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Anfechtung eines Aufhebungsvertrages

eingetragen von Thilo Schwirtz am Mai 27th, 2010

Eine Altenpflegerin kann einen abgeschlossenen Aufhebungsvertrag dann nicht wegen vorausgegangener Androhung einer außerordentlichen Kündigung anfechten, wenn der Arbeitgeber aufgrund von detaillierten Vorwürfen mehrerer Mitarbeiter nach Recherchen und nach Anhörung der Pflegekraft davon ausgegangen ist, sie habe Heimbewohner misshandelt und beschimpft und er deshalb eine fristlose Kündigung in Erwägung gezogen hat.

Die 1948 geborene Klägerin war seit 1999 in dem von der Beklagten betriebenen Alten- und Pflegeheim als Pflegekraft beschäftigt. Nachdem die Pflegedienstleiterin im Februar 2008 von Anschuldigungen über die Klägerin (gewaltsames Füttern und Zähneputzen, Zufügen von Hämatomen durch grobe Pflegehandlungen, Beleidigungen: „blöde Kuh“, „stirb doch endlich“) Kenntnis erlangte, befragte sie hierzu mehrere Pflegekräfte und hörte im Anschluss die Klägerin in einem Personalgespräch zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen an. Der Personalleiter hielt der Klägerin vor, dass der Verdacht bestehe, sie verletze ihr im Nachtdienst anvertraute Schutzbefohlene durch physische und psychische Gewalt. Die Klägerin stritt die Vorwürfe ab. Der Personalleiter kündigte ihr den Ausspruch einer fristlosen Kündigung an. Als Alternative bot er ihr den Abschluss eines Auflösungsvertrages an. Die Klägerin stimmte zu, wartete, bis der Vertrag vorbereitet war und unterschrieb ihn sodann. Zwei Tage später focht sie den Auflösungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung an.

Das Arbeitsgericht wies die Anfechtungsklage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Beklagte sie zum Abschluss des Auflösungsvertrages unter widerrechtlicher Androhung einer fristlosen Kündigung genötigt habe. Vielmehr habe die Beklagte aufgrund ihres Kenntnisstandes bei dem von ihr durch Befragungen ermittelten Sachverhalt eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen. Dass die Vorwürfe tatsächlich zutreffen, müsse im Anfechtungsprozess nicht vom Arbeitgeber bewiesen werden.

[Quelle: PM des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein v. 28.04.2010]

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein rechtskräftiges Urteil v. 08.12.2009 zu Az.: 2 Sa 223/09

§ 123 BGB (Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung)
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.