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BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 15.2.2012, 7 ABN 74/11

eingetragen von Thilo Schwirtz am April 12th, 2012

Erledigung einer Nichtzulassungsbeschwerde – erledigendes Ereignis – Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses – Anfechtung einer Betriebsratswahl

Tenor

Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird eingestellt.

Gründe

1
I. Die Antragsteller haben den Antrag verfolgt, die im März 2010 durchgeführte Wahl des Betriebsrats in der aufgrund eines Tarifvertrags zusammengefassten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit der zu 24. bis 27. (vormals 24. bis 29.) beteiligten Arbeitgeberinnen für unwirksam zu erklären. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Mit seiner Beschwerde hat der Betriebsrat die Zulassung der Rechtsbeschwerde begehrt. Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wurde – nach Rücktritt des Betriebsrats – eine neue Betriebsratswahl durchgeführt. Der Betriebsrat hat daraufhin die Nichtzulassungsbeschwerde für erledigt erklärt. Die zu 24., 25. und 27. beteiligten Arbeitgeberinnen haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen; die zu 26. beteiligte Arbeitgeberin hat keine Erklärung abgegeben. Die Antragsteller haben sich der Erledigungserklärung ausdrücklich nicht angeschlossen.
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II. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist auf die Erledigterklärung des Betriebsrats in entsprechender Anwendung des § 83a Abs. 2 ArbGG einzustellen. Es ist ein erledigendes Ereignis eingetreten.
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1. Die Erklärung des Betriebsrats mit Schriftsatz vom 18. November 2011, das „Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren“ werde für „erledigt“ erklärt, kann entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht als Rücknahme der Beschwerde gewertet werden. Hiergegen spricht schon der eindeutige Wortlaut der Erklärung. Grundsätzlich kann Gegenstand einer Erledigterklärung – insbesondere bei einem anzuerkennenden besonderen Bedürfnis wie im vorliegenden Fall – nicht nur die Hauptsache, sondern auch ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf sein (vgl. BAG 20. Dezember 2007 – 9 AZR 1040/06 – Rn. 8 mwN, BAGE 125, 226; BGH 11. Januar 2001 – V ZB 40/99 – zu II 1 a der Gründe, NJW-RR 2001, 1007).
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2. Bei einer einseitigen Erledigterklärung durch den Antragsteller ist ein Beschlussverfahren in entsprechender Anwendung des § 83a Abs. 2 ArbGG einzustellen, wenn ein erledigendes Ereignis eingetreten ist (vgl. BAG 8. Dezember 2010 – 7 ABR 69/09 – Rn. 8 mwN, EzA ArbGG 1979 § 83a Nr. 9). Dies gilt auch bei einer auf das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bezogenen Erledigterklärung des Beschwerdeführers, der sich die anderen Beteiligten nicht anschließen.
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3. Ein erledigendes Ereignis ist eingetreten.
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a) Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde eingetreten sind und dazu führen, dass sich das Begehren der Zulassung der Rechtsbeschwerde jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet erweist.
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b) Das ist hier der Fall. Die auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht – mehr – zulässig. Dem Betriebsrat fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die erstrebte Zulassung des Rechtsmittels.
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aa) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht kann nach § 92a Satz 1 ArbGG durch Beschwerde selbständig angefochten werden. Wie jeder Rechtsbehelf bedarf auch eine Nichtzulassungsbeschwerde des Rechtsschutzbedürfnisses. Dieses setzt voraus, dass der Nichtzulassungsbeschwerdeführer durch die anzufechtende Entscheidung beschwert ist. Entfällt die mit der anzufechtenden Entscheidung verbundene Beschwer während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, entfällt auch das Rechtsschutzbedürfnis für die weitere Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde.
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bb) Vorliegend ist das Rechtsschutzbedürfnis des Betriebsrats zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entfallen. Nach seinen eigenen Angaben wurde ein neuer Betriebsrat gewählt. Nachdem Neuwahlen stattgefunden haben und deren Ergebnis – jedenfalls nach den Angaben des Betriebsrats – bekannt gegeben worden ist, wäre eine zugelassene Rechtsbeschwerde zwar allemal „erfolgreich“. Der Wahlanfechtungsantrag wäre, sofern ihn die Antragsteller nicht zurücknehmen oder für erledigt erklären würden, mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abzuweisen. Die Rechtsposition des Betriebsrats würde sich hierdurch aber nicht verbessern. Durch die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wurde der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gemäß § 92a Satz 2 ArbGG iVm. § 72a Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 6 ArbGG gehemmt. Der Betriebsrat blieb weiterhin im Amt. Nach seinem Rücktritt führt er dieses gemäß § 22 BetrVG iVm. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses der neuen Betriebsratswahl fort. Bis dahin sind auch seine Handlungen und Erklärungen – etwa beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen – wirksam. Eine betriebsratslose Zeit tritt nicht ein. Der Betriebsrat ist daher durch die dem Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller stattgebende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht – mehr – beschwert. Es ist kein rechtlich schützenswertes Interesse daran zu erkennen, dass der Beschluss des Landesarbeitsgerichts im Rahmen einer zugelassenen Rechtsbeschwerde – sei es durch ausdrückliche Aufhebung, sei es durch Einstellung des Verfahrens – aus der Welt geschafft wird. Auch Kostenbelange sind – jedenfalls im Beschlussverfahren – nicht geeignet, das Fortbestehen einer Beschwer des Betriebsrats zu begründen. Der Betriebsrat hat dem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses daher zu Recht durch eine Erledigterklärung Rechnung getragen.
Linsenmaier
Gallner
Schmidt
Erika Holzhausen
Glock