt grundsätzlich nur eine Missbrauchskontrolle (BVerfG 21. Juni 2006 – 1 BvR 1659/04 – Rn. 17 f., BVerfGK 8, 244). Auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben verstößt eine Kündigung in der Wartezeit deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Eine solche Kündigung ist nicht willkürlich, wenn für sie ein irgendwie einleuchtender Grund besteht (vgl. zu den diesbezüglich zu beachtenden Grundsätzen im Einzelnen BAG 24. Januar 2008 – 6 AZR 96/07 – Rn. 27 f., EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 7).
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(4) Im Vergleich zu den Grundrechten des Grundgesetzes fehlt der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (GRC) ein solcher umfassender und damit auch tendenziell expansiver Charakter (ErfK/Wißmann 12. Aufl. Vorbemerkung zum AEUV Rn. 6). Die Charta gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 „für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“(EuGH 12. November 2010 – C-339/10 – [Asparuhov Estov ua.]). Nach Art. 6 Abs. 1 EUV, der ihr verbindlichen Charakter verleiht, und nach der Erklärung der GRC im Anhang zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den Vertrag von Lissabon angenommen hat, begründet die GRC keine neuen Zuständigkeiten für die Union und ändert deren Zuständigkeiten nicht (EuGH 12. November 2010 – C-339/10 – [Asparuhov Estov ua.]). Art. 51 Abs. 2 GRC, wonach die GRC den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus ausdehnt und weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union begründet noch die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben ändert, stellt dies nochmals klar. Art. 30 GRC, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung hat, ändert somit nichts daran, dass nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts die §§ 138, 242 BGB keine Durchführung einer europäischen Richtlinie darstellen (vgl. Willemsen/Sagan NZA 2011, 258, 259) und auch keine sonstigen Anknüpfungspunkte an das Unionsrecht aufweisen.
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cc) Mit der Rüge, es sei nicht nachvollziehbar, dass das Landesarbeitsgericht die Negierung von Arbeitsschutzvorschriften durch die Beklagte nur als einfache Fahrlässigkeit qualifiziert habe, macht der Kläger eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht geltend. Eine solche eröffnet nicht die Revision. Möglichen Rechtsanwendungsfehlern eines Berufungsgerichts kann vom Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht nur im Rahmen einer zulässigen Revision nachgegangen werden.
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2. Ohne Erfolg macht der Kläger das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 547 Nr. 1 ZPO geltend. Diesen Revisionsgrund hat er entgegen § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG nicht dargelegt. Der Kläger bringt vor, das Landesarbeitsgericht hätte über die Auslegung der nationalen Vorschriften des § 1 KSchG, des § 138 BGB und des § 242 BGB im Lichte des Art. 30 GRC sowie des Verstoßes der Beklagten gegen die Richtlinien 89/391/EWG sowie 95/63/EG nicht selbst entscheiden dürfen, was einen Entzug des gesetzlichen Richters bedeute. Es trifft zwar zu, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt ist, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV (vormals Art. 234 EG) nicht nachkommt, und die Vorlagepflicht in verfassungswidriger Weise gehandhabt wird, wenn ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hat (BVerfG 25. Februar 2010 – 1 BvR 230/09 – NZA 2010, 439). Jedoch war das Landesarbeitsgericht ungeachtet des fehlenden gemeinschaftsrechtlichen Bezugs bei der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB und des § 242 BGB auch deshalb nicht zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts mit einer auf die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage gestützten Nichtzulassungsbeschwerde und damit noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV angefochten werden konnte (vgl. ErfK/Wißmann 12. Aufl. Art. 267 AEUV Rn. 28, 29). Die Nichtzulassungsbeschwerde war nach § 72a und § 92a ArbGG nur in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung kein Rechtsmittel im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV, weil sie anders als jetzt gemäß § 72a und § 92a ArbGG nF weder auf die grundsätzliche Bedeutung einer Frage des Unionsrechts noch auf einen Verfahrensmangel gestützt werden konnte und der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zu den divergenzfähigen Gerichten gehört. Die Neuregelung hat der Auffassung, dass Landesarbeitsgerichte, die die Revision bzw. die Rechtsbeschwerde nicht zulassen, zu den vorlagepflichtigen Gerichten gehören (vgl. BVerfG 13. Juni 1997 – 1 BvR 2102/95 – AP GG Art. 101 Nr. 52 = EzA EWG-Vertrag Art. 177 Nr. 1), die Grundlage entzogen(ErfK/Wißmann 12. Aufl. Art. 267 AEUV Rn. 28, 29).
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3. Die Beschwerde ist auch unbegründet, soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt.
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a) Das Grundgesetz sichert rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG. Dieses garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere gewährleistet das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG, dass die Parteien mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und darauf beruhe die Entscheidung.
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Das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG verlangt grundsätzlich nicht, dass ein Gericht vor seiner Entscheidung auf eine Rechtsauffassung hinweist, die es seiner Entscheidung zugrunde legen will(BVerfG 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – zu II 1 der Gründe, BVerfGE 84, 188). Allerdings kann dies im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG in besonderen Fällen geboten sein (BVerfG 8. Juli 1997 – 1 BvR 1934/93 – zu C II 3 der Gründe, BVerfGE 96, 189). Gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstößt es, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG 7. Oktober 2003 – 1 BvR 10/99 – zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 108, 341). Dies kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen.
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b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger bringt vor, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den nach § 139 Abs. 2 ZPO gebotenen Hinweis unterlassen habe, dass es im Rahmen des geltend gemachten Zeugnisberichtigungsantrags weiteren substantiierten Vortrag für erforderlich halte. Zu der tragenden Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Arbeitgeber komme im Rahmen des Grundsatzes der Zeugniswahrheit und des Gebots der Zeugnisklarheit grundsätzlich die „Formulierungshoheit“ zu, verhält sich die Rüge des Klägers damit nicht. Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung auf seinen Vortrag im Schriftsatz vom 25. März 2011 hinweist, hat er die Entscheidungserheblichkeit des unterlassenen Hinweises des Landesarbeitsgerichts nicht dargelegt. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, angesichts der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses sei die Beklagte berechtigt gewesen, keine Angaben zur Leistungsbewertung des Klägers vorzusehen. Im Übrigen hat der Kläger in der Beschwerde keine neuen Tatsachen vorgetragen, die möglicherweise zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hätten führen können. Sein Beschwerdevorbringen zu dem von ihm geltend gemachten Zeugnisberichtigungsanspruch erschöpft sich in Rechtsausführungen.
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III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Fischermeier
Brühler
Spelge
Uwe Zabel
Matiaske