Außerordentliche Kündigung wegen Verzehr von Pommes?
Der im Jahre 1959 geborene Kläger ist seit dem 08.11.1991 für die beklagte Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Campus-Gastronomie im Bereich der Ruhr-Uni Bochum betreibt, als Mitarbeiter tätig. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe am 07.07.2009 beim Durchgang durch die Küche Pommes frites sowie 2 Frikadellen zum Verzehr an sich genommen. Obwohl der Vorgesetzte ihn daraufhin gewiesen habe, dass es nicht zulässig sei, Lebensmittel zu entnehmen, ohne diese zu bezahlen, soll der Kläger nach dem Vorbringen der Beklagten in Anwesenheit des Vorgesetzten zwei weitere Frikadellen genommen und sich mit diesen in den Pausenraum begeben haben. Daraufhin habe der Vorgesetzte ihm den Hinweis erteilt, er habe zurzeit keine Pause und ihn gebeten, sich ins Büro zu begeben. Der Kläger sei aber weiter zum Sozialraum gegangen und habe geäußert, der Vorgesetzte solle ihn in Ruhe lassen, er wisse was er tue. Erst nach Einschalten eines weiteren Vorgesetzten sei der Kläger zu einem Gespräch bereit gewesen.
Mit Schreiben vom 20.07.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos sowie hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist. Sie bewertet das Verhalten des Klägers als Diebstahl, zumindest bestünde ein Diebstahlsverdacht.
Die gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Bochum Erfolg. Das Arbeitsgericht hatte zunächst Zweifel daran, ob der Personalrat ordnungsgemäß bei der Kündigung beteiligt worden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten konnte das Arbeitsgericht nicht feststellen, dass der Kläger einen Diebstahl begangen hätte, der zur Störung des Vertrauensverhältnisses hätte führen können. Dabei hat es entscheidend darauf abgestellt, dass Geschehen am 07.07.2009 in Kenntnis des Vorgesetzten geschehen, der jederzeit hätte eingreifen können. Allein die Pflicht der Nichtbefolgung von Weisungen des Vorgesetzten mache den Kläger nicht zum Straftäter.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Am 04.11.2010 verhandelt das Landesarbeitsgericht Hamm das Verfahren – 8 Sa 711/10 – Vorinstanz Arbeitsgericht Bochum – 4 Ca 1973/09 –.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor der 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts ohne Beweisaufnahme erfolglos. Auch wenn man das Vorbringen der Beklagten als wahr unterstellt, ist die Kündigung unwirksam.
Das Gericht ist zunächst davon ausgegangen, dass der behauptete Verzehr der Pommes frites und der Frikadellen im vorliegenden Fall keinen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darstellen könne. Dabei sind insbesondere die 19-jährige Betriebszugehörigkeit und der Umstand, dass der Kläger nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes nur noch außerordentlich kündbar ist, zu berücksichtigen. Aber auch die von der Beklagten vorgetragene Weigerung des Klägers ins Büro zu kommen, kann die fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Als milderes Mittel hätte zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen, die dem Kläger als letzte Warnung die Möglichkeit gegeben hätte, das behauptete Verhalten zu überdenken.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.
[Quelle: PM des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.11.2010 und 04.11.2010]
§ 626 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund)
1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.