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Wirksamkeit eines „Anlernvertrags“ für einen anerkannten Ausbildungsberuf

eingetragen von Thilo Schwirtz am Juli 29th, 2010

Nach dem Berufsbildungsgesetz ist die Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf nur nach der Ausbildungsordnung zulässig. Die Ausbildung hat grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis stattzufinden. Soll ein solches nicht vereinbart werden, kann statt dessen auch ein Arbeitsverhältnis begründet werden. Es ist jedoch unzulässig, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 Berufsbildungsgesetz, etwa einem „Anlernverhältnis“, durchzuführen. Derartige Verträge sind wegen des Gesetzesverstoßes insgesamt nach § 134 BGB nichtig. Trotzdem eingegangene „Anlernverhältnisse“ sind für den Zeitraum ihrer Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Zu zahlen ist die im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB für Arbeitsverhältnisse übliche Vergütung. Das hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden. Ob sich der Arbeitgeber ohne Weiteres vorzeitig aus dem Rechtsverhältnis lösen kann oder ob dies wegen des Schutzzwecks des Berufsbildungsgesetzes nicht möglich ist, wofür einiges spricht, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

Im Wesentlichen erfolglos war deshalb die Revision gegen ein landesarbeitsgerichtliches Urteil, mit der sich der beklagte Malermeister gegen die Verurteilung zur Zahlung der in Arbeitsverhältnissen üblichen Entlohnung für die Zeit der Tätigkeit der Klägerin wandte. Er hatte mit ihr, nachdem es nicht zum Abschluss eines Berufsausbildungsverhältnisses gekommen war, einen „Anlernvertrag“ im Beruf „Maler- und Lackierer“ geschlossen und eine Vergütung vereinbart, die deutlich hinter der für Arbeitnehmer üblichen Mindestvergütung zurückblieb.

[Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts v. 22.07.2010]

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Juli 2010 – 3 AZR 317/08 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 21. Februar 2008 – 7 Sa 659/07 –


§ 4 Berufsbildungsgesetz -Anerkennung von Ausbildungsberufen-
1) Als Grundlage für eine geordnete und einheitliche Berufsausbildung kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie oder das sonst zuständige Fachministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Ausbildungsberufe staatlich anerkennen und hierfür Ausbildungsordnungen nach § 5 erlassen.
2) Für einen anerkannten Ausbildungsberuf darf nur nach der Ausbildungsordnung ausgebildet werden.
3) …

§ 26 Berufsbildungsgesetz  -Andere Vertragsverhältnisse-
Soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist, gelten für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, die §§ 10 bis 23 und 25 mit der Maßgabe, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit abweichend von § 23 Abs. 1 Satz 1 Schadensersatz nicht verlangt werden kann.

§ 134 BGB
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 612 BGB -Vergütung-
1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.