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BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 10.10.2012, 7 ABR 42/11

eingetragen von Thilo Schwirtz am April 2nd, 2013

Postpersonalrechtsgesetz – Versetzung – Beamte – Betriebsrat

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2010 – 4 TaBV 13/10 – wird zurückgewiesen.

Gründe

1
A. Die Beteiligten streiten – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse – über die Ersetzung der vom zu 2. beteiligten Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu zwei von der zu 1. beteiligten Arbeitgeberin beabsichtigten Personalmaßnahmen, nämlich dem geplanten anderweitigen Einsatz der Postobersekretärin U und der Arbeitnehmerin K.
2
Die Arbeitgeberin ist ein aus der ehemaligen Deutschen Bundespost hervorgegangenes Unternehmen, auf das die Vorschriften des Postpersonalrechtsgesetzes (künftig: PostPersRG) Anwendung finden. Sie beschäftigt mehr als 20 nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahlberechtigte Arbeitnehmer. Der Betriebsrat ist für ihre Niederlassung BRIEF G gebildet. Die Arbeitgeberin plant den anderweitigen Einsatz der beiden Beschäftigten, weil sie die Filiale S-W zum 14. Juli 2009 geschlossen hat. Sie holte die Zustimmung des Betriebsrats jeweils mit Schreiben vom 25. Juni 2009 ein. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung jeweils mit Schreiben vom 30. Juni 2009, die bei der Arbeitgeberin am selben Tag eingingen.
3
Frau U ist als Postobersekretärin Beamtin der Besoldungsgruppe A 7. Sie soll statt wie zuvor in der Filiale S-W vorübergehend in der Abteilung 33 des Zustellstützpunkts S eingesetzt werden. Frau U war bis zum 30. Juni 2010 in der Filiale Kr tätig. Danach wurde sie der Postbankfiliale S-W zugewiesen. Ab dem 1. Januar 2011 soll sie wie beantragt beschäftigt werden. Die Arbeitgeberin beantragte die Zustimmung des Betriebsrats mit einem Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautet:
„…
wir werden trotz Ihrer Ablehnung die POSn U ab dem 20.07.2009 bis zur endgültigen sozialplanmäßigen Unterbringung befristet zur Abteilung 33 – Auslieferung BRIEF – ZSPL S versetzen, da die Maßnahme gem. § 100 BetrVG aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Der Einsatz erfolgt im Tätigkeitsbereich Qualitätsbearbeitung (Qualitätsarbeiten, Prüfen der Zustellungsurkunden, Bearbeitung der Sorryvorgänge, Überprüfen Begehungspläne etc.). Die Tätigkeiten sind entsprechend dem Entgelttarifvertrag nach der EGr. 5 (entspricht BesGr. A7/A9vz) zu bewerten. Frau U unterstützt die in diesem Bereich tätigen Kräfte. Hierdurch ist eine Intensivierung der Tätigkeiten möglich, die ohne Unterstützung nicht möglich wäre. Mit diesem Einsatz verwirklicht die Niederlassung im übrigen auch den Anspruch der Frau U auf amtsangemessene Beschäftigung.
Der Einsatz erfolgt auf den Ihnen ebenfalls zur Zustimmung vorgelegten personenbezogenen Dienstplan -QM-, die räumliche Zumutbarkeit ist gemäß TV 444 § 5 Abs. 4 vorhanden.
In Anlehnung an die weiteren Ausführungen des Beschlusses des Arbeitsgerichtes Gießen vom 07.05.2009 Az 1 BV 6/09 zur Erforderlichkeit der Mitteilung von Auswirkungen auf die im ZSPL S bereits beschäftigten Mitarbeiter teilen wir Ihnen mit, dass eine Verdrängung von Arbeitsposteninhabern beim ZSPL S nicht stattfindet.
Für die Filiale S-W wurde zunächst eine Betroffenenliste erstellt, auf der sich alle von der Filialschließung betroffenen Mitarbeiter befinden. Soweit diese Mitarbeiter nunmehr beim ZSPL S eingesetzt werden, führt dies nur zu einer vorübergehenden Beschäftigung bis zur Lösung des Sozialplanes. In dem Zeitpunkt, in dem eine dauerhafte Beschäftigung eines Betroffenen möglich wird, wird ein Teilsozialplan zur dauerhaften Unterbringung dieses Mitarbeiters erstellt. Die übrigen Mitarbeiter verbleiben auf der Betroffenenliste. Die Beschäftigung von Mitarbeitern aus dem Betroffenheitsplan bei einer anderen Einsatzstelle führt demgemäß nicht zu einer Verdrängung der dortigen Arbeitsposteninhaber. Im Falle eines zukünftigen Wegfalls einer Beschäftigungsmöglichkeit beim ZSPL S würde für die Mitarbeiter des ZSPL S ein eigener Betroffenheitsplan erstellt. Die ehemaligen ‚S’ Kräfte bleiben insoweit jedoch außen vor.
Die Kurzfristigkeit dieser Maßnahme ergibt sich aufgrund der Schließung der Filiale S-W aus sachlichen Gründen am 14.07.2009. Die Beschäftigte wäre ohne die vorläufige personelle Maßnahme ohne Arbeit. Die Beschäftigte müsste ohne Arbeitsleistung bezahlt werden, dies ist der Niederlassung nicht zuzumuten.
Die POSn U ist mit der Maßnahme einverstanden.
Gleichzeitig erbitten wir Ihre Zustimmung gem. § 99 BetrVG zu der geplanten Maßnahme.
…“
4
Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung mit einem Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautet:
„…
Darüber hinaus verweigert der BR die Zustimmung nach § 99 BetrVG aus folgenden Gründen:
Der Einsatz der Kollegin U entspricht nicht den Vorgaben der Rechtsprechung. Nach dem rechtskräftigen Urteil des OVG Sachsen-Anhalt hat jeder Beamte einen Anspruch auf eine amtsangemessene Beschäftigung. Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 33 GG sowie § 18 Bundesbesoldungsgesetz. Eine Unterbringung im Überhang entspricht somit nicht der gültigen Rechtssprechung. Dieser Tatbestand stellt somit eine Benachteiligung der POSn U dar.
Darüber hinaus können wegen der fehlenden Angaben zur zukünftigen Beschäftigung die Benachteiligung im Hinblick auf die Zumutbarkeitsprüfungen gem. TV 444 nicht ausgeschlossen werden.
Der BR bleibt weiterhin bei seiner Auffassung, dass die AP-Inhaber des ZSPL S durch Frau U verdrängt werden könnten.
Nach Durchführung der Maßnahme wären dann drei Beschäftigte auf einem Arbeitsposten eingesetzt. Dies könnte eine extreme psychische Belastung für den AP-Inhaber bedeuten, der zum einen ständig bemüht sein muss zwei Kollegen zu beschäftigen und zum anderen die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz wächst.
Die Unterstützung im Tätigkeitsbereich Qualitätsbearbeitung wurde bisher von werdenden Müttern vorgenommen, die während der Schwangerschaft nicht in der Zustellung eingesetzt werden dürfen. Das Gleiche gilt für Beschäftigte, die auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen vorübergehend nicht in der Zustellung eingesetzt werden können. Zukünftig hätten wir für den Personenkreis keine Arbeit mehr.
Erneut legen Sie dem BR nur eine befristete Versetzung vor. Da es sich bei der Versetzung aber um die Umsetzung einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des TV 444 handelt, wäre die Vorlage eines Sozialplans erforderlich.
…“
5
Frau K ist Arbeitnehmerin. Sie soll statt wie bisher in der Filiale Siegen-Weidenau vorübergehend im Zustellstützpunkt S in der Abteilung 33 eingesetzt werden. Die Arbeitgeberin beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur personellen Maßnahme mit einem Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautet:
„…
wir werden trotz Ihrer Ablehnung die AN K ab dem 20.07.2009 bis zur endgültigen sozialplanmäßigen Unterbringung befristet zur Abteilung 33 – Auslieferung BRIEF – ZSPL S versetzen, da die Maßnahme gem. § 100 BetrVG aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Der Einsatz erfolgt im Tätigkeitsbereich Qualitätsbearbeitung (Qualitätsarbeiten, Prüfen der Zustellungsurkunden, Bearbeiten der Sorryvorgänge, Überprüfen Begehungspläne etc.). Die Tätigkeiten sind entsprechend dem Entgelttarifvertrag nach der EGr. 5 zu bewerten. Frau K unterstützt die in diesem Bereich tätigen Kräfte. Hierdurch ist eine Intensivierung der Tätigkeiten möglich, die ohne Unterstützung nicht möglich wäre.
Frau K wird auf dem als Anlage beigefügten beim ZSPL S bereits geltenden mitbestimmten Dienstplan eingesetzt werden. Die räumliche Zumutbarkeit ist gemäß TV Nr. 444 § 5 Absatz 4 vorhanden. Der Einsatz auf einem bereits mitbestimmten Dienstplan ist gemäß Beschluss des Arbeitsgerichtes Gießen vom 07.05.2009 Az 1 BV 6/09 zulässig und stellt daher keinen Grund für die Verweigerung der Zustimmung zu einer Versetzung dar.
In Anlehnung an die weiteren Ausführungen des Beschlusses des Arbeitsgerichtes Gießen vom 07.05.2009 Az 1 BV 6/09 zur Erforderlichkeit der Mitteilung von Auswirkungen auf die im ZSPL S bereits beschäftigten Mitarbeiter teilen wir Ihnen mit, dass eine Verdrängung von Arbeitsposteninhabern beim ZSPL S nicht stattfindet.
Für die Filiale S-W wurde zunächst eine Betroffenenliste erstellt, auf der sich alle von der Filialschließung betroffenen Mitarbeiter befinden. Soweit diese Mitarbeiter nunmehr beim ZSPL S eingesetzt werden führt dies nur zu einer vorübergehenden Beschäftigung bis zur Lösung des Sozialplans. In dem Zeitpunkt, in dem eine dauerhafte Beschäftigung eines Betroffenen möglich wird, wird ein Teilsozialplan zur dauerhaften Unterbringung dieses Mitarbeiters erstellt. Die übrigen Mitarbeiter verbleiben auf der Betroffenenliste. Die Beschäftigung von Mitarbeitern aus dem Betroffenheitsplan bei einer anderen Einsatzstelle führt demgemäß nicht zu einer Verdrängung der dortigen Arbeitsposteninhaber. Im Falle eines zukünftigen Wegfalls einer Beschäftigungsmöglichkeit beim ZSPL S würde für die Mitarbeiter des ZSPL S ein eigener Betroffenheitsplan erstellt. Die ehemaligen ‚S-W’ Kräfte bleiben insoweit jedoch außen vor.
Nach Ablauf der Erstattung gemäß den Unternehmensrichtlinien Auswärtstätigkeit und Doppelte Haushaltsführung werden Fahrkosten in analoger Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 3 TV Nr. 444 sowie den entsprechenden Regelungen für Beamte gezahlt.
Die Kurzfristigkeit dieser Maßnahme ergibt sich aufgrund der Schließung der Filiale S-W aus sachlichen Gründen am 14.07.2009. Die Beschäftigte wäre ohne die vorläufige personelle Maßnahme ohne Arbeit. Die Beschäftigte müsste ohne Arbeitsleistung bezahlt werden, dies ist der Niederlassung nicht zuzumuten.
Die AN K ist mit der Maßnahme einverstanden.
Gleichzeitig erbitten wir Ihre Zustimmung gem. § 99 BetrVG zu der geplanten Maßnahme.
…“
6
Das Schreiben, mit dem der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert hat, lautet auszugsweise:
„…
Darüber hinaus verweigert der BR die Zustimmung nach § 99 BetrVG aus folgenden Gründen:
Nach Durchführung der Maßnahme wären dann drei Beschäftigte auf einem Arbeitsposten eingesetzt. Dies könnte eine extreme psychische Belastung für den AP-Inhaber bedeuten, da er zum einen ständig bemüht sein muss zwei Kollegen zu beschäftigen und zum anderen die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz wächst.
Der BR bleibt bei seiner Auffassung, dass die AP-Inhaber beim ZSPL S durch Frau K verdrängt werden könnten.
Die Unterstützung im Tätigkeitsbereich Qualitätsbearbeitung wurde bisher von werdenden Müttern vorgenommen, da sie während der Schwangerschaft nicht in der Zustellung eingesetzt werden dürfen. Zukünftig hätten wir für den Personenkreis keine Arbeit mehr. Weiterhin sehen wir eine Benachteiligung dieser Beschäftigten.
Wiederum legen Sie dem Betriebsrat nur eine befristete Versetzung vor. Da es sich bei der Versetzung aber um die Umsetzung einer Rationalisierungsmaßname im Sinne des TV 444 handelt, wäre die Vorlage eines Sozialplans in dem die Kollegin K mit allen Angaben zur zukünftigen Beschäftigung erfasst ist, erforderlich. Eine Prüfung der Zumutbarkeitskriterien des TV 444 ist bislang nicht möglich. Somit kann auch eine Benachteiligung nicht ausgeschlossen werden.
…“
7
Der von der Arbeitgeberin genannte Tarifvertrag, der TV Nr. 444, wird von ihr angewandt, auch auf Beamte. Er lautet auszugsweise:
Erster Teil. Allgemeine Schutzregelungen
§ 3
Gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung
Die Deutsche Post AG ist verpflichtet, dem unter § 1 und § 2 fallenden Arbeitnehmer einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz anzubieten.
§ 4
Gleichwertigkeit des Arbeitsplatzes
Eine Gleichwertigkeit des Arbeitsplatzes ist immer dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer in der bisherigen Entgeltgruppe mit der bisherigen arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit (WAZ) eingesetzt werden kann.
§ 5
Zumutbarkeit des Arbeitsplatzes
(1)
Die Deutsche Post AG wird dem unter § 1 und § 2 fallenden Arbeitnehmer nur Arbeitsplätze anbieten, die in funktioneller, zeitlicher, räumlicher, gesundheitlicher und sozialer Hinsicht zumutbar sind.
§ 6
Unterwertige zumutbare Weiterbeschäftigung
(1)
Soweit unter Ausnutzung der vorstehenden Regelungen ausnahmsweise und im Einzelfall das Angebot eines gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatzes nicht sogleich möglich ist, ist die Deutsche Post AG verpflichtet, dem betroffenen Arbeitnehmer einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz mit geringerem Entgelt anzubieten. Davon betroffene Arbeitnehmer haben einen vorrangigen Anspruch auf unverzügliche Wiederverwendung auf einem Arbeitsplatz mit gleichwertigen Bedingungen. Ein Arbeitsplatz mit geringerem Entgelt ist ein Arbeitsplatz, der gemäß § 4 nicht gleichwertig ist.
(2)
Für die Zumutbarkeit gelten die Regelungen gem. § 5.
§ 7
Annahmeverpflichtung
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz i.S.v. § 3 bis § 6 anzunehmen. Ansonsten verliert er alle Ansprüche aus diesem Tarifvertrag.
§ 13
Bestandsschutz
(3)
Bis zum Zustandekommen eines gültigen Sozialplans, längstens jedoch für die Dauer von 9 Monaten nach Eintritt der Rationalisierungsmaßnahme, werden von der Deutschen Post AG aufgrund von Maßnahmen i.S.v. § 1 lediglich vorläufige personalrechtliche Maßnahmen vorgenommen. Hierbei handelt es sich um befristete Umsetzungen und Abordnungen. Während dieses Zeitraums bleibt bei einer solchen Maßnahme, die eine Minderung des bisherigen monatlichen Einkommens bewirkt, dessen Höhe gesichert.
Dritter Teil. Durchführungsbestimmungen (Schuldrechtlicher Teil)
§ 19
Sozialplanverfahren
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der in § 1 aufgeführten Rationalisierungsmaßnahmen vereinbaren die Tarifvertragsparteien das in Anlage 1 beschriebene Verfahren.
…“
8
Die Anlage 1 zu § 19 des TV Nr. 444 lautet auszugsweise wie folgt:
„Aufstellung von Sozialplänen für die Ein- und Durchführung der Maßnahmen gem. TV Nr. 444
§ 1
Grundsatz
(1)
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen i.S.v. § 1 TV Nr. 444 ist die Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich und zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den Arbeitnehmern, die unter § 1 und § 2 TV Nr. 444 fallen, infolge dieser Rationalisierungsmaßnahmen entstehen, erforderlich.
§ 2
Sozialplan/Beteiligung des Betriebsrates
(1)
Der Arbeitgeber prüft in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat, welche Arbeitnehmer von der Rationalisierungsmaßnahme betroffen sind. In diese Prüfungen sind nicht nur die Inhaber der Personalposten, die durch die Rationalisierungsmaßnahme unmittelbar betroffen sind, sondern auch die Inhaber aller gleichwertigen Personalposten des Betriebes am bisherigen Beschäftigungsort einzubeziehen. Die Weiterbeschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer richtet sich nach den Regelungen dieses Tarifvertrages.
(2)
Nach der Festlegung der betroffenen Arbeitnehmer ist die gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung
im Zuständigkeitsbereich des Betriebes am bisherigen Beschäftigungs- oder Wohnort, soweit der Wohnort im Zuständigkeitsbereich des Betriebes liegt,
im Einzugsgebiet (i.S.d. Bundesumzugskostengesetzes in der Fassung vom 11.12.1992) des bisherigen Beschäftigungs- oder Wohnortes, soweit dieses im Zuständigkeitsbereich des Betriebes liegt,
im übrigen Zuständigkeitsbereich des Betriebes
in vorstehender Reihenfolge zu prüfen.
(3)
Sind innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Betriebes am bisherigen Beschäftigungs- oder Wohnort gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vorhanden, so ist ein Sozialplanentwurf aufzustellen und dem Betriebsrat zur Zustimmung zuzuleiten. Dies gilt auch, wenn zunächst nur für einen Teil der Betroffenen eine gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Beschäftigungs- oder Wohnort gefunden werden kann. Nach Zuleitung des Sozialplanentwurfs eintretende Änderungen sind dem Betriebsrat unverzüglich mitzuteilen.
(4)
Dieser prüft aufgrund des ihm durch Tarifvertrag eingeräumten Rechts den Entwurf. Stimmt der Betriebsrat dem Entwurf zu, ist der Sozialplan gültig und kann umgesetzt werden. Dies gilt auch für die Beteiligung gemäß Abs. (3) Satz 2. Nimmt der Betriebsrat nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Sozialplanentwurfes Stellung zu diesem Entwurf, ist der Sozialplan gültig.
(5)
Stimmt der Betriebsrat dem Entwurf innerhalb der Frist nicht zu, so kann die Schiedsstelle (Beilage 1) durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat angerufen werden. Die Schiedsstelle entscheidet abschließend im Rahmen der tarifvertraglich vorgegebenen Regelungen über den strittigen Teil des jeweiligen Sozialplanentwurfs. Insoweit die Schiedsstelle dem Sozialplanentwurf zustimmt, ist dieser gültig.
§ 7
Vorrang des Tarifvertrages
Das oben beschriebene Sozialplanverfahren ist durch den Tarifvertrag abschließend geregelt. Die tarifliche Regelung ist eine endgültige Regelung, die es gem. § 77 Abs. 3 BetrVG ausschließt, weitere Regelungen zu treffen. Die eingerichtete Schiedsstelle entscheidet abschließend über die Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den Arbeitnehmern infolge von Rationalisierungsmaßnahmen i.S.v. § 1 TV Nr. 444 entstehen. Von den Sätzen 1 bis 3 bleiben die §§ 111 ff BetrVG unberührt.“
9
Zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens wurde ein gerichtliches Verfahren geführt, mit dem der Betriebsrat der Arbeitgeberin aufgeben lassen wollte, „für Beschäftigte, die aufgrund von Filialschließungen, die zum Wegfall ihrer bisherigen Arbeitsplätze führen, auf unbestimmte Zeit in den sogenannten ‚Überhang’ versetzt werden, ‚Sozialpläne’ im Sinne der Anlage 1 des TV Nr. 444, die Angaben zur zukünftigen Beschäftigung der Betroffenen enthalten, vorzulegen und ihn um Zustimmung zu diesen Sozialplänen zu ersuchen“. Nachdem der Betriebsrat mit diesem Antrag vor dem Arbeitsgericht zunächst erfolgreich war, hat ihn das Hessische Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 TaBV 16/10 – abgewiesen. Diese Entscheidung ist nach Zurückweisung der dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig.
10
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu den von ihr geplanten personellen Einzelmaßnahmen. Zustimmungsverweigerungsgründe lägen nicht vor.
11
Eine Pflicht zur Vorlage eines „Sozialplans“ nach dem TV Nr. 444 – der für die Beamten ohnehin nicht gelte – bestehe nicht. Ein „Sozialplan“ sei vielmehr erst vorzulegen, wenn eine gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gefunden sei. Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Beschäftigten sei dies nicht der Fall gewesen. Der TV Nr. 444 verbiete auch nicht den Einsatz an sich, soweit er einen „Sozialplan“ verlange. Der Betriebsrat könne sich auch nicht darauf stützen, Frau U als Beamtin sei bei dem anderweitigen Einsatz nicht amtsangemessen beschäftigt. Der Betriebsrat habe gegen die konkret übertragenen Tätigkeiten keine Einwände in seinen Zustimmungsverweigerungsschreiben geäußert. Die Beamtin sei in die betrieblichen Abläufe integriert und faktisch ein Teil der Stammbelegschaft. Sie würde neben den auf Regelarbeitsposten Beschäftigten eingesetzt und unterstütze deren Arbeit. Dadurch könnten die betrieblichen Abläufe optimiert werden. Die Stammkräfte könnten ihre Aufgaben intensiver und noch genauer mit weniger Zeitdruck erledigen. Dass sie dem Überhang zugeordnet sei, trete dagegen zurück. Es komme auf die konkrete Tätigkeit und nicht auf die organisatorische Zuordnung zum Überhang an. Im Übrigen sei Frau U mit ihrem Einsatz einverstanden. Gleiches gelte für die Arbeitnehmerin K.
12
Die Arbeitgeberin hat – soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse – zuletzt beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der jeweils am 20. Juli 2009 vorgenommenen Versetzung
der Postobersekretärin U von der Filiale S-W in die Abteilung 33 – Auslieferung BRIEF -, ZSPL S (Tätigkeitsbereich Qualitätsbearbeitung) bis zur endgültigen sozialplanmäßigen Unterbringung
der Arbeitnehmerin K von der Filiale S-W in die Abteilung 33 – Auslieferung BRIEF -, ZSPL S(Tätigkeitsbereich Qualitätsbearbeitung) bis zur endgültigen sozialplanmäßigen Unterbringung
zu ersetzen.
13
Der Betriebsrat hat die Abweisung des Antrags beantragt.
14
Er hat gemeint, hinsichtlich der Maßnahmen schon nicht ausreichend unterrichtet worden zu sein. Da ihm kein „Sozialplan“ vorgelegt worden sei, könne er auch nicht beurteilen, inwieweit die von den Beschäftigten auszuübenden Tätigkeiten zumutbar seien. Zudem fehle es an Angaben über die wirtschaftlichen Hintergründe der Filialschließung. Die Arbeitgeberin sei nach dem TV Nr. 444 auch verpflichtet gewesen, einen „Sozialplan“ vorzulegen. Da sie dies nicht getan habe, habe er, der Betriebsrat, ein Zustimmungsverweigerungsrecht. Er bestreite mit Nichtwissen, dass die Beamtin U keine Einwände gegen ihren Einsatz erhoben hätte. Darauf komme es jedoch ohnehin nicht an, da nur, wenn die Tätigkeit auf ihrem ausdrücklichen Wunsch beruhe, ein Zustimmungsverweigerungsrecht ausgeschlossen sei. Da vorliegend keine Regeltätigkeiten ausgeübt würden, sei eine Versetzung von Frau U als Beamtin in den Überhang nicht amtsangemessen. Denn die am Einsatzort anfallenden Tätigkeiten würden schon von den eingesetzten Beschäftigten, die einen Arbeitsposten innehaben, ausgeführt. Für zusätzliche Kräfte bestehe keinerlei Bedarf. Entsprechendes gelte – abgesehen von den beamtenrechtlichen Besonderheiten – für die Arbeitnehmerin K.
15
Das Arbeitsgericht hat die Zustimmungsersetzungsanträge abgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat ihnen das Landesarbeitsgericht entsprochen. Mit seiner Rechtsbeschwerde beantragt der Betriebsrat die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Arbeitgeberin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
16
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung den nach § 99 Abs. 4 BetrVG gestellten Zustimmungsersetzungsanträgen der Arbeitgeberin entsprochen.
17
I. Das gilt zunächst hinsichtlich des Zustimmungsersetzungsantrags zur Versetzung der Beamtin U. Dem Antrag fehlt nicht bereits deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil dem Betriebsrat etwa kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zustünde; ein solches steht ihm vielmehr zur Seite. Das Verfahren ist auch nicht wegen des kurzfristigen anderweitigen Einsatzes der Beamtin erledigt. Der Antrag ist nicht bereits deswegen abzuweisen, weil die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet hätte; ebenso wenig ist dem Zustimmungsersetzungsantrag deshalb stattzugeben, weil der Betriebsrat nicht in wirksamer Weise Zustimmungsverweigerungsgründe gegenüber der Arbeitgeberin geltend gemacht hätte. Die wirksam geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe liegen jedoch nicht vor.
18
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt voraus, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der vom Arbeitgeber noch beabsichtigten endgültigen personellen Einzelmaßnahme hat und der Arbeitgeber daher der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (vgl. BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 24/10 – Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 137; 19. April 2012 – 7 ABR 52/10 – Rn. 26; 15. August 2012 – 7 ABR 6/11 – Rn. 12). Dieses Rechtsschutzbedürfnis liegt hier vor. Hinsichtlich der personellen Einzelmaßnahme, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu. Ein solches ist nicht nach § 28 Abs. 1 PostPersRG iVm. § 76 Abs. 1 BPersVG verdrängt. Die Voraussetzungen des § 99 BetrVG liegen vor.
19
a) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 28 Abs. 1 PostPersRG iVm. § 76 Abs. 1 BPersVG verdrängt.
20
aa) Nach der Systematik des Postpersonalrechtsgesetzes ist auf die dem Gesetz unterfallenden Unternehmen und damit auch auf die Arbeitgeberin als privatisiertem Postunternehmen das Betriebsverfassungsgesetz anwendbar, soweit im Postpersonalrechtsgesetz nichts anderes bestimmt ist(§ 24 Abs. 1 PostPersRG). Dabei gelten die bei dem Unternehmen beschäftigten Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer (§ 24 Abs. 2 PostPersRG). Nach § 28 Abs. 1 PostPersRG hat der Betriebsrat in personellen Angelegenheiten der Beamten nach § 76 Abs. 1 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht nur nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz; dabei sind in diesen Angelegenheiten nach gemeinsamer Beratung im Betriebsrat nur die Vertreter der Beamten zur Beschlussfassung berufen. Dies bedeutet nicht, dass bei den die Beamten betreffenden personellen Einzelmaßnahmen nur ein „personalvertretungsrechtliches“ Mitbestimmungsrecht besteht und die Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG immer ausgeschlossen sind. Vielmehr ist ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn im konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz greift (vgl. BAG 12. August 1997 – 1 ABR 7/97 – zu B I 2 der Gründe, BAGE 86, 198; 15. August 2012 – 7 ABR 6/11 – Rn. 14).
21
bb) Der Einsatz der Beamtin U im Zustellstützpunkt S statt in der Filiale S-W ist nicht nach § 76 Abs. 1 BPersVG mitbestimmungspflichtig. Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG werden daher nicht verdrängt.
22
(1) Die Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 BPersVG liegen nicht vor. Danach unterliegt eine Versetzung zu einer anderen Dienststelle der Mitbestimmung. Bei der Anwendung des Postpersonalrechtsgesetzes tritt an die Stelle des Dienststellenwechsels der Betriebswechsel (BVerwG 25. Januar 2012 – 6 P 25.10 – Rn. 18, BVerwGE 141, 346). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beamtin soll weiterhin in der Niederlassung BRIEF G tätig sein.
23
(2) Ebenso wenig besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 BPersVG. Dieses setzt eine Umsetzung innerhalb der Dienststelle voraus, die jedoch mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden sein muss, wobei das Einzugsgebiet iSd. Umzugskostenrechts zum Dienstort gehört. Die Beamtin ist weiterhin in S eingesetzt. Ein Wechsel des Dienstortes liegt daher nicht vor.
24
(3) Auch die Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 76 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 BPersVG sind nicht gegeben. Nach dieser Regelung besteht das Mitbestimmungsrecht bei der Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit. Die Voraussetzungen dieses Mitbestimmungsrechts wären erfüllt, wenn die vorgesehene Tätigkeit der Beamtin U nicht amtsangemessen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
25
(a) Soll ein Beamter nicht amtsangemessen beschäftigt werden, löst dies das Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 BPersVG aus. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.
26
(aa) Soweit der personalvertretungsrechtliche Gesetzgeber Begriffe verwendet, die dem Dienstrecht entnommen sind, liegt es nahe, dass er sich auch auf deren dienstrechtlichen Inhalt bezieht. Mangels anderer Anhaltspunkte ist deshalb zunächst auf die dienstrechtliche Definition abzustellen. Auch wenn dies der Ausgangspunkt der Auslegung ist, muss darüber hinaus aber auch der Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts berücksichtigt werden (vgl. zB BVerwG 28. Oktober 2002 – 6 P 13.01 – zu 1 und 3 der Gründe, PersV 2003, 225). Dies ist auf den Fall zu übertragen, dass der personalvertretungsrechtliche Gesetzgeber an allgemeine beamtenrechtliche Grundsätze anknüpft.
27
(bb) Wenn § 76 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 BPersVG bei der Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit ein Mitbestimmungsrecht einräumt, knüpft dies an den in § 18 BBesG niedergelegten beamtenrechtlichen Grundsatz an. Dort ist bestimmt, dass jedem Amt im statusrechtlichen Sinne ein Amt im abstrakt funktionellen und konkret funktionellen Sinne zuzuordnen ist, das von der Wertigkeit her dem Amt im statusrechtlichen Sinne zu entsprechen hat (vgl. zu diesem beamtenrechtlichen Grundsatz BVerwG 3. März 2005 – 2 C 11.04 – zu 2 c der Gründe, BVerwGE 123, 107). Das gilt auch für die bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten. Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG bestimmt, dass diese Beamten „unter Wahrung ihrer Rechtsstellung“ bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigt werden. Diese Verfassungsnorm garantiert den ehemals bei der Deutschen Bundespost beschäftigten Beamten nicht nur den bloßen Status als Bundesbeamte, sondern auch die mit diesem Status verbundene und sich aus ihm ableitende umfassende Rechtsstellung der Bundesbeamten (BVerfG 17. Januar 2012 – 2 BvL 4/09 – Rn. 62, NVwZ 2012, 627). Dementsprechend findet nach § 8 PostPersRG § 18 BBesG mit der Maßgabe Anwendung, dass gleichwertige Tätigkeiten bei den Postnachfolgeunternehmen als amtsangemessene Funktionen gelten. Die Regelung stellt klar, dass auch im Bereich der Postnachfolgeunternehmen der Grundsatz der funktionsgerechten Ämterbewertung gilt, dessen Anwendung für die Erfüllung der Ansprüche auf amtsangemessene Beschäftigung erforderlich ist(BVerwG 18. September 2008 – 2 C 126.07 – Rn. 8 ff., BVerwGE 132, 40). Das Mitbestimmungsrecht nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz wird deshalb ausgelöst, wenn der Beamte mit einer Tätigkeit befasst wird, die von ihrer Bewertung her nicht seinem Amt im statusrechtlichen Sinne entspricht.
28
(cc) Das Mitbestimmungsrecht beschränkt sich jedoch nicht auf diese Fallgestaltung. Der Mitbestimmungstatbestand soll nämlich nach seinem Sinn und Zweck dem Schutz des Beamten in seinem statusrechtlichen Amt vor der Übertragung von Dienstaufgaben dienen, die gegenüber seinem abstrakten Aufgabenbereich beamtenrechtlich „unterwertig“ sind. Sein Zweck ist es, den Anspruch des Beamten auf Übertragung eines seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden funktionellen Amtes, dh. eines amtsangemessenen Aufgabenbereichs, zu schützen (vgl. für eine ähnlich formulierte Vorschrift des baden-württembergischen Landespersonalvertretungsrechts: BVerwG 12. März 1990 – 6 P 32.87 – PersR 1990, 135). Dieser Zweck gebietet es, den Mitbestimmungstatbestand auch dann anzuwenden, wenn ein Beamter in anderer Weise nicht amtsangemessen beschäftigt werden soll.
29
(b) Danach sind die Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestands nach § 76 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 BPersVG nicht gegeben.
30
(aa) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung der Arbeitgeberin, die Beamtin hätte ihrem Einsatz zugestimmt. Allerdings ist bei Zustimmung des Beamten eine Beschäftigung dauerhaft auch auf „unterwertigen“ Positionen zulässig (BVerwG 25. Oktober 2007 – 2 C 30.07 – PersR 2008, 72). Damit wird das übertragene Amt aber noch nicht amtsangemessen. Die Zustimmung führt lediglich dazu, dass ein objektiv „unterwertiger“ Einsatz individualrechtlich nicht rechtswidrig ist. Das ist keine Frage der Erfüllung der Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestands, der an die Einordnung des Amtes als amtsangemessen anknüpft, sondern eine Frage, die allenfalls im Rahmen der Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 77 Abs. 2 BPersVG eine Rolle spielen kann.
31
(bb) Eine Zuweisung von fachlichen Tätigkeiten, die gemessen am Statusamt der Beamtin U „unterwertig“ sind, liegt nicht vor. Die dahingehenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat nicht angegriffen.
32
(cc) Auch sonstige Gesichtspunkte stehen einer Einordnung der geplanten Tätigkeit der Beamtin U als amtsangemessen nicht entgegen. Die Tätigkeit ist insbesondere nicht deshalb amtsunangemessen, weil die Beamtin nicht auf einem Arbeitsposten eingesetzt ist, sondern dem „Überhang“ zugewiesen.
33
(aaa) Allerdings ist es nicht amtsangemessen, wenn einem Beamten überhaupt kein Funktionsamt übertragen wird (BVerwG 22. Juni 2006 – 2 C 26.05 – Rn. 23 ff., BVerwGE 126, 182) oder wenn eine dauernde Trennung zwischen Funktionsamt und Dienststelle erfolgt (BVerwG 18. September 2008 – 2 C 8.07 – BVerwGE 132, 31).
34
(bbb) Beides ist hier nicht der Fall.
35
(aaaa) Die Beamtin U bleibt der Niederlassung BRIEF G zugeordnet und dort soll ihr mit der Übernahme von Tätigkeiten im Zustellstützpunkt auch ein Funktionsamt zugeordnet werden. Das entspricht grundsätzlich den rechtlichen Vorgaben. Ein – auf unmittelbare Anforderung des Beamten zu erfüllender(BVerwG 18. September 2008 – 2 C 126.07 – Rn. 11 ff., BVerwGE 132, 40) – Beschäftigungsanspruch besteht auch, wenn der Beschäftigungsbedarf sinkt (vgl. BVerwG 22. Juni 2006 – 2 C 26.05 – Rn. 25, BVerwGE 126, 182). Dass die Beamtin U eingesetzt wird, obwohl kein freier Arbeitsposten vorhanden ist, dient damit der Erfüllung dieses Anspruchs.
36
Die vorliegende interne Zuordnung zu einem „Überhang“ ist nur Ausdruck dafür, dass die Arbeitgeberin, die die Rechte des Dienstherrn wahrnimmt (§ 1 Abs. 1 PostPersRG), beabsichtigt, die Beamtin sobald wie möglich anderweitig einzusetzen, ihr also ein anderes Funktionsamt zuzuweisen. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung hindert den Dienstherrn nicht daran, dem Beamten aus sachlichen Gründen eine anderweitige amtsangemessene Funktion zu übertragen(vgl. BVerwG 25. Oktober 2007 – 2 C 30.07 – Rn. 14, PersR 2008, 72).
37
(bbbb) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der der Beamtin übertragenen Tätigkeit auch nicht um eine „Pseudobeschäftigung“, also eine Ausgrenzung aus dem normalen Arbeitsprozess, die sich als nicht amtsangemessen darstellen könnte.
38
b) Die Voraussetzungen eines Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG liegen vor. Die Maßnahme ist als Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
39
aa) Die Arbeitgeberin beschäftigt – wie es die gesetzliche Regelung erfordert – in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsrecht.
40
bb) Bei der beabsichtigten Maßnahme handelt es sich um eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
41
(1) Versetzung in diesem Sinne ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. „Arbeitsbereich“ sind die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine „andere“ anzusehen ist. Das kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben, kann aus einer Änderung des Arbeitsortes und der Art der Tätigkeit, dh. der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs erfüllt für sich allein den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG aber nur dann, wenn sie für eine längere Zeit als einen Monat geplant ist (vgl. BAG 16. März 2010 – 3 AZR 31/09 – Rn. 36 mwN, BAGE 133, 307).
42
(2) Mit der Auflösung der Filiale S-W und der Zuordnung der Beschäftigten zu einem Zustellstützpunkt sind erhebliche Änderungen beim Arbeitsort und der organisatorischen Zugehörigkeit verbunden. Dies reicht aus, um eine Versetzung des betroffenen Beschäftigten anzunehmen.
43
2. Das Verfahren ist nicht wegen der vorübergehenden anderweitigen Einsätze von Frau U in der Filiale Kr und der Postbankfiliale S-W erledigt. Davon bleibt die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unberührt.
44
3. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist nicht etwa deswegen abzuweisen, weil die Arbeitgeberin das Zustimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet hätte.
45
a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden zu unterrichten. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genanten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 24/10 – Rn. 20 f., AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 137).
46
b) Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat ausreichend unterrichtet.
47
aa) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats war die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, ihn über die Gründe zur Schließung der Filiale S-W zu unterrichten. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung. Diese ist im Rahmen von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen (BAG 16. Januar 2007 – 1 ABR 16/06 – Rn. 47, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 99 Versetzung Nr. 3). Der Betriebsrat benötigt daher die Informationen über die Gründe für die Filialschließung nicht, um zu prüfen, ob er den Zustimmungsverweigerungsgrund nach dieser Vorschrift geltend machen kann. Auch ein Bezug dieser Information zu anderen Zustimmungsverweigerungsgründen besteht nicht.
48
bb) Entgegen der Ansicht des Betriebsrats hat die Arbeitgeberin durch die Nichtvorlage eines „Sozialplans“ nicht gegen ihre Pflichten aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verstoßen. Einen „Sozialplan“, den die Arbeitgeberin dem Betriebsrat hätte vorlegen können, gab es auch nach dessen Vorbringen nicht. Die Frage, ob die Arbeitgeberin materiellrechtlich zur Erstellung eines „Sozialplans“ nach dem TV Nr. 444 verpflichtet war, betrifft die Begründetheit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats.
49
4. Die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Versetzung der Beamtin U gilt nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.
50
a) Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme als erteilt, wenn er seine Zustimmungsverweigerung dem Arbeitgeber nicht innerhalb einer Woche nach ordnungsgemäßer Unterrichtung unter Angaben von Gründen schriftlich mitteilt. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nicht fristgerecht mit beachtlicher Begründung, so ist auf den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers hin auszusprechen, dass die Zustimmung als erteilt gilt (vgl. BAG 18. Oktober 1988 – 1 ABR 33/87 – zu B II der Gründe, BAGE 60, 57). Der Betriebsrat genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist dagegen unbeachtlich. Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen und Gründe müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden (vgl. BAG 19. April 2012 – 7 ABR 52/10 – Rn. 45 mwN; 16. März 2010 – 3 AZR 31/09 – Rn. 41, BAGE 133, 307; 9. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – Rn. 48 mwN, BAGE 128, 364).
51
b) Danach sind die Voraussetzungen zur Begründung einer Zustimmungsverweigerung teilweise erfüllt.
52
aa) Ausreichend ist die Zustimmungsverweigerung, soweit sich der Betriebsrat im ersten Spiegelstrich des Zustimmungsverweigerungsschreibens auf die mangelnde amtsangemessene Beschäftigung der Beamtin U beruft. Insoweit erscheint ein Verstoß der personellen Maßnahme gegen ein Gesetz (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) und eine Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers – wozu hier nach § 24 Abs. 2 PostPersRG auch Beamte gehören – (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG) möglich.
53
Mit Spiegelstrich fünf des Zustimmungsersetzungsschreibens macht der Betriebsrat in hinreichender Weise deutlich, warum werdende Mütter und Beschäftigte mit gesundheitlichen Einschränkungen Nachteile durch die Versetzung haben sollen, weil ihr – bislang üblicher – Einsatz nicht mehr möglich sein wird. Damit ist ein Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG hinreichend geltend gemacht. Insbesondere sind auch konkrete Tatsachen und Gründe angeführt.
54
Soweit der Betriebsrat schließlich mit Spiegelstrich sechs geltend macht, es hätte ein „Sozialplan“ iSd. TV Nr. 444 vorgelegt werden müssen, nimmt er hinreichend Bezug auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Er beruft sich auf die Verletzung einer Bestimmung eines Tarifvertrages.
55
bb) Die weiteren im Zustimmungsersetzungsschreiben enthaltenen Zustimmungsverweigerungsgründe sind jedoch nur unzureichend geltend gemacht.
56
Soweit der Betriebsrat in seinem zweiten Spiegelstrich fehlende Angaben zur künftigen Beschäftigung der Beamtin U rügt, verlangt er lediglich weitere Informationen. Darin liegt kein Zustimmungsverweigerungsgrund.
57
Mit dem dritten Spiegelstrich des Zustimmungsverweigerungsschreibens bekräftigt der Betriebsrat seine Auffassung, es „könnten“ Arbeitsplatzinhaber durch Frau U verdrängt werden. Damit soll § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG in Bezug genommen werden. Danach kann die Zustimmungsverweigerung darauf gestützt werden, dass die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer erlitten Nachteile, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Geltendmachung dieses Zustimmungsverweigerungsgrundes erfordert daher die Angabe konkreter Tatsachen und Gründe. Solche hat der Betriebsrat nicht angegeben.
58
Das gleiche gilt, soweit er in Spiegelstrich vier meint, durch den Einsatz von drei Beschäftigten auf einem Dienstposten „könnte“ eine extreme psychische Belastung für den Arbeitsplatzinhaber entstehen.
59
5. Die danach wirksam geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe, auf die sich das gerichtliche Prüfprogramm beschränkt (vgl. BAG 17. November 2010 – 7 ABR 120/09 – Rn. 34, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 20), liegen nicht vor.
60
a) Dahingestellt bleiben kann, inwieweit eine nicht amtsangemessene Beschäftigung eines Beamten bei einem Postnachfolgeunternehmen einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 4 BetrVG darstellen könnte. Aus den oben (B I 1 a) bb) (3) (b) (cc)) angegebenen Gründen liegt hier eine amtsangemessene Beschäftigung der Beamtin U vor.
61
b) Ein Zustimmungsverweigerungsgrund ist auch nicht deshalb gegeben, weil – worauf sich der Betriebsrat beruft – durch die Versetzung von Frau U ein Einsatz werdender Mütter und Beschäftigter, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen vorübergehend nicht in der Zustellung eingesetzt werden können, mit der Frau U neu übertragenen Tätigkeit dort nunmehr nicht mehr möglich ist. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG liegen nicht vor. Danach muss die durch Tatsachen begründete Besorgnis bestehen, dass infolge der Versetzung im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Ein Nachteil in diesem Sinne setzt nicht voraus, dass einem im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer Rechtsansprüche verloren gehen. Es reicht aus – ist aber auch erforderlich -, dass eine rechtserhebliche Anwartschaft, die mehr als eine Chance oder bloße Erwartungshaltung darstellt, besteht (BAG 17. Juni 2008 – 1 ABR 20/07 – Rn. 29 mwN, BAGE 127, 51). Bei der Aussicht der anderen Beschäftigten wegen Schwangerschaft oder aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen in der Qualitätsbearbeitung eingesetzt zu werden, handelt es sich um eine solche bloße Erwartung. Eine rechtlich verfestigte Anwartschaft ist nicht gegeben.
62
c) Durch die Nichtvorlage eines „Sozialplans“ bei gleichzeitiger Versetzung von Frau U ist auch nicht der Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegeben. Damit hat die Arbeitgeberin nicht gegen einen Tarifvertrag verstoßen.
63
aa) Der Senat kann dahingestellt lassen, ob der Tarifvertrag Nr. 444 noch normative Wirkung hat. Ebenso kann offenbleiben, ob die personelle Einzelmaßnahme dem Tarifvertrag in sachlicher und zeitlicher Hinsicht unterfällt. Unentschieden bleiben kann auch, inwieweit dieser Tarifvertrag auf Beamte – etwa weil sie nach § 5 Abs. 1 PostPersRG bei ihrem beruflichen Fortkommen wegen ihres Beamtenstatus nicht benachteiligt werden dürfen – der Sache nach Anwendung findet. Schließlich bedarf es keiner Entscheidung, welche Auswirkung die Rechtskraft des Beschlusses des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2010 – 4 TaBV 16/10 – hat.
64
bb) Auch wenn man zu Gunsten des Betriebsrats die Anwendbarkeit des Tarifvertrages unterstellt, ist der Zustimmungsverweigerungsgrund nicht gegeben. Es liegt kein Verstoß gegen den Tarifvertrag vor, der den Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats trägt.
65
(1) Der Betriebsrat kann bei einer personellen Einzelmaßnahme seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen die dort genannten Rechtsvorschriften – und damit auch gegen einen Tarifvertrag – verstoßen würde. Es muss sich bei der maßgeblichen Rechtsnorm nicht um ein Verbotsgesetz im technischen Sinne handeln, das unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Es muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Zweck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Versetzungen deshalb nur gegeben, wenn das Ziel der Norm allein dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt unterbleibt (BAG 17. Juni 2008 – 1 ABR 20/07 – Rn. 23, BAGE 127, 51).
66
(2) Hier erscheint es nicht ausgeschlossen, bei einer Versetzung, hinsichtlich derer der TV Nr. 444 einen gültigen „Sozialplan“ fordert, den Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG anzunehmen, wenn eine solche Versetzung ohne einen gültigen „Sozialplan“ durchgeführt wird. Dafür könnte § 2 Abs. 4 Satz 2 der Anlage 1 zu § 19 TV Nr. 444 sprechen. Stimmt der Betriebsrat dem Entwurf eines „Sozialplans“ zu, ist dieser danach „gültig und kann umgesetzt werden“. Das könnte den Umkehrschluss nahelegen, dass ohne einen gültigen „Sozialplan“ in diesen Fällen die personelle Einzelmaßnahme nicht umgesetzt werden kann und darf.
67
(3) Auch dies kann indes dahingestellt bleiben. Die Versetzung von Frau U von der geschlossenen Filiale S-W zum Zustellstützpunkt S bedurfte nach dem TV Nr. 444 keines gültigen „Sozialplans“. Das ergibt sich aus der Systematik dieses Tarifvertrages.
68
(a) §§ 3 bis 6 TV Nr. 444 beschreiben, auf welchen Arbeitsplätzen die Arbeitgeberin bei den vom Tarifvertrag erfassten Umorganisationsmaßnahmen verpflichtet ist, die Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen und inwieweit sie verpflichtet ist, den Arbeitnehmern ein Arbeitsplatzangebot zu machen. Damit korrespondiert die Annahmepflicht des Arbeitnehmers nach § 7 TV Nr. 444. Aus § 19 TV Nr. 444 ergibt sich, dass der Umsetzung dieser Regelungen das in der Anlage 1 beschriebene Verfahren, also das „Sozialplanverfahren“, dient. Dieses greift, wie sich aus § 2 Abs. 3 Satz 2 der Anlage 1 zu § 19 TV Nr. 444 ergibt, auch dann ein, wenn eine diesen Kriterien entsprechende Umsetzungsmöglichkeit nur für einen Teil der von der Umorganisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer gefunden werden kann. Es greift aber dann nur hinsichtlich dieser Arbeitnehmer. Nur bezogen auf diese ist ein „Sozialplan“ aufzustellen und der Betriebsrat entsprechend der Anlage 1 zu § 19 TV Nr. 444 zu beteiligen.
69
(b) Dass der Betriebsrat dabei ggf. auch Auswahlkriterien einbringen, also geltend machen kann, die den materiellen „Sozialplankriterien“ entsprechende Einsatzmöglichkeit sollte einem anderen Arbeitnehmer zugutekommen, ist dabei in der Systematik angelegt. Es ändert aber nichts daran, dass der „Sozialplanentwurf“ und damit das „Sozialplanverfahren“ lediglich für die Arbeitnehmer eingehalten werden muss, hinsichtlich derer die Arbeitgeberin meint, es bestehe eine Unterbringungsmöglichkeit entsprechend den Kriterien des TV Nr. 444. Allenfalls als Ergebnis des „Sozialplanverfahrens“ kann sich ergeben, dass ein anderer Arbeitnehmer den Kriterien entsprechend untergebracht wird. In diesem Falle kommt dann hinsichtlich dieses Arbeitnehmers ein „Sozialplan“ zustande.
70
(c) Soweit allerdings aus Arbeitgebersicht ein den materiellen Kriterien des TV Nr. 444 entsprechender Arbeitsplatz, auf dem der Beschäftigte endgültig untergebracht werden kann, noch nicht vorhanden ist, ist allein § 13 Abs. 3 TV Nr. 444 einschlägig. Dieser legt fest, was bis „zum Zustandekommen eines gültigen Sozialplans, längstens jedoch für die Dauer von neun Monaten nach Eintritt der Rationalisierungsmaßnahme“ gilt. Die Bestimmung erlaubt insoweit – im Sinne des TV Nr. 444 – „vorläufige“ personelle Maßnahmen. Diese sind gerade möglich, ohne dass ein gültiger „Sozialplan“ vorliegt. Daher ist für ihre Durchführung auch die Vorlage eines „Sozialplans“ nach dem Tarifvertrag nicht erforderlich.
71
(d) Die Arbeitgeberin beabsichtigt – wie sich aus dem Zustimmungsbegehren ergibt -, Frau U lediglich „bis zur endgültigen sozialplanmäßigen Unterbringung“ zu versetzen und hat auch nur insoweit die Zustimmung des Betriebsrats einholen wollen. Die geplante personelle Einzelmaßnahme ist deshalb allein an § 13 Abs. 3 TV Nr. 444 zu messen, erfordert aber keine Vorlage eines „Sozialplans“ nach § 19 iVm. Anlage 1 TV Nr. 444. Zustimmungsverweigerungsgründe, die sich auf § 13 Abs. 3 TV Nr. 444 stützen, hat der Betriebsrat nicht angebracht.
72
II. Ebenso ist die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmerin K zu ersetzen.
73
Frau K ist keine Beamtin. Es stellt sich deshalb bei ihr nicht die Frage, ob das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG durch § 28 Abs. 1 PostPersRG iVm. § 76 Abs. 1 BPersVG verdrängt wird, ob sich Zustimmungsverweigerungsgründe aus einer nicht amtsangemessenen Beschäftigung iSd. Beamtenrechts ergeben können und ob der Tarifvertrag Nr. 444 auf sie wegen ihres Rechtsstatus nicht anzuwenden ist. Auch kommt bei Frau K eine Erledigung des Verfahrens schon deshalb nicht in Betracht, da sie ununterbrochen im Zustellstützpunkt S eingesetzt ist. Im Übrigen gleichen sowohl die personelle Einzelmaßnahme als auch das innerbetriebliche Zustimmungsverfahren und die Zustimmungsverweigerungsgründe dem, was für die Versetzung von Frau U gilt. Daher ist die Zustimmung des Betriebsrats auch zu der Versetzung von Frau K aus denselben Gründen zu ersetzen, die insoweit für die Versetzung von Frau U gelten.
Linsenmaier
Kiel
Zwanziger
Holzhausen
Gerschermann